Seit Jahren kämpfen Bezirksbeiräte auf den Fildern und im Neckartal für eine verlängerte Buslinie 65 zum Flughafen. Bisher sind sie mit diesem Wunsch gegen eine Wand gelaufen. Das ändert sich gerade, denn der Wind hat sich gedreht.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Die Forderung für eine Verlängerung der Buslinie 65 zum Flughafen hat ein Gesicht: das von Thorsten Häberlein. Der drahtige Mann mit Brille sitzt in einem Plieninger Café unweit der derzeitigen Endhaltestelle des 65ers und erklärt, warum es die neue Linienführung unbedingt braucht. Der 43-jährige Plieninger ist keiner, der einfach nur will. Er hat in seiner Freizeit Argumente gesammelt. Zusammengenommen 52 Stunden hat er vor einem guten Jahr Fahrgäste in der inzwischen eingestellten Buslinie 79 – eingeführt als eine Art Probebetrieb – zwischen Plieningen und Flughafen gezählt. Sein Mitbewohner, ein Student, ist weitere 40 Stunden mit Strichliste im Bus gesessen. Häberlein hat ihn mit knapp 660 Euro entlohnt. „Das kann man schon mal investieren“, sagt Häberlein. Schließlich geht es um eine Herzensangelegenheit. „Und mir hat das Spaß gemacht, jede einzelne Stunde.“

 

52 Stunden hat der Mann aus Stuttgart-Plieningen Fahrgäste gezählt

Häberlein und sein Helfer kommen dabei auf andere Zahlen als die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB). Laut seiner 23 Seiten umfassenden, detaillierten Studie nutzten im Durchschnitt 7,21 Menschen den 79er pro Fahrt und Richtung. Die SSB hatte immer wieder betont, dass mit im Schnitt drei Fahrgästen zu wenige in den Bus stiegen und er deshalb keine Zukunft habe. Im Mai 2016 ist er wieder gestrichen worden.

Den 79er will Häberlein nicht zurück. Das gilt auch für Michael Wörner aus Plieningen und Ulrich Storz aus Sillenbuch, die neben Häberlein beim Kaffee sitzen. Sie wollen, was sie seit Jahren wollen: dass die Buslinie 65, die bisher zwischen dem Neckartal und der Plieninger Garbe pendelt, zum Flughafen verlängert wird.

Der Flughafen sei eine wichtige Drehscheibe

Alles andere ergebe keinen Sinn, erklärt Häberlein. Zu seinen Argumenten gehört auch dies: Für den 28. April hat er sich die Mühe gemacht, alle Abfahrten und Abflüge vom Flughafen aus aufzuführen. Laut seiner Recherche gab es an jenem Tag zwischen 0 Uhr und 23.50 Uhr 455 Anschlüsse, sei es mit dem Fernbus, der S-Bahn, mit dem Flieger oder mit sonst etwas. „Die wurden alle verpasst“, sagt Häberlein und meint: für Busfahrgäste aus Plieningen, weil es die Linie schlicht nicht gibt. Häberlein legt Wert darauf, dass es ihm bei seiner Forderung nicht vorrangig um den Flughafen als solchen gehe. Der Flughafen sei inzwischen aber ein Drehkreuz für verschiedenste Verkehrsmittel, erst recht nach dem Bau des ICE-Bahnhofs. Das dürfe nicht länger ignoriert werden.

Offenbar stehen die Aktien gut, dass aus der von den Bezirksbeiräten in Birkach, Plieningen, Sillenbuch und dem Neckartal geforderten Linienverlängerung tatsächlich etwas werden könnte. Das dürfte nicht nur mit dem sturen Kampf der Bezirksbeiräte zusammenhängen, sondern auch mit der Tatsache, dass sich der Wind gedreht hat.

Die Forderung nach der verlängerten Linie hat es mit 3606 Stimmen auf Platz drei des Bürgerhaushalts geschafft; der Verband Region hat sich Anfang dieses Jahres für eine Busverbindung zwischen Neckartal und Flughafen ausgesprochen; und in Stuttgart wird seit Monaten über Fahrverbote diskutiert, was die Chancen für den Ausbau des Nahverkehrs stärkt. All diese Entwicklungen könnten als Geburtshelfer für eine verlängerte Buslinie zum Flughafen fungieren.

Die SSB sagt bisher noch nicht viel Konkretes

Die SSB selbst gibt sich eher wortkarg beim Thema. „Derzeit werden beide Varianten, die Verlängerung der bestehenden Linie 65 und die Verlängerung einer direkteren Linie 65, hinsichtlich ihrer betrieblichen Umsetzbarkeit und ihrer Attraktivität für die Fahrgäste geprüft“, lässt der Planer Roland Krause mitteilen. „Unabhängig von der Linienführung sind aber Beschleunigungsmaßnahmen (in Abstimmung mit der Landeshauptstadt) zwingende Voraussetzung für eine mögliche Flughafenanbindung mit der Linie 65.“

Bereits im Sommer 2016 hatten mögliche Beschleunigungsmaßnahmen den Bezirksbeirat Sillenbuch alarmiert aufhorchen lassen. Damals hatte die SSB die Lokalpolitiker darüber informiert, dass die Strecke des 65ers durch Heumaden überprüft werde. Sofort keimte die Sorge auf, dass Heumaden aus dem Fahrplan gestrichen werden könnte. Und auch heute sagt Ulrich Storz, der für die SPD im Gremium sitzt: „Da muss ein qualitativ vergleichbares Angebot her.“ Denn die Überlegungen, Heumaden auf der Route des 65ers auszusparen, seien nicht vom Tisch.

Es gab sogar einen bezirksübergreifenden Antrag

Storz und Wörner – Letzterer vertritt die CDU im Plieninger Bezirksbeirat – haben sich an jenem Vormittag mit Häberlein an den Tisch gesetzt, weil sie sein überdurchschnittliches Engagement wertschätzen. Und schließlich sind sie selbst schon seit Jahren an der Sache dran. Sogar einen bezirksübergreifenden Antrag haben sie gestellt. „Das gab es noch nie“, sagt Wörner. „Nun könnten wir eigentlich nur noch in den politischen Hungerstreik treten.“

Möglicherweise genügt es auch, abzuwarten. Denn aus Kreisen des SSB-Aufsichtsrats ist zu erfahren, dass ernsthaft Bewegung in die Sache gekommen ist. Erst vergangene Woche gab es ein Treffen.