Ein sturer Niedersachse ermittelt in der Unterwelt von Tokio und gerät nicht nur mit den dortigen schlimmern Fingern ins Gehege. Der Ostasienkorrespondent Carsten Germis hat aus diesem Plot einen lakonisch-vergnüglichen Krimi gemacht.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Peine/Tokio - Der niedersächsische Provinzpolizist Bernie Ahlweg wähnt sich in Carsten Germis’ Kriminalroman „Sayonara, Bulle“ auf der Zielgeraden in den Ruhestand, da bekommt sein neuer Vorgesetzter, ein strebsamer und notorisch verkrampfter Exil-Schwabe, einen Koller und schickt den veränderungsunwilligen Sturkopf zur einjährigen „Fortbildung“ nach Tokio. Vordergründig soll sich Ahlberg, der sich lieber auf seinen kriminalistischen Spürsinn verlässt und „mit den Leuten redet“, in der japanischen Hauptstadt mit modernen Fahndungsmethoden vertraut machen. Tatsächlich will Ahlwegs Chef wohl einen „Low-Performer“, wie es im modernen Managerdeutsch heißt, also einen gefühlt unterdurchschnittlichen Leistungsträger, zumindest zeitweise aus den Füßen haben.

 

Ahlweg ist erst bockig, lässt sich die Sache dann von seiner Kneipenwirtin und den Skatfreunden schön reden und fliegt gen Osten. In Tokio angekommen, gerät der Niedersachse selbstverschuldet, weil hartnäckig gegen jegliche asiatische Harmoniebedürftigkeit ermittelnd, in eine Mordgeschichte, die auf den nächsten 300 Seiten weitgehend alles auffährt, was japanische Ober- und Unterwelt zu bieten haben: Angepasste Männer mit Lolita-Komplex und dazu passend die Prostituierten, die ihr Geschäft bereits als Schülerinnen gelernt haben, gegen die patriarchalischen Strukturen kämpfende Karrierehühner, korrupte Politiker und ebenso höfliche wie tödliche Yakuza-Bosse nebst deren Killern.

Vergnügliche Lektüre, verschenktes Potenzial

Das alles würzt Carsten Germis mit zusätzlichem Lokalkolorit. Er nimmt seine Leser mit in schmierig-kitschige Love Hotels, Hostessen-Clubs, in ein Onsen (traditionelles japanisches Bad mit heißen Quellen), in die japanischen Eckkneipen (Izakaya genannt) und in die gesichtslosen Vororte Tokios. Ein ums andere Mal lässt Germis, der selbst als Ostasienkorrespondent in Tokio lebt und arbeitet, seinen dickköpfigen Protagonisten mit der Realität der auf Gleichförmigkeit und zumindest äußerlicher Harmonie gepolten japanischen Gesellschaft kollidieren.

Das ist durchaus vergnüglich zu lesen und doch verschenkt Germis reichlich Potenzial. Die Charaktere bleiben schablonenhaft, die Geschichte ist vorhersehbar, deren Ende überflüssig platt. „Sayonara, Bulle“ fühlt sich an wie ein ZDF-Vorabend-Krimi und liest sich wie die zahllosen, seit einigen Jahren angesagten Krimis mit Lokalkolorit. Er passt in den Koffer jedes Japanreisenden, der in wohliger Urlaubsatmosphäre nicht von zerrissenen Charakteren, krassen Wendungen und tragischen Fallhöhen überrascht werden will. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.

Carsten Germis: „Sayonara, Bulle“. Rororo TB, Reinbek 2015. 336 Seiten, 9,99 Euro. Auch als E-Book, 9,99 Euro.,