Der Bundeswirtschaftsminister hat auf seiner Reise nach Russland einen Zwischenstopp in Kiew gemacht. Er will verhindern, dass durch die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 die Milliarden-Einnahmen der Ukraine durch den Erdgas-Transit wegbrechen.

Moskau - Die Bundesregierung will mit einer diplomatischen Offensive die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland und der Ukraine verbessern. Gleich drei deutsche Regierungsmitglieder reisen in diesen Tagen nach Russland. Der Außenminister Heiko Maas (SPD) war vor wenigen Tagen in der russischen Hauptstadt. Am Montag traf dort auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein. Er soll das Gespräch der Kanzlerin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorbereiten, das Ende der Woche in Sotschi stattfindet. Altmaiers Mission: Russland wieder stärker in den Handel mit Deutschland einbinden. Wegen der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim gelten zwar nach wie vor die europäischen Sanktionen. Doch die Bundesregierung ist bemüht, die Wirtschaftsbereiche, die nicht unter die Sanktionen fallen, zu beleben.

 

Interessen aller Seiten Rechnung tragen

Altmaier will vor allem den Gasstreit zwischen Russland, der Ukraine und Europa beilegen. Er wolle die Ukraine und Russland von einem energiepolitischen Gesamtkonzept überzeugen, sagte Altmaier. „Wir werden alles tun, um in Energiefragen eine Lösung zu finden, die den Interessen aller Seiten Rechnung trägt, insbesondere denen der Ukraine“, sagte Altmaier im Gespräch mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Wolodymyr Hroisman in Kiew.

Der jahrelange Streit um Gaslieferungen und den Bau der neuen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee soll ein Ende finden. Es ist mehr als eine Geste der Höflichkeit, dass der Bundeswirtschaftsminister auf dem Weg zu seiner ersten Russland-Reise in der ukrainischen Hauptstadt Kiew einen Stopp einlegt. Das Signal ist für die Ukraine wichtig. Sie ist abhängig von Einnahmen aus dem Gastransit von Russland nach Westeuropa, das bislang den größten Teil der russischen Erdgaslieferungen über die Ukraine bezieht.

Sorge, dass die Gasdurchleitung deutlich sinkt

Die Regierung in Kiew befürchtet, dass mit dem Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 die Gasdurchleitung über die Ukraine stark zurückgeht. Das wäre für Kiew ein finanzielles Desaster. Die Ukraine bezieht aus dem Gastransit jährlich rund zwei Milliarden Dollar an Einnahmen.

Altmaier machte in Kiew klar, dass die Bundesregierung auf die Ukraine Rücksicht nimmt. Berlin will verhindern, dass der Bau von Nord Stream 2 dazu führt, dass der Gastransit durch die Ukraine abebbt. Das ist zugleich ein Zeichen an die EU-Partner, denn die EU-Kommission in Brüssel sieht Nord Stream 2 äußerst kritisch. Die Bundesregierung befürwortet das Projekt grundsätzlich. Es solle nun eine Lösung gefunden werden, mit der Russland und die Ukraine leben könnten, sagte Altmaier. Berlin geht davon aus, dass auch Russland Interesse an einem Kompromiss hat, um mit dem Bau anfangen zu können. Die Leitung soll 2020 in Betrieb gehen.

Der russische Staatskonzern Gazprom hat zusammen mit den Partnern der Betreibergesellschaft, zu der auch deutsche Firmen gehören, rund vier Milliarden Euro investiert. Die Widerstände sind zuletzt aber gewachsen. Die USA machen immer stärker Front gegen die Gasleitung. Washington begründet dies mit geostrategischen Risiken. Ein wichtiger Grund für die Haltung der Amerikaner dürften aber auch eigene Geschäftsinteressen sein.

Bundesregierung will Klarheit schaffen

Die Bundesregierung will versuchen, zu Nord Stream 2 schnell Klarheit zu schaffen. Ob die Ukraine die Abwehrhaltung aufgibt, ist ungewiss. Ministerpräsident Hroisman lobte im Gespräch mit Altmaier „die harte Haltung“ der Bundesregierung, wenn es darum gehe, die Souveränität der Ukraine zu verteidigen. Er meinte damit die harte Haltung Berlins gegenüber Russland in der Krim-Frage. Kiew hofft, dass die Widerstände gegen Nord Stream 2 so groß sind, dass die Pipeline nicht gebaut wird.

Peter Altmaier kommt auf seiner Reise mit hochrangigen Gesprächspartnern zusammen. In Moskau ist ein Termin mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew sowie einer Reihe von Ministern geplant.