Der OB schenkt an der Fruchtsäule 175 Liter Bier aus – Mit zwei Schlägen hat Frank Nopper am Freitag den Wasenrummel eröffnet.

Es ist das älteste Beruhigungsmittel der Welt. Die Babylonier gaben ihren Tempelarbeitern zwei Krüge Bier aus, die Pharaonen verschenkten Freibier, um das Volk bei Laune zu halten. Nun gilt Stuttgarts OB Frank Nopper ja als Pharao des Festwesens, nicht wenige Spötter sagen, mit dem Fassanstich sei sein großes politisches Ziel erreicht. Darüber werden die Historiker ein letztgültiges Urteil fällen. Doch die Pharaonen nimmt er sich schon mal als Vorbild: Um 17 Uhr schenkte er mit seiner Frau Gudrun, Verkehrsminister Winfried Hermann und Wasenbürgermeister Thomas Fuhrmann an der Fruchtsäule 175 Liter Bier aus, die er zur 175. Auflage des Volksfests nach eigenem Bekunden „unseren Brauereien abgerungen hat“. Die Fantastischen Vier mit ihrem Remix: „Die da am Zapfhahn stehen.“ Ob das der Start einer neuen Tradition ist?

 

Der Volksfest-Hölderlin

Vor dem Job als Kellner und Oberbierverschenker stand zunächst eine andere Aufgabe. Der OB durfte im Dinkelacker-Zelt das erste Fass des 175. Volksfests anstechen. Nach zwei Jahren Pandemie-Pause wäre schon das eine besondere Aufgabe gewesen. Aber weil am Samstag das Historische Volksfest auf dem Schlossplatz beginnt und am Sonntag das Landwirtschaftliche Hauptfest, fühlte sich Nopper besonders herausgefordert. Penibel hat er sich vorbereitet und die Annalen gewälzt. Er wusste zu berichten, dass beim ersten Oktoberfest nach dem Krieg Münchens OB Thomas Wimmer 30 Schläge gebraucht habe. Alt-OB Manfred Rommel habe es auf zehn Versuche gebracht, und bei Vorgänger Fritz Kuhn floss beim bisher letzten Volksfest 2019 nach vier Schlägen das Bier. Das wollte er unterbieten. Das hat er unterboten. Zwei Schläge brauchte er. Dem Vernehmen nach hat er fleißig geübt, man darf rätseln, wie viele Sauerkrautfässle er letztlich im Keller durchlöchert hat. Schlagkraft hat er, Mut auch. Nopper wagte sich an eine Rede. Das ist in einem Bierzelt ein ambitioniertes Vorhaben. Alt-OB Wolfgang Schuster schaffte es, selbst gute Witze ohne Pointen zu erzählen, Fritz Kuhn verzichtete zuletzt ganz auf Worte ans Volk, ihm war nicht mehr wohl auf der Festzelt-Bühne, nachdem ihn beim ersten Auftritt die Zecher ausgebuht hatten. Frank Nopper hingegen war unerschrocken und dichtete sogar auf Schwäbisch:

Hemmel, Schtuagert, SapermentNimmt die Zapferei koi EndWenn‘d en Cannstatt an der Fruchtsäul bischOimal em Jahr hörsch a‘zapft isch.

Eine Karriere als Volksfest-Hölderlin scheint möglich , auch mit seiner rummeltauglichen Stimme eröffnen sich Berufsmöglichkeiten nach dem OB-Amt. Jeder Losbudenbesitzer wäre froh über einen Rekommandeur mit einem solch’ röhrenden Organ. Zum Profikicker hat es ja nicht gereicht, wie Winfried Hermann zu erzählen wusste. Aus erster Hand: Hermann war mal Noppers Sportlehrer. Die beiden grätschten sich gleich ab. Nopper forderte von Hermann ein 9-Euro-Wasen-Ticket für alle Fahrgeschäfte. Mache er gerne, konterte Hermann. Wenn die Stadt im Gegenzug ein 9-Euro-Verzehr-Ticket bezahle.

Tradition und Moderne

Ach ja, das Fest der Schwaben. Manchmal kommt das arg verzopft und klischeehaft daher. Immerhin, bei der Eröffnung hatte man darauf verzichtet, abgehalfterten Stars zu einem Gnadenbrot zu verhelfen. Fettes Bläch vom Bodensee zeigte, wie Blasmusik 2022 klingen kann. Und 150 Musiker von drei Kapellen marschierten ein. Der Musikverein Hofen folgte Dirigent Juan Mauricio Bahamón Jaramillo. Geboren in Kolumbien, heimisch in Stuttgart. Einer von vielen neuen Schwaben, die der Stadt ein anderes Gesicht geben und sie verändern. Und die Tradition bewahren. Selbstverständlich kennt er jede Note von „Auf em Wasa graset Hasa“ . Doch die Hasen müssen sich erst mal verziehen, jetzt heißt es: Salud! Und Prosit!