Soll die Bundeswehr nach dem Putsch in dem Wüstenstaat ihre Mission fortsetzen? Die Kanzlerin hält derzeit an dem Einsatz der deutschen Soldaten in Mali fest – zieht aber „rote Linien“. Den Grünen reicht das nicht aus.

Berlin - Nach dem Militärputsch in Mali wächst die Ungewissheit über den künftigen Einsatz der Bundeswehr in dem westafrikanischen Krisenstaat. „Das Entscheidende für uns ist, dass in Mali der Transitionsfahrplan inklusive der Wahlen im kommenden Jahr eingehalten wird“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid unserer Zeitung. „Wenn dies nicht passiert, macht es keinen Sinn, weiterhin die malische Armee auszubilden. Denn wir wollen eine Armee, die von einer zivilen Regierung kontrolliert wird.“

 

Die Bundeswehr unterstützt zwei Militärmissionen in Mali: Im Rahmen der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali ist die Bundeswehr mit bis zu 600 Soldaten im Einsatz, um die Armee des fragilen Landes zu trainieren. Die UN-Blauhelmmission MINUSMA soll Mali stabilisieren und den Friedensprozess unterstützen. Daran beteiligt sich Deutschland mit bis zu 1100 Soldaten. Beide Mandate verlängerte der Bundestag erst vor zwei Wochen.

Dem Wüstenstaat droht das Chaos

Der Wüstenstaat droht seit Jahren im Chaos zu versinken. Mehrere islamistische Terrorgruppen treiben ihr Unwesen, die Zentralregierung in Bamako ist schwach. Die Stabilisierung des Landes, das dreieinhalb Mal so groß wie Deutschland ist, gilt als entscheidend, um eine gewisse Ordnung in der Sahelregion aufrecht zu halten. Nach einem Militärputsch im August 2020 war in Mali zuletzt eine Übergangsregierung an der Macht, die bis zur Präsidentschaftswahl im kommenden Februar regieren sollte. Nach dem erneuten Militärputsch der vergangenen Woche ließ sich der Anführer Assimi Goïta zum Übergangspräsidenten ausrufen.

Die in Mali engagierten Staaten stehen nun vor der Frage, wie sie auf den Coup reagieren. Sollen sie weiterhin eine Armee ausbilden, die sich an die Macht putscht und freien Wahlen möglicherweise im Wege steht? „Damit die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen kann, brauchen wir einen verlässlichen Partner“, sagte die SPD-Verteidigungsexpertin Siemtje Möller unserer Zeitung. „Das kann nur eine demokratisch legitimierte Regierung sein, so wie es der Transitionsprozess vorsieht.“

Merkel zieht zwei rote Linien

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron drohte am Wochenende mit dem Rückzug französischer Truppen aus Mali. Im Rahmen der Anti-Terror-Operation Barkhane sind etwa 5000 französische Soldaten in der Sahelregion im Einsatz. Ein französischer Abzug würde auch den Verbleib der Bundeswehr infrage stellen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Macron betonten am Montag gemeinsam, an den Missionen EUTM und MINUSMA festzuhalten. „Wir glauben, dass unsere Präsenz vor Ort weiterhin wichtig ist“, sagte Merkel. Zudem zog die Kanzlerin „rote Linien“: Erstens müssten die Wahlen wie geplant stattfinden. Zweitens dürfe die neue Führung keinen Kontakte zu Islamisten aufnehmen. Es wird befürchtet, dass die Putschisten zur Kooperation mit den Islamisten bereit sein könnten.

Grüne wollen „klare Bedingungen“ für Verbleib der Bundeswehr

Die Grünen-Außenpolitikerin Franziska Brantner fordert von Merkel und Außenminister Heiko Maas (SPD) eine härtere Ansage an die Putschisten, auch was den Verbleib der Bundeswehr betrifft. „Wir Grüne haben schon länger Zweifel, inwieweit wir in Mali noch auf die Richtigen setzen“, sagte Brantner unserer Zeitung. „Merkel und Maas müssen gegenüber der Führung in Bamako klare Bedingungen nennen, unter denen die deutschen Soldaten weiterhin in Mali bleiben können.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte, steht zu dem deutschen Engagement. „Der erneute Putsch in Mali zeigt einmal mehr, wie wichtig der Einsatz der Bundeswehr in Westafrika ist“, sagte Otte unserer Zeitung. „Denn als Europäer müssen wir verstehen, dass unsere Sicherheit nicht am Mittelmeer endet.“ Otte forderte die EU-Kommission auf, sich in Westafrika mit mehr Energie für Stabilität und Frieden einzusetzen. „Die bisherigen Instrumente und internationalen Absprachen reichen offensichtlich nicht.“

Die Angst vor dem „Afghanistan-Szenario“ wächst

Die Bundeswehr leiste in Mali einen wichtigen Beitrag zur Stabilität, sagte der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai unserer Zeitung. „Ein kopfloser Abzug der Truppen würde die schwierige und komplexe Gemengelage weiter verkomplizieren.“ Allerdings will auch der FDP-Politiker die Zukunft des Einsatzes von der Lage vor Ort abhängig machen: „Die Bundeswehr sollte weder eine Militärdiktatur noch eine islamistisch aufgestellte Regierung aktiv unterstützen.“

Der Putsch in Mali verschärft Befürchtungen, dass der Sahel-Einsatz wie in Afghanistan in einer jahrelangen Militärpräsenz ohne nachhaltige Erfolge enden könnte. Es müsse die Frage gestellt werden, „welche Ziele mithilfe des militärischen Engagements überhaupt erreicht werden können“, forderte Djir-Sarai.