Die Ampel-Regierung will eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken erlauben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat jetzt einen Termin für das Gesetzesvorhaben genannt. Doch Sucht-Experten sehen viele Risiken.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Bislang darf Cannabis in Deutschland nur zu medizinischen Zwecken gehandelt und verkauft werden.

 

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat allerdings in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Cannabis kontrolliert in bestimmten Mengen und in speziellen Geschäften an Erwachsene zu verkaufen. So soll sowohl die Qualität kontrolliert, als auch die Verbreitung von verunreinigtem Cannabis verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden.

So weit war der Stand der Diskussion im November 2021. Doch wie steht es heute um Legalisierung von Marihuana in Deutschland? Ein Überblick:

Cannabis-Legalisierung nicht vor 2024?

Kurz gesagt: Die Legalisierung von Cannabis könnte sich noch bis 2024 hinziehen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jetzt angekündigt, eine Gesetzesinitiative zu der von der Ampel-Koalition geplanten Legalisierung von Cannabis zu starten.

Der SPD-Politiker räumt ein, dass er lange ein Gegner dieses Vorhabens gewesen sei, nun seine Meinung aber geändert habe. Der Schaden einer Nicht-Legalisierung etwa durch den Verkauf von verunreinigtem Material scheine größer zu sein als eine kontrollierte Abgabe. „Dazu werden wir in der zweiten Hälfte des Jahres einen Gesetzentwurf vorlegen“, betont der Gesundheitsminister.

Nach Aussage des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), wird es noch in dieser Wahlperiode „ein Gesetz geben, mit dem Cannabis für Erwachsene legal, aber kontrolliert und sicher in Deutschland zu kaufen sein wird“.

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Gesetz „Cannabis als Medizin“

Am 10. März 2017 ist das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft getreten. Es regelt den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei Patienten im Einzelfall bei schwerwiegenden Erkrankungen.

Seitdem ist der Konsum von Cannabis und THC-Produkten (THC steht für Tetrahydrocannabinol – eine psychoaktive Substanz, die zu den Cannabinoiden zählt) an sich erlaubt. Nicht jedoch der Kauf, Besitz, Verkauf oder Anbau.

In dem Gesetz ist festgehalten, dass von einer Strafe abgesehen werden kann, wenn der Besitz oder Anbau lediglich eine „geringe Menge“ zum Eigenbedarf darstellt. Diese „geringe Menge“ ist in jedem Bundesland unterschiedlich definiert. In Bayern und Baden-Württemberg beträgt diese Menge sechs Gramm, in Berlin 15 Gramm.

Cannabis auf Kassen-Rezept

Kassenpatienten dürfen Arzneimittel mit Cannabis nach einem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2022 nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen bekommen.

Eine Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung komme erst in Betracht, „wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen“, so das Gericht.

Kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu Genusszwecken

Laut Koalitionsvertrag wollen die Ampel-Parteien eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen. Dadurch würde „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es.

Bei dem Schritt halten sich die Parteien aber auch eine Hintertür offen: Das geplante Gesetz solle nach vier Jahren auf „gesellschaftliche Auswirkungen“ überprüft werden.

Die Argumente für eine Legalisierung sind bei SPD, Grünen und FDP weitgehend die gleichen – und haben mit dem finanziellen Effekt für die Staatskasse nichts zu tun: Durch einen kontrollierten Verkauf werde der illegale Schwarzmarkt ausgetrocknet, auch dadurch seien besserer Jugendschutz und effektivere Suchtprävention möglich. Nicht zuletzt sei es falsch, Millionen Cannabiskonsumenten zu kriminalisieren.

Demo für schnelle Legalisierung der Droge

Anlässlich des weltweiten Aktionstages „Global Marijuana March“ wollen Cannabis-Konsumenten am Samstag (7. Mai) in Berlin für eine schnelle Legalisierung der Droge demonstrieren. Auch in weiteren deutschen Städten soll am Samstag unter dem Motto „Schluss mit Warten: Gras in den Garten!“ demonstriert werden, darunter in München und Hamburg.

In einem Aufruf zum „Global Marijuana March“ wird kritisiert, dass es bislang weder einen Zeitplan noch einen Gesetzentwurf gibt. Auch wird dort die Legalisierung des Eigenanbaus gefordert.

Sucht-Experten warnen vor Legalisierung

Sucht-Experten von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie sowie den beiden Deutschen Gesellschaften für Suchtmedizin und für Suchtpsychologie warnen im Fall einer künftigen kontrollierten Abgabe von Cannabis vor Folgeschäden und verlangen vorbeugende Maßnahmen.

Es brauche unter anderem eine Mengenbegrenzung beim Verkauf und Warnhinweise. Zudem müsse der illegale Handel konsequent unterbunden werden und vor allem sei der Jugendschutz in den Blick zu nehmen und auszubauen.

Die Experten fordern den Gesetzgeber zu Maßnahmen auf, um „die gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden zu mindern, die bei einer Ausweitung des Cannabiskonsums erwartbar wären“. Sie verlangen zudem, eine legale Abgabe von Cannabis nicht ab 18 Jahren zu erlauben, sondern erst ab 21 Jahren.

Boom für Cannabis-Produkte erwartet

Seit 2017, als Cannabis für medizinische Zwecke wie Schmerzlinderung bei Schwerkranken erlaubt wurde, hat der Stoff in Deutschland einen Boom erlebt. Start-ups haben immer mehr legale Lifestyle-Produkte wie Hanfaufstriche, Hanfsamenöle, Hanftees herausgebracht, Influencer werben für CBD-Öle.

Doch handelte es sich 2017 um wenige Tonnen medizinisches Cannabis für schwerkranke Patienten, geht es nun um viel größere Mengen: Branchenkenner schätzen den Markt für illegal verkauftes Cannabis in Deutschland auf Hunderte Tonnen pro Jahr.

Gerade bei jungen Menschen ist die Droge beliebt: Nach Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben bundesweit gut 10 Prozent der 12- bis 17-Jährigen Cannabis schon einmal konsumiert, bei den 18- bis 25-Jährigen war es fast die Hälfte (46,4 Prozent).