Das Café Stella wird 30. Als eines der ersten Lokale brachte es Kaffeekultur nach Stuttgart. Eine Geschichte über ein rasiertes Lokal-Logo, Max Herre beim Kaffee und grüne Politik an der Stadtautobahn.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Ein gut gemachtes Lokal ist immer auch ein Ort der Geschichten, der Erinnerung, im Idealfall an die eigene Jugend, gerade wenn diese gefühlte Jahrhunderte zurückliegt. Das Café Stella an der Hauptstätter Straße im Herzen Stuttgarts ist so ein Ort, eine Bühne, auf der viele Stuttgarter ihren ersten richtigen Cappuccino genossen haben zu einer Zeit, als der Filterkaffee noch sein strenges Regiment am Nesenbach führte.

 

Die Geschichte des Café Stella gleicht in mehrfacher Hinsicht einem kleinen Märchen. Dass das Stella an einer so schrecklichen und für Stuttgart so typischen Stadtautobahn als eine der ersten Inseln in der Ödnis länger als 30 Tage überleben konnte, ist eigentlich bemerkenswert genug. In einer 1-c-Lage einen Ort zu eröffnen, an dem man lange frühstücken und abends lange trinken konnte, war für die damalige Zeit beinahe revolutionär. Dass ein so individuelles Gastronomiekonzept aber so lange überleben kann, kommt wirklich einem kleinen    Wunder gleich. Schließlich zählen Gastronomie-Jahre doppelt, sagt man.

Stabwechsel im Stella

Rechtzeitig zum Jubiläum hat im Stella ein Stabwechsel stattgefunden. Liane Schmid, die letzte Verbliebene der Stella-Urbesetzung, hat im Juli des vergangenen Jahres an Katinka Keller übergeben. Schmid eröffnete das Lokal vor 30 Jahren gemeinsam mit Rainer Berger, Waltraud Glaser, Werner Köhn und Peter Stellwag. Stellwag zeichnete später unter anderem für den inzwischen verblichenen Tearoom an der Theodor-Heuss-Straße verantwortlich, Glaser verwirklichte sich schließlich im bezaubernden Café Königx im Bohnenviertel.

Dass es das Stella immer noch gibt, ist auch dem Besitzer des Hauses zu verdanken. Als Jörg Mühlberger mitbekam, dass sich Liane Schmid aus der ersten Stella-Reihe verabschieden will, zahlte er für sein Stammcafé kurzerhand eine Ablöse, um eine Nachfolgeregelung zu sichern, statt sich einen zahlungskräftigeren Gastronom ins Haus zu holen. Katinka Keller, die neue Betriebsleiterin, hat Hotelfach studiert, war früher selbst Gast im Stella und hat dann dort im Service gearbeitet.

Rasierte Logos und eine hohe Promi-Dichte

Die 28-Jährige fällt im bunten Stella-Publikum nicht weiter auf. Zwischen Studenten, Architekten und hiesigen Kulturschaffenden erzählt sie, wie es ist, eine Institution wie das Stella sanft modernisieren zu wollen. „Der Stil des Stella soll natürlich beibehalten werden, wir werden nur einige wenige Dinge erneuern“, sagt Keller. Die besten Stella-Anekdoten kennt sie selbst nur von Zeitzeugen, zur Vorbereitung auf das Interview hat sie einige alte Artikel der Stuttgarter Zeitung mitgebracht.

Immer wieder gerne erzählt wird die Geschichte des Stammgastes, der sich das Logo des Lokals ins Haar rasierte. Auch auf die hohe Promi-Dichte im Stella wurde schon oft verwiesen. Regisseur Roland Emmerich war Stammgast, als er noch nicht nach Hollywood rübergemacht hatte. Sänger Max Herre schaut vorbei, wenn er seine alte Heimat mal wieder mit einem Besuch beehrt. Im Stella wurde auch schon immer grüne Politik gemacht. Früher schlürfte Rezzo Schlauch hier seinen Cappuccino, später traf sich Fritz Kuhn zu ersten Vor-OB-Hintergrundgesprächen im Café. Bis vor Kurzem residierten die Grünen ein Stockwerk über dem Stella. Frei nach Jürgen Trittin könnte man das Stella also auch als gastronomische Oase der grünen Taliban von Waziristan bezeichnen.

Die Kinder der Revolution feiern Jubiläum

Übrigens feiert das Stella 2014 nicht alleine Jubiläum. Auch der formidable Plattenladen Ratzer Records, mittlerweile als Plattencafé ein wichtiger Bestandteil für die Durchmischung des Leonhardsviertels, und die Konzerthalle LKA/Longhorn zelebrieren in diesem Jahr drei Dekaden popkulturelle Nachhilfe für Stuttgart (siehe Infokasten). Die Kinder der Revolution sind erwachsen und bereichern die Stadt noch immer. Es besteht Hoffnung.

Blick in die Kristallkugel im Stella: Welche gastronomischen Orte werden in 30 Jahren an eine längst vergangene Jugend erinnern? Die ewig gleichen Fressketten in den riesigen Mall-Gebilden wie im Gerber oder Milaneo? Wir fragen in 30 Jahren noch mal nach, beim 60. Geburtstag des Stella, das dann wahrscheinlich am größten Shared Space der Stadt gelegen sein wird.