Wenn Rettungskräfte zu Unfällen eilen, kann es auf Minuten ankommen. Doch immer wieder werden sie von Gaffern behindert und unwilligen Autofahrern ausgebremst. Seit Ende Mai gilt das als Straftat. Über weitere Sanktionen wird derzeit beraten.

Berlin - Was sich im Sommer 2005 in Bremervörde abspielte, hat den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) schwer schockiert. Damals filmten in der niedersächsischen Stadt zwei Männer die Leichen zweier Unfalltoter.

 

Sie behinderten dabei Polizei und Rettungskräfte und gingen, als sie vom Ort verwiesen wurden, mit Gewalt gegen die Einsatzkräfte vor. Daraufhin machte sich Pistorius für eine Strafverschärfung stark und zwar mit Erfolg. Bundesrat und Bundestag haben gehandelt und einen neuen Straftatbestand gegen Gaffer eingeführt.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner betont, dass ihn der Busunfall von Münchberg, bei dem am Montag 18 Menschen starben, fassungslos mache. Mit Blick auf das Geschehen in Münchberg sagt Fechner: „Bei der strafrechtlichen Ahndung kann erstmals der neue, am 30. Mai in Kraft getretene Straftatbestand gegen Gaffer zu einer Bestrafung angewendet werden.“

Bislang, sagte Fechner, hätten Gerichte die Schaulustigen nicht bestraft, weil sie den Nachweis nicht erbracht sahen, dass die Behinderung der Rettungskräfte zum Tod des Unfallopfers führte: „Zukünftig reicht allein das Behindern von Rettungskräften aus, um sich strafbar zu machen. Um das behindernde Gaffen nachzuweisen, kann die Polizei die Handys der Gaffer beschlagnahmen und deren Fotos auswerten.“

Der Unfall von Münchberg ist juristisches Neuland

Der Unfall von Münchberg ist also juristisches Neuland. Er ist der erste große Fall, in dem die neue Strafvorschrift angewendet werden kann. Dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) höhere Bußgelder ins Gespräch bringt, greift aus Fechners Sicht zu kurz: „Wer aus Sensationslust die Rettung von Menschenleben blockiert, muss mit einer empfindlichen Geldstrafe oder Gefängnis bestraft werden.“

Auch Pistorius wird aufmerksam verfolgen, wie die Verfahren im Fall Münchberg ausgehen. Der SPD-Politiker betonte im Mai im Bundesrat, dass er sich eine weiter reichende Lösung gewünscht hätte. Es sei schlimm, wenn die Würde von Unfallopfern durch Videos und Fotos verletzt und dieses Leid auch noch öffentlich verbreitet werde. „Unser Ziel war es daher, dass bereits der Versuch, Aufnahmen der betroffenen Menschen und auch von Verstorbenen zu machen, unter Strafe gestellt wird und so zum Beispiel Smartphones vor Ort eingezogen werden können.“ Dieser Vorschlag sei in dem neuen Gesetz nicht berücksichtigt worden.

Das Anti-Gaffer-Gesetz verstärkt auch den Schutz

Die Große Koalition meint, dass Pistorius‘ Anliegen keine separate Rechtsnorm nötig mache, weil es auch mit der geltenden Rechtslage erfüllt sei. Pistorius empfahl der Länderkammer ausdrücklich, dem Gesetz trotzdem zuzustimmen. Von der Gesetzesänderung gehe „ein erheblicher Abschreckungseffekt für potenzielle Gaffer aus.“ Die öffentliche Debatte, die nach Bremervörde entstanden sei, habe bei vielen Menschen für einen Sinneswandel gesorgt. Ob der Abschreckungseffekt eintritt, wird sich zeigen. Dass seit Ende Mai die neue Strafnorm gilt, hat sich noch nicht überall herumgesprochen.

Bremervörde war für Pistorius und viele andere Politiker auch deshalb ein Schock, weil die beiden Männer mit Gewalt gegen die Rettungskräfte vorgingen. Dass in den vergangenen Jahren vermehrt Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte angegriffen wurden, steht fest. Deshalb verstärkte die Große Koalition in dem Anti-Gaffer-Gesetz auch den Schutz der Vollstreckungskräfte. Die Höchststrafe für den tätlichen Angriff auf sie wurde von drei auf fünf Jahre Freiheitsentzug erhöht.