Der in der Riesending-Höhle bei Berchtesgaden verunglückte Johann W. ist Mitglied des Cannstatter Höhlenforscher-Vereins. Der besteht aus gerade mal 35 Mitgliedern – alles Experten, aber ein Restrisiko kann man nicht ausschließen.

Stuttgart - Der verunglückte Höhlenforscher Johann W. gilt als sehr erfahrener und besonnener Mann. „Er ist eine sehr starke Persönlichkeit – wie eigentlich jeder, der solche Touren macht“, sagt Matthias Leyk, Einsatzleiter der Höhlenrettung Baden-Württemberg.

 

Der Tübinger kennt den 52-jährigen Physiker aus Karlsruhe, der die Riesending-Höhle mit Kollegen von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt vor einigen Jahren entdeckt hat und über die Pfingsttage weiter in der Höhle forschen wollte. „Das sind absolute Experten, die kein unnötiges Risiko eingehen“, sagt Leyk, fügt aber hinzu: „Das Restrisiko Steinschlag kann man niemals ausschließen.“

Die Riesending-Höhle zählt zu den gefährlichsten Höhlen

Der Tübinger Experte für Höhlenbergungen sieht die größte Schwierigkeit bei Rettungsaktionen wie jetzt in Berchtesgaden darin, den Verunglückten ohne Trage durch die Engstellen zu bekommen. „Die beste Möglichkeit ist immer, wenn der Patient selbst durch die Engstelle gehen oder sich durchdrücken kann“, so Leyk, das gehe aber nur in einem einigermaßen stabilen gesundheitlichen Zustand. „Ansonsten muss das Rettungsteam die Engstellen durch Sprengungen oder mit Meißeln erweitern.“ Das sei aber in schwer zugänglichen Schachthöhlen wie der Riesendinghöhle äußerst schwierig. Hoffnungsvoll stimme ihn allerdings, dass Johann W. gestern offensichtlich zumindest kurze Zeit auf den Beinen stehen konnte und sein Zustand stabil sei. Wie lange solche Rettungsaktionen normalerweise dauern? „Das ist eine sehr problematische und spezielle Situation – da kann man kaum eine Prognose abgeben. Aber nach meiner Erfahrung zieht sich das über einige Tage – mindestens.“

Hier ein Interview vom Dienstagabend mit Roland Ampenberger, dem Sprecher der Rettungskräfte in Berchtesgaden:

Allerdings zähle die Riesending-Höhle mit zu den schwierigsten und gefährlichsten Höhlen, „und nur wenige kennen sich dort wirklich aus und sind fit genug, um dort runterzugehen“, urteilt Leyk. In der Tiefe von etwa 920 Metern, in der Johann W. liegt, beträgt die Temperatur nur vier bis fünf Grad. Dorthin vorzudringen sei nur etwas für die absolute Spitze der Höhlenforscher, zu der auch der verunglückte Johann W. zählt. Der Schwierigkeitsgrad bei der Begehung der Riesending-Höhle sei in etwa so wie wenn man „auf den Mount Everest joggt“.

Der Cannstatter Verein hat lediglich 35 Mitglieder

Über den Cannstatter Höhlenforscher-Verein, dem lediglich 35 Mitglieder („Ein bunter Haufen Idealisten“ wie sie sich selbst auf der Homepage bezeichnen) angehören, sagt Leyk: „Die Cannstatter machen eine sehr gute Arbeit und haben bereits sehr gute Dokumentationen von der Riesending-Höhle geliefert.“ Auf der Homepage kann man beeindruckende Bilder der Riesending-Höhle sehen (siehe Foto oben) und den steinigen Weg der Cannstatter Höhlenforscher nachvollziehen.

Einige Mitglieder des Vereins haben den Eingangsschacht zur Riesending-Höhle bereits 1995 entdeckt und arbeiten sich seit 2002 an immer weiter in die Tiefen der außergewöhnlich tiefen und langen Höhle auf dem Untersberg hinab. Inzwischen sind laut Vereins-Homepage 19,2 Kilometer der 1148 Meter tiefen Schachthöhle vermessen. Je weiter die Forscher ins Erdinnere vordringen, desto schwieriger wird ihr Unterfangen, da immer wieder Senken den Gangverlauf unterbrechen. Aktueller Endpunkt der Forschung ist eine große Halle, deren Lehmboden steil in eine tiefe Schlucht abbricht. Auch die aktuelle Exkursion diente dazu, die Höhle weiter zu vermessen. Von den Vereinsmitgliedern will sich zurzeit keiner gegenüber den Medien äußern – das haben sie nach Aussage des Vorsitzenden Alfred Kösling untereinander und in Absprache mit Bergwacht in Berchtesgaden so vereinbart.

Die folgende Grafik zeigt die Riesending-Schachthöhle im Querschnitt. Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Ansicht.