Die 175. Auflage des Cannstatter Volksfests fällt der Corona-Pandemie zum Opfer. Das Infektionsrisiko für Besucher, Schausteller und Festwirte sei zu hoch, so OB Fritz Kuhn (Grüne). Der Schaustellerbund und Politiker aus Land und Stadt fordern nun finanzielle Hilfen für das Jahrmarkt-Gewerbe.

Stuttgart - Nun also doch: Die 175. Auflage des Cannstatter Volksfests, das vom 25. September bis 11. Oktober gehen sollte, wird wegen der Coronakrise abgesagt. Das gaben Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne), Wirtschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) und der Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft in. Stuttgart, Andreas Kroll, am Mittwoch im Rathaus bekannt. Die Absage des zweitgrößten Volksfests Deutschlands war allgemein erwartet worden, nachdem die Stadt München bereits am 21. April verkündet hatte, dass das Oktoberfest 2020 aus Gründen des Infektionsschutzes in diesem Jahr entfällt.

 

Noch bevor die Absage offiziell verkündet wurde, hatte bereits die CDU-Gemeinderatsfraktion das Aus für das Volksfest via Pressemitteilung bekannt gegeben – und nebenbei auch gleich noch zur OB-Schelte angesetzt. „Wenn Herr Kuhn jetzt von großer Enttäuschung über die Absage spricht, dann sicher eher im Namen der vielen Freunde und Fans des Cannstatter Volksfestes“ so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz in der Mitteilung. Und weiter: „Es ist kein Geheimnis, dass der OB nie eine große Leidenschaft oder gar Herzblut für das größte Fest der Schwaben entwickelt hat.“

OB Kuhn: Wir haben Stuttgarter Faktoren abgewogen und eigenständig entschieden

Schon in der vergangenen Woche hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialminister Manne Lucha (beide Grüne) erklärt, es sei schwer vorstellbar, dass das Volksfest unter Coronabedingungen stattfinden könne. Gleichwohl hatte die Stadt mit der endgültigen Absage gezögert. Kuhn sagte dazu: „Stuttgart ist ja nicht der Wurmfortsatz von München.“ Man habe die speziellen Stuttgarter Faktoren vor der Entscheidung gründlich abwägen und dann „eine eigenständige Entscheidung“ treffen wollen.

Der OB bedauerte die Absage („Eine harte Entscheidung“), die man aber zum Schutz der Gäste und auch des Personals auf dem Wasen habe treffen müssen. Er erinnerte in dem Zusammenhang an diverse Starkbierfeste in Bayern, die sich im Nachhinein als Corona-Hotspots entpuppt hätten: „Vier Millionen Menschen in einer Atmosphäre, wie sie auf dem Volksfest herrscht, das geht derzeit nicht.“ Er hoffe, dass man 2021 das Volks- sowie das ebenfalls abgesagte Frühlingsfest in einer Form nachholen könne, mit der man die coronabedingten Absagen 2020 kompensieren könne.

Einer etwaige Verlängerung der Volksfeste im kommenden Jahr oder Ersatzveranstaltungen unter Wahrung der Hygiene- und Abstandsregeln stehen Wirtschaftsbürgermeister Fuhrmann und Veranstaltungschef Andreas Kroll eher skeptisch gegenüber. Es fehle an einem konkreten Konzept für Letzteres, und eine Verlängerung der Wasensaison 2021 ginge zu Lasten anderer Feste, die von den Schaustellern im Anschluss gebucht würden. Kroll bezifferte den wirtschaftlichen Schaden durch die Absage des Volksfestes bei Schaustellern, Festwirten, Handwerkern und Hoteliers auf rund 500 Millionen Euro.

Schaustellerbund erwartet vom Land finanzielle Unterstützung für Betriebe

Der Sprecher des Schaustellerbundes Südwest, Mark Roschmann, hatte die Entscheidung zwar erwartet: „Aber das versetzt einem dennoch psychisch nochmals einen Schlag.“ Viele Schausteller stünden nun komplett ohne Einnahmen da; Roschmann rechnet auch mit der Absage der noch verbliebenen Veranstaltungen im Ländle. Kreditfinanzierte Investitionen, die in der Winterpause etwa in Karussells und Fahrgeschäfte getätigt worden sind, könnten nun nicht zurückgezahlt werden. „Das treibt viele in die Depression und gar in die Insolvenz“, so Roschmann. Er verlangt vom Land einen Rettungsschirm für die Schausteller, will darüber am Montag mit Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) konferieren.

Hilfe für die Betriebe fordert auch die FDP im Landtag: Viele stünden nach dem Aus für das Volksfest mit dem Rücken zur Wand, so die Landtagsabgeordneten Erik Schweickert und Gabriele Reich-Gutjahr. Es müsse auch über Ersatzveranstaltungen mit entsprechenden Hygienekonzepten nachgedacht werden, die noch in diesem Jahr stattfinden könnten. Die Liberalen im Rathaus meinen gar, man dürfe das Volksfest für dieses Jahr noch nicht ganz verloren geben. Auch die Stuttgarter SPD-Ratsfraktion will den Schaustellern zur Seite springen: Ihr Chef Martin Körner fordert eine Verlängerung der Feste im kommenden Jahr, finanzielle Unterstützung für den Volksfestverein aus dem städtischen Kulturhilfsbudget und die Ausweitung der Landeshilfen für das Gastgewerbe auf die Schausteller. Die Grünen mahnen, Schausteller und Festwirte mit den Konsequenzen der Absage nicht allein zu lassen. Man müsse zusätzlich zu Bundes- und Landeshilfen auch eine städtische Unterstützung für Schausteller und Festwirte prüfen, erklärten die Fraktionssprecher Andreas Winter und Gabriele Nuber-Schöllhammer.

Der Stuttgarter CDU-OB-Kandidat Frank Nopper schlägt ebenfalls vor, das Volksfest als Ausgleich im Jahr 2021 um eine Woche zu verlängern: „Damit geben wir den Besuchern und Freunden des Volksfestes sowie den Wirten, Schaustellern und Marktkaufleuten Mut und Hoffnung.“

Festival der Kulturen wegen Infektionsrisiko ebenfalls abgesagt

Und als ob der Hiobsbotschaften noch nicht genug wären, verkündete am Mittwoch auch noch das Forum der Kulturen wegen der Pandemie das Aus für das vom 14. bis 19. Juli geplante Festival der Kulturen auf dem Marktplatz. „Wir sind traurig darüber, aber der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung steht auch für uns an oberster Stelle“, erklärte der Vorsitzende des Forums der Kulturen, Sami Aras.