Im Neckarpark kostet der Quadratmeter Grund und Boden bereits bis zu 2500 Euro. Die Landesbaugenossenschaft macht nicht mehr mit.

Stuttgart - Der Fortschritt auf dem 20 Hektar großen Areal des ehemaligen Cannstatter Güterbahnhofes ist nicht zu übersehen. Seit Jahresbeginn wird nun auch das Sportbad gebaut, es soll im Juli 2022 eingeweiht werden. Bereits Ende 2019 sollte mit der Errichtung von zwei Gebäuden mit Sozialwohnungen, solchen für mittlere Einkommensbezieher und frei finanzierten durch vier Baugenossenschaften, begonnen werden. Jetzt dauert es drei Jahre länger. Ein Wohngebiet an der Bahnlinie ist auch in Planung.

 

Ein Grund für die geringe Zahl an Neubauten in Stuttgart ist der Mangel an Flächen sowie die stark gestiegenen Grundstückspreise. Der Gemeinderat will mit aktiver Bodenvorratspolitik dagegen ankämpfen. Er rät, an private Bauträger keine Grundstücke zu verkaufen.

Erbbaurecht ist für Baugenossenchaften kein Thema

Das hören Baugenossenschaften gar nicht gerne. Grundstücke nur im Erbbauverfahren für 99 Jahre zu erhalten ist für sie unattraktiv. Hohe Zinsen über die gesamte Laufzeit, geringere Beleihung und das Risiko des Heimfalls sind ihre Gegenargumente.

Im Neckarpark werden nicht alle günstig wohnen können. Es gibt etwa 40 Sozialwohnungen mit Mieten von etwa sieben bis acht Euro und dann solche für 9 bis zu 10,50 Euro für Personen mit mittleren Einkommen. Für die übrigen 30 bis 40 frei finanzierten Wohnungen müssten wohl – für Baugenossenschaft unüblich - zwischen 14 und 16 Euro verlangt werden, soll das Projekt nicht rote Zahlen schreiben. Denn das Bauen im Neckarpark ist teuer, mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter sind im Quartier Q 5 veranschlagt. Ursächlich seien im grünen Vorzeigegebiet neben den Baupreissteigerungen infolge von Planverzögerungen der geforderte hohe energetische Standard – aber auch der Grundstückspreis von rund 1100 Euro pro Quadratmeter. In deutlich attraktiveren Stadtteilen ist der Grund und Boden für geförderten Wohnungsbau nur halb so teuer. „Günstige Mieten, ein hoher Grundstückspreis sowie hohe energetische Anforderungen passen nicht zusammen“, sagt Peter Hasmann, Vorstand der Baugenossenschaft Bad Cannstatt.

Stadt hat Preis für Grund und Boden halbiert

Dabei hat die Stadt auch im Neckarpark Rabatt gewährt, denn der Verkehrswert liegt bei 2100 Euro. Die Baugenossenschaften aus Bad Cannstatt, Luginsland und Münster würden sich aber nicht gegen einen niedrigeren Preis wehren. Eine Kommune ist zwar angehalten, sorgsam mit ihrem Vermögen umzugehen und nicht unterm Verkehrswert zu verkaufen – selbst wenn sie die Grundstücke wie im Neckarpark zum Schnäppchenpreis erworben hat. Ausnahmsweise ist das aber zulässig, sofern es der Erfüllung städtischer Aufgaben dient. Die Stadt hält weitere Zuschüsse für möglich, damit „die Ausgangsmiete von den Haushalten noch zu stemmen ist“.

Die Grundstückspreise im Neckarpark sind seit dem Erwerb vor 20 Jahren für 200 Euro pro Quadratmeter explodiert. 2012 verkaufte die Stadt der Dibag Industriebau AG ein 3374 Quadratmeter großes Flurstück an der Daimler-/Reichenbachstraße für 1,567 Millionen Euro. Das sind 487 Euro pro Quadratmeter, gewährt wurde dem „Erstinvestor“ zudem ein 9,5-prozentiger Bonus, sodass nur 465 Euro angesetzt wurden. Für benachbarte Grundstücke von 13172 Quadratmetern für 4,2144 Millionen Euro bezahlten die Bayern sogar nur 288 Euro pro Quadratmeter.

Die Dibag hat rechtzeitig gekauft

Der Neckarpark als Goldgrube: Ein Bürogebäude mit 20 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche auf zwei dieser Grundstücke erwarb die Volksbank Stuttgart 2016 für 70 Millionen Euro. Der Spekulationsgewinn lässt sich aus anderen Verkaufsbeschlüssen des Gemeinderats ableiten: 2500 Euro pro Quadratmeter, insgesamt 21 Millionen Euro, haben die Bieter Merz Objektbau sowie Fay Projekt Nr. 120 im Jahr 2018 für 8428 Quadratmeter bezahlt, um dort einen Hotel- und Bürokomplex zu erstellen.

LBG zog die Konsequenzen

Die Landesbaugenossenschaft Württemberg (LBG) ist kurz vor dem Notartermin aus dem Quartett für die Wohnbebauung ausgestiegen. „Das war ein Schock“, sagt der Cannstatter Vorstand, der den LBG-Part übernimmt. „Kein großes Problem“, meint Michael Rosenberg-Pohl aus Münster, auch wenn es neuerlichen Verzug bedeutet. Trotz des verringerten Kaufpreises könne man bezahlbaren Wohnraum „nur noch auf dem Papier garantieren“, erklärte LBG-Vorstand Josef Vogel. Aus wirtschaftlicher Sicht sei das Projekt nach einer Verzögerung von drei Jahren und den damit einhergehenden Preiserhöhungen in der Bauindustrie „nicht mehr abbildbar“. Die Stadt „akzeptiert die Entscheidung“, die Begründungen der LBG teile sie aber nicht; so die Befürchtung, die obersten zwei Geschosse könnten nicht bezogen werden, wenn die lärmabschirmende Bebauung nicht hergestellt sei. Das Sportbad werde rechtzeitig fertig, verspricht die Stadt, die nun auch einen einfacheren Architektenwettbewerb zugesagt hat und auch eine abgespeckte Stellplatzlösung für sicher erachtet.