Mit deutlichen Worten geht CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei Anne Will in der ARD auf Abstand zur AfD. Ein starker Auftritt – den Eindruck kann auch ein kleiner Lapsus nicht überschatten.

Stuttgart - Dieser Talk-Abend mit Anne Will zum Thema rechter Hass im Internet und wie er in Gewalt umschlägt, ist eindeutig von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dominiert worden. Mindestens dreimal schob sie der AfD wegen mangelnder Distanz zum Rechtsextremismus eine indirekte Mitverantwortung an der Ermordung des Regierungspräsidenten von Kassel, Walter Lübcke, zu. Ihre Mitdiskutanten Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die Journalistin Annette Ramelsberger von der „Süddeutschen Zeitung“, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Oberstaatsanwalt Markus Hartmann staunten nicht schlecht über den Furor der CDU-Vorsitzenden: „Ich bin froh, dass Sie das jetzt so deutlich sagen“, meinte Göring-Eckardt, nachdem Kramp-Karrenbauer eine Annäherung der CDU an die AfD als völlig abwegig bezeichnet hatte. Und Moderatorin Anne Will bemerkte einmal, ob nicht auch Kramp-Karrenbauer verbal „abrüsten“ müsse.

 

Emotionales Geschütz gegen geistige Mordkumpanei

AKK, wie Kramp-Karrenbauer häufig genannt wird, ist bekannt dafür, frei weg von der Leber zu sprechen. Und so unterlief ihr in ihrer Argumentation auch ein Lapsus, als sie gleich zu Anfang bemerkte, die Ermordung des CDU-Politikers Lübcke habe sie besonders schockiert, „da es jemanden aus unseren Reihen trifft“. Ja, wäre sie weniger betroffen, wenn es einen Vertreter einer anderen Partei getroffen hätte, fragte sich der Zuschauer da ratlos. Ihre emotionalen Geschütze gegen geistige Mordkumpanei und eine Mitverantwortung aus dem rechten Milieu trafen dann aber so genauer. Zum einen ging AKK mit dem früheren Verfassungspräsidenten Hans-Georg Maaßen streng ins Gericht, sie teile nicht dessen Auffassung, dass das Land gegen rechte Gewalt „gut aufgestellt“ sei. Man habe lange geglaubt, bei den Rechtsextremen und Rechtsradikalen handele es sich um den Rest von „Ewiggestrigen, die dumpf unterwegs sind“. Phänomene wie die Identitäre Bewegung zeigten aber, dass da eine andere Qualität von Rechtsextremismus entstehe und sie glaube, dass dagegen „mit dem neuen Verfassungspräsidenten mit neuer Intensität“ ermittelt werde. Dass Maaßen sich dann auch noch für eine Annäherung der CDU an die AfD ausgesprochen habe, sei überhaupt „nicht nachvollziehbar“.

Solange sie CDU-Chefin sei, werde es das jedenfalls nicht geben. „Einer Partei, deren Teile oder deren Repräsentanten keine klare Linie ziehen zu Rechtsextremen oder Rechtsradikalen, und die damit zum geistigen Klima beitragen, dass augenscheinlich Täter dazu bringt, mit einer Waffe auf eine Terrasse zu gehen und einen Menschen umzubringen, einer solchen Partei kann sich die CDU nicht annähern.“ Jedes CDU-Mitglied möge „nur mal die Augen schließen“ und sich die Mordszene von Kassel vorstellen, sagte AKK. Von „Mitschuld“ der AfD wollte AKK auf Nachfrage von Anne Will zwar nicht sprechen, das sei ein juristischer Begriff, der hier so nicht zutreffe, aber dass es eine indirekte Mitverantwortung gebe, ist von ihr bejaht worden. Es habe zuvor rechte Kritik an Walter Lübcke gegeben und Sprache könne auch zu Gewalt führen, es sei ein geistiges Klima erzeugt worden, „indem ein Täter zur Waffe greift“. Dass ein Parteiausschlussverfahren gegen CDU-Politiker, die mit der AfD liebäugelten, erfolgreich sei, glaubt AKK mit Verweis auf die SPD und ihre Mühen mit dem Parteiquerulanten Theo Sarrazin nicht. Am Schluss sprach sie aber noch eine Warnung aus: Jedes einzelne CDU-Mitglied, das von einer Zusammenarbeit mit der AfD träume oder darüber rede, möge sich prüfen, wie es das angesichts „der Ermordung eines Parteifreundes“ durch einen rechtsextremen Täter mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Bürgermeisterin Reker sagt, sie sei trotz Morddrohung nicht ängstlich

Die Beiträge der Mitdiskutanten blieben angesichts der AKK-Schau im Schatten. Die Bürgermeisterin Reker, die schon einmal von einem Rechtsextremen attackiert worden ist, sagte, dass sie trotz einer neuen Morddrohung „nicht ängstlich“ sei, aber sie wünschte sich einen besseren Schutz für andere Bürgermeister, Amtsträger, Polizisten und Feuerwehrleute, die Opfer von der zunehmenden „Verrohung in den Worten und Taten“ werden. Auch Göring-Eckardt sah dies so, bemerkte, dass sogar schon Zugbegleiter „angemacht“ werden, wenn sie freundlich zu einem Fahrgast mit Migrantenhintergrund seien. Die Grünen-Politikerin verlangte für von rechtem Hass betroffene Kommunalpolitiker oder Amtsträger eine „kompetente Stelle“, an die sie sich wenden können, es gebe da keine behördliche Vernetzung „und der Verfassungsschutz schafft es nicht“. Von den amtlichen Bemühungen berichtete Staatsanwalt Hartmann, der in Nordrhein-Westfalen eine Zentralstelle gegen Cybercrime leitet. Binnen anderthalb Jahren habe es 400 Strafanzeigen im Rahmen des Projekts gegeben, in der Hälfte der Fälle habe es Ermittlungsverfahren gegeben und in 73 Fällen sei der Beschuldigte ermittelt worden, bis zu Verurteilungen brauche es aber Zeit. Hartmann bezeichnete es als besorgniserregende Entwicklung, dass nicht ein Einzeltäterkreis unter den Beschuldigten sei, sondern dass eigentlich „ein Querschnitt aus der Bevölkerung“ nichts dabei finde, „Strafbares im Netz zu posten“. Annette Ramelsberger, die in München den NSU-Prozess beobachtet hatte, erstellte den Befund, dass „die deutsche Gesellschaft einen blinden Fleck“ bei der Beobachtung des Rechtsextremismus habe. Viel zu lange hätten BND und Verfassungsschutz geglaubt, es handele sich bei rechter Gewalt um die von „minderbemittelten Einzeltätern“. Auch den Täter von Kassel hätten die Behörden nicht auf dem Schirm gehabt, das sei eine sträfliche Nachlässigkeit gewesen.