Lange war sie „die meistgehasste Frau“ Großbritanniens. Aber in den vergangenen Jahren sie sich beharrlich Respekt verschafft. Camilla, die am Samstag zur Königin gekrönt wird, ist nun ein wichtiges Mitglied der Monarchie.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Noch vor zwanzig Jahren stuften Londons Boulevardblätter Camilla Parker Bowles als „die meistgehasste Frau“ auf den Britischen Inseln ein. Der Hass erklärte sich daraus, dass die wirkliche Zuneigung des Thronfolgers nie der ihm angetrauten Prinzessin gegolten hatte, sondern eben „Mrs Parker Bowles“, seiner langjährigen Geliebten. Und dass Camilla ebenso wenig wie Charles daran dachte, diese alte Beziehung aufzugeben. Diana selbst hatte ja geklagt, dass es „immer drei von uns gab“, in ihrer Ehe mit Charles. Welten liegen zwischen den bitteren Ressentiments jener Jahre und dem verhaltenen Respekt, den viele Britinnen und Briten Camilla heute zollen. Wenn die Frau des Königs in wenigen Tagen zusammen mit Charles die Westminster Abbey betreten wird, um sich dort zur Königin krönen zu lassen, hat sie eine der erstaunlichsten Transformationen durchlaufen, die man sich denken kann.

 

Denn die neue Queen steht ebenso ruhig wie selbstbewusst an der Seite „ihres“ Königs. Sie strahlt jede Menge Zuversicht aus, in den anhaltenden Turbulenzen der Windsors. Und eine bemerkenswerte Gelassenheit.

Camillas Einfluss scheint Charles gut zu tun – privat und beruflich

Mit ihren 75 Jahren und ihrer bewundernswert robusten Natur hat sie die Zeit alter Märchen und Träume, die dem Königshaus einmal so wichtig schien, hinter sich gelassen. Ein Schneewittchen, wie es Diana hatte sein sollen, brauchte sie nie zu sein.

Stattdessen hat sie sich Jahr um Jahr bemüht, von der verhassten Außenseiterin zu einer arbeitswilligen und nützlichen Mitspielerin im Zentrum der Monarchie zu werden. Was ihr zuletzt auch gelungen ist.

Denn erst ihr Optimismus, ihre bei Hofe vielbestaunte gute Laune, scheint Charles zu mehr Ausgeglichenheit verholfen zu haben, als sie ihm in jüngeren Jahren zu eigen war. Die Ehe mit Camilla habe Charles „sichtlich weniger angespannt und weniger verdrießlich“ gemacht und ihn „mehr zum Lächeln gebracht bei öffentlichen Auftritten“, würdigt der Autor Stephen Bates diesen Einfluss Camillas auf ihren Mann.

In der Tat erwärmte sich selbst Königin Elizabeth II. in den letzten Jahren ihres Lebens zunehmend für Camilla, mit der sie wenigstens über Hunde, Pferde und Rosengärten reden konnte. Häufig sah man beide plaudernd zusammen stehen.

Anlässlich ihres Platinum-Jubiläums im vorigen Jahr machte die Königin denn auch deutlich, dass nach ihrem Ableben Camilla nicht einfach Prinzessin heißen, sondern den Titel einer „Queen Consort“, einer Königs-Gemahlin, tragen sollte. In der kurzen Zeit seit dem Tod Elizabeths ist nun auch schon das Beiwort „Consort“ unter den Tisch gefallen. Vom Moment der Krönung an gilt Camilla als neue Königin.

Auch das bekräftigt den veränderten Status der Frau, der früher immer vorgeworfen wurde, es an glamourösem Erscheinen, an Eleganz für eine Rolle wie diese fehlen zu lassen. Noch anlässlich ihrer Heirat mit Charles im Jahr 2005 hatte die Londoner Times prophezeit, „Königin“ werde Camilla „niemals sein“.

Damals konnte sich gerade mal ein Fünftel aller Britinnen und Briten eine „Königin Camilla“ vorstellen. Heute sind 53 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt, dass Camilla als Queen „gute Arbeit leisten“ wird.

Camillas Platz im Herzen der Monarchie Foto: PA Media

Geboren wurde Camilla Rosemary Shand in eine wohlhabende englische Oberschichts-Familie. Ihr Vater war Armee-Major und Importeur erlesener Weine, ihre Mutter die Tochter eines Barons. Die Shands besaßen mehrere Häuser, eins davon auf dem Land, in Sussex, und eins in London, in South Kensington.

Die Kindheit Camillas und ihrer Geschwister wurde von Freunden der Familie als eine Zeit glücklicher Jahre mit Ponies, Parties und viel elterlicher Aufmerksamkeit beschrieben. Vater Bruce etwa pflegte den Kindern gern und regelmäßig vorzulesen – was bei anderen aristokratischen Familien oder auch bei den Windsors eher selten vorkam.

Dass sie ihre gute Laune und relative Sorglosigkeit dieser feudalen „Nestwärme“ verdankten, haben die Shand-Sprösslinge später allesamt bestätigt. Nach dem Besuch einer Privatschule verbrachte Camilla einige Zeit in einem Mädcheninternat in der Schweiz („für den letzten Schliff“) und danach auf einem Literaturkurs in Paris.

Zurück in England fand sie sich in einem Kreis ähnlich wohlgestellter Zeitgenossinnen wieder, denen es erlaubt war, sich dem Müßiggang – und ein paar sportlichen Aktivitäten – hinzugeben. Verbindungen zu Hofe gab es dabei natürlich auch.

Anfang der 70er Jahre begegnete Camilla Shand dann erstmals „ihrem Prinzen“. Und unter den Kandidatinnen für eine spätere Ehe mit Charles nahm sie schnell eine herausragende Position ein. Aber bei Hofe stellte man sich quer, als eine offizielle Verbindung spruchreif wurde. Die älteren Mitglieder der Familie hatten anderes für den Thronfolger geplant.

Die Pläne der Königsfamilie sorgten für viel Unglück

Was sich daraus ergab, sorgte für jahrelanges Chaos. 1973 heiratete Camilla den Gardeoffizier Andrew Parker Bowles, blieb aber mit Charles in „freundschaftlichem“ Kontakt. 1980, als es in der Parker-Bowles-Ehe wegen Andrews Eskapaden längst kriselte, wählte Charles zu seinem eigenen Hauptwohnsitz das Schlösschen Highgrove, keine 15 Kilometer entfernt von Bolehyde Manor, dem Wohnsitz des Paares, um in Camillas Nähe zu sein.

Zugleich beugte sich der Prinz dem Windsor-Willen, der ihm eine sehr viel jüngere Braut – eine „Frau ohne Vergangenheit“ – zugedacht hatte. 1981 fand dann die „Märchenhochzeit“ des Prinzen von Wales mit Lady Diana statt. Dass sich diese Beziehung nicht als tragfähig erwies, zeigte sich bekanntermaßen binnen weniger Jahre. Mitte der 90er Jahre waren denn auch beide Ehen geschieden, die der Parker Bowles und die des Thronfolgers mit Diana. Im September 1997 aber verunglückte Diana tödlich, auf jener nächtlichen Autofahrt in Paris.

Das war die Zeit größter Anfeindung Camillas in der Öffentlichkeit. „Es war nicht leicht“, seufzte sie einmal. Aber sie habe „lernen müssen, irgendwie damit zu leben“. Eine Anekdote, die damals die Runde machte, sprach davon, sie sei auf dem Parkplatz ihres örtlichen Supermarkts, als sie einkaufen gehe wollte, mit Brötchen beworfen worden von einer Gruppe wütender Frauen.

Der Tiefpunkt: Dianas Beerdigung Foto: POOL

Klar war allerdings auch, dass Charles zu diesem Zeitpunkt beschlossen hatte, seine Gefühle für Camilla nicht länger zu verheimlichen – und dass er allen Widerständen zum Trotz mit ihr zusammen leben wollte. In einer „Operation PB“ (PB für Parker Bowles) planten Helfer in seinem Auftrag Camillas Rehabilitation mit militärischer Präzision.

Geleitet von einem der Pressesekretäre des Prinzen, Mark Bolland, versuchte diese Kampagne Camilla über Jahre hin ein neues, positives Image zu verpassen. Eine neue Geschichte wurde propagiert: Die einer lebenslangen Love Story auf eigener Suche nach einem Happy End.

Eine jahrelange Image-Kampagne hatte schließlich Erfolg

Frühe Erfolge verzeichnete die „Operation PB“ 1999, als sich Charles und Camilla nach einem Besuch des Ritz erstmals gemeinsam, als Paar, in der Öffentlichkeit zeigten. 200 Journalisten und Fotografen hatte Bolland Bescheid gesagt – und die Frontseiten der Presse am nächsten Morgen waren der Lohn. Die Daily Mail verkündete billigend: „Together“ (Zusammen). Der Daily Mirror erklärte: „At Last!“ – endlich sei es soweit.

Sechs Jahre später, als Charles und Camilla in Windsor heirateten, mussten sie das zwar noch im Rathaus tun, weil die Staatskirche ihnen als geschiedenen Eheleuten mehr als einen Segen nicht glaubte anbieten zu können. Aber beim anschließenden Empfang in Windsor Castle hieß Königin Elizabeth die neue Schwiegertochter, so gut sie konnte, willkommen. Ihr Sohn habe nun endlich „seine Schäfchen ins Trockene gebracht mit der Frau, die er liebt“, stellte sie fest.

Seither, seit jenem Durchbruch, hat sich Camilla in ihrer neuen Rolle zunehmend in die Öffentlichkeit gewagt, hat auf unaufdringliche Weise mehr und mehr Leute für sich eingenommen. Unter anderem hat sie sich ein dichtbepacktes Programm an wohltätigen Initiativen auferlegt.

Camilla mischt sich unters Volk. Foto: AFP

Mit ihrem Engagement gegen häusliche Gewalt oder für vergessene Feministinnen hat sie auch manche Zweifler(innen) beeindruckt. Auch die Schirmherrschaft diverser medizinischer Wohlfahrtsverbände hat sie übernommen. Künste, Literatur und Leselust generell zu unterstützen, ist ihr ein besonderes Anliegen. Ihr „Online Book Room Club“ weist eine Gefolgschaft von 138.000 jungen und alten Lesern auf.

Während der Lockdown-Zeit war sie besonders aktiv, aber auch jetzt wissen Anhänger der Krone ihre unermüdlichen Einsätze, ihre kleinen Scherze, ihren Sinn für flapsige Selbstherabsetzung zu schätzen. Bei Auftritten und bei Reisen wie der jüngst nach Deutschland ist King Charles sichtlich angewiesen auf „my darling wife“, seine liebe Frau.

Nicht alle ihrer Landsleute hat sie überzeugen können. Manche finden, dass sie zu echtem Mitgefühl – sei´s damals gegenüber Diana oder heute gegenüber Meghan Markle – nicht wirklich fähig ist. Dass es ihr, wo sie sich glaubt behaupten zu müssen, schlicht an Wärme, an gutem Willen fehlt.

Aber abgesehen von Prinz Harry, der sie neuerdings als „gefährlich“ und als „Schurkin“ bezeichnet, muss die neue Königin der Windsors zum Zeitpunkt ihrer Krönung wohl von niemandem mehr offen feindselige Reaktionen befürchten. Dass Harry sich weigern wird, vor ihr das Knie zu beugen, wird ihr keine schlaflosen Nächte bereiten – solange sie der Rest der königlichen Familie und die Nation als Ganzes als künftige Queen tolerieren.