1962 zählte der Teilort von Leonberg noch 800 Einwohner, Mitte der 1970er bereits 4000. Was war damals in Warmbronn los? Unser Luftbildervergleich von 1968 zeigt zudem, wie gravierend der Wandel ausfiel.

Warmbronn - Idyllisch liegt Warmbronn da. Der 4290 Einwohner zählende Teilort von Leonberg, der eigentlich lieber eigenständig bleiben wollte, ist schützend eingebettet von Wald, nur der Blick Richtung Renningen ist offen. Dort, wo die Sonne abends in den schönsten Farben untergeht. Innerhalb kürzester Zeit hat sich das einst landwirtschaftlich geprägte Fleckchen Erde städtebaulich rasant entwickelt. 1962 zählte Warmbronn etwa 800 Einwohner. Nur zwölf Jahre später, also 1974, war diese Zahl auf 3852 gestiegen.

 

Christiane Hug-von Lieven, SPD-Gemeinderätin sowie Ortschaftsrätin (Warmbronner Liste) und frühere Vorsitzende des Gemeindevereins, hat die Entwicklung ihres Heimatortes von 1962 an bis heute aufgeschrieben. „Es waren immer wieder interessierte, engagierte und gemeinwohlorientierte Menschen die Warmbronn weitergebracht und zu einem lebendigen Ort gemacht haben“, sagt die 76-Jährige, die 1984 mit ihrer Familie hierher gezogen war. Woher kam diese rasante Entwicklung seit 1962?

Ein 25-jähriger Bürgermeister macht vieles anders

Es beginnt damit, dass bei der Bürgermeisterwahl am 14. Oktober 1962 der Amtsinhaber Kurt Pape gegen den 25-jährigen Verwaltungsinspektor Eberhard Fork aus Stuttgart mit 199 zu 285 Stimmen das Rennen verliert. Mit Fork kommt ein junger, dynamischer Bürgermeister ins Amt, der Großes vorhat. „Man kann nicht sagen, dass es unter Kurt Pape keinen Fortschritt gegeben hatte“, sagt Hug-von Lieven. In seiner Amtszeit wird der Sportplatz und eine neue Grundschule oberhalb des Friedhofes „Auf der Staige“ gebaut. Sie ersetzt die bisherige in der Hauptstraße 40. Die Bevölkerung hätte die Schuler aber an zentraler Stelle im Ort bevorzugt.

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Mit der Wahl des neuen Bürgermeisters und einem neuen Gemeinderat startet der Ort ein ehrgeiziges Zukunftsprogramm. „Es ging darum, was man mit Warmbronn macht, das verschlafen war und keine Industrialisierung hatte“, erklärt Hug-von Lieven. In einem Gutachten zu städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten wird dem kleinen Örtchen eine Inselsituation im Stuttgarter Raum bescheinigt, an dem die stürmische Entwicklung, wie sie andere Gemeinden im Umland erlebten, bislang vorbeigegangen ist.

Warmbronn werden sehr guten Voraussetzungen für eine gehobene Wohngemeinde bescheinigt. Empfohlen wird ein Wohnungsbau mit begrenzter Ansiedlung. Dabei liegt eine Befürchtung nahe: Kann die Gemeinde dies finanziell stemmen, zumal der Ausbau der Infrastruktur notwendig ist?

Geheimtipp für Städter

Die „Neuen“ im Ort machen sich an die Arbeit. 1964 beschließt der Gemeinderat einen Flächennutzungsplan. Und da werden nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“ in Windeseile die Neubaugebiete Brenntenhau, Riegeläcker, Ziegelwiesen und Künzen-Gebiet ausgewiesen. Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser und Hochhäuser sprießen aus dem Boden.

1968 ist die Gemeinde mitten im Wandel. Der Luftbildvergleich mit dem heutigen Zustand zeigt das enorme Wachstum:

Warmbronn wird mit seiner Nähe zu Stuttgart ein Geheimtipp für die Städter. Widerstand von den Alt-Warmbronnern gibt es kaum, da sie finanziell vom Verkauf ihrer Äcker und Streuobstwiesen profitieren.

Politisch ist die rasante Entwicklung gewollt, denn 1966 stößt die Landesregierung eine große Kreis- und Gemeindereform an, um die Verwaltungen künftig größer, finanzstärker und effektiver zu gestalten. Die Zahl der Landkreise soll reduziert, kleinere Gemeinden zu größeren Einheiten zusammengefasst werden. Die Mindestgröße für den Erhalt der Eigenständigkeit legt die Landesregierung zunächst bei 5000 Einwohnern fest, später wird diese Zahl auf 8000 erhöht.

Kampf gegen die Eingemeindung

„Das hätte Warmbronn nie erreichen können, trotzdem kämpfte der Ort bis zuletzt gegen die Eingemeindung mit Leonberg“, sagt Christina Hug-von Lieven. Auch, weil die Einwohner eher nach Stuttgart orientiert sind. 1974 bleibt keine Wahl, Warmbronn stimmt einer „freiwilligen“ Eingemeindung zu und handelt noch ein paar „Prämien“ heraus, wie etwa eine Ortskernsanierung oder den Ausbau der Ortsdurchfahrt. Denn bis dato prägen hier noch Schotterstraßen und Misthaufen vor den Türen das Ortsbild. Das Milchhäusle in der Hauptstraße (dort wo heute die Volksbank ist) ist Zeuge der bäuerlichen Vergangenheit.

Mit der Eingemeindung müssen auch einige Straßennamen geändert werden, um eine Doppelung im Gesamtgebiet zu vermeiden. So wird etwa die Bergstraße zur Berghalde, die Berliner zur Brandenburger Straße, der Eltingerweg zur Steigwaldstraße, die Stuttgarter zur Büsnauer Straße.

Bebauung abgeblasen – Obstbäume abgesägt

Ein wunder Punkt sind die „Apfeläcker“, seit 1977 ein Thema in der Gemeinde. Die Befürworter und Gegner einer Bebauung – die an das bestehende Wohngebiet „Vordere Lauerhalde“ angrenzen könnte – sind sich spinnefeind. Zunächst ist der Ortschaftsrat für eine Bebauung, dann ist er dagegen. Im Herbst 1997 macht der Leonberger Gemeinderat, der den Bebauungsplan als Satzung beschließen will, überraschend einen Rückzieher und lässt das Vorhaben platzen. Das erbost die Grundstückseigentümer so mächtig, dass sie alle Obstbäume auf dem Gelände absägen.

Die Warmbronner sind sehr aktiv und engagiert. Sie organisieren unter der Regie von Pfarrer Hermann Aichele ihr erstes Maifest, um Alt- und Neubürger näher zusammen zu bringen. Heute würde man wohl „Quartiersmanagement“ dazu sagen. Sie stemmen sich in den 1980er Jahren gegen Pläne des Bundes, der eine Autobahnverbindung vom Dreieck Leonberg zum Anschluss Gärtringen in Erwägung zieht. Die Trasse wäre sehr nah an Warmbronn verlaufen.

Die Pläne werden schließlich zu den Akten gelegt, weil sie nicht die erhoffte Entlastung für die von Durchgangsverkehr betroffenen Kommunen bringen würde. Schließlich kämpfen die Warmbronner auch für den Erhalt ihres Rathauses, das im Jahr 2008 von der Bürgerstiftung übernommen wird und in Eigeninitiative umgebaut wird.

Warmbronn wächst weiter

Im Dezember 2021 zählt Warmbronn 4290 Einwohner. Tendenz steigend, denn der Ort ist auch für Familien attraktiv. Die Stadt Leonberg bemüht sich schon lange darum, in dem Bereich „Hinter den Gärten“ ein neues Baugebiet zu entwickeln. Hier sollen Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser entstehen. Und eine Anlage für betreutes Wohnen. Die 1,1 Hektar große Fläche ist derzeit aufgeteilt zwischen 14 Eigentümern. Für das Gebiet wird zurzeit die Entwurfsplanung für die Erschließungsanlagen (Verkehrsflächen, Ver- und Entsorgung) ausgearbeitet.

Nach abschließender Abstimmung mit den Fachämtern und Behörden werden auf dieser Grundlage im nächsten Schritt der Bebauungsplanentwurf und die Unterlagen zur Erörterung der Grundstückszuteilung mit den Grundstückseigentümern überarbeitet. Dann werden Bebauungsplan- und Umlegungsverfahren fortgeführt. „Das Ziel der Stadtverwaltung ist es mit der Ausführungsplanung und Vergabe der Baumaßnahmen im Jahr 2023 zu beginnen“, sagt der Leonberger Pressesprecher Sebastian Küster.