Mit einer bösen Erfahrung könnte dieses Wahljahr für Angela Merkel beginnen. Aber die Christdemokraten wollen 2013 ganz auf sich selbst vertrauen – und ein verblasstes Markenzeichen aufpolieren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Wilhelmshaven - Für Angela Merkel könnte dieses Wahljahr mit einer bösen Erfahrung beginnen. In zwei Wochen entscheidet sich in Niedersachsen, ob die CDU dort weiterregieren darf. Die Umfragwerte sind zwar prächtig, doch am Ende könnte Ministerpräsident David McAllister scheitern, weil sein Koalitionspartner FDP nicht mehr das Vertrauen der Wähler genießt.

 

Ein ähnliches Schicksal droht Merkel im September. Schon allein deshalb ist die Wahl in Niedersachsen von enormer Bedeutung. Ihr Ergebnis wird als Omen für die Bundestagswahl gedeutet – und für Merkels Aussichten, eine dritte Amtsperiode Kanzlerin bleiben zu dürfen. Darum setzt die CDU-Chefin nun alles daran, McAllister zum Erfolg zu verhelfen.

Merkel hat für die verbleibenden 15 Tage dieses Expresswahlkampfs zwischen Nordsee und Harz nicht weniger als sieben Auftritte eingeplant. Der erste war am Freitagabend bei einem Neujahrsempfang in Wilhelmshaven, wo sich der CDU-Bundesvorstand zu einer Klausursitzung getroffen hat. Heute wird die Kanzlerin zur eigentlichen Wahlkampferöffnung in Braunschweig als Rednerin erwartet.

Wirtschaftskompetenz und Arbeitsplätze im Mittelpunkt

Damit ist auch schon viel über die Wahlkampfstrategie der CDU gesagt. Sie setzt vor allem auf die Kanzlerin. Politische Überraschungen zeichnen sich bis jetzt nicht ab. Das spiegelt auch die sogenannte Wilhelmshavener Erklärung – ein Positionspapier, mit dem die Eckpunkte für das Wahljahr abgesteckt werden.

Das Papier, über das bei der Klausur heute der Vorstand entscheidet, liegt der Stuttgarter Zeitung im Entwurf vor. Es knüpft an die Beschlüsse des Parteitags im Dezember an. Auf elf Seiten wird das Bemühen erkennbar, ein altes, zeitweise vernachlässigtes Markenzeichen zu polieren: den Ruf der CDU als Partei, die über Wirtschaftskompetenz verfügt und sich um Arbeitsplätze kümmert.

Die Erklärung strotzt vor Selbstgewissheit. Die famosen Wirtschaftsdaten werden als Erfolg der eigenen Politik reklamiert. Von der FDP ist auf den 381 Zeilen mit keinem Wort die Rede. Merkel erwähnt sie in ihrer Neujahrsansprache nur in einem Halbsatz, als sie auf gerechte Löhne zu sprechen kommt. Sie merkt an dieser Stelle an: „Da haben wir mit der FDP noch ein Wörtchen zu reden.“

Rot-Grün dient Merkel als Projektionsfläche für Schreckensvisionen. „Wir trauen den Menschen etwas zu, statt sie zu bevormunden“, steht in dem CDU-Papier. Gemeint sind die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen sowie die Blockade des rot-grün dominierten Bundesrats bei der von Schwarz-Gelb beabsichtigten steuerlichen Entlastung der Arbeitnehmer im Bereich der „kalten Progression“. Die Kanzlerin spricht über „Schuldenorgien“ rot-grüner Regierungen. Sie wirbt für die CDU als eine Partei der Macher – und skizziert die Konkurrenz als bloße Verhinderer und Ideologen.

„Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung“

Manche Sätze im Strategiepapier des CDU-Vorstands klingen, als wolle Merkel die Sozialdemokraten verzichtbar erscheinen lassen. So wird „das gute Miteinander in den Betrieben“ betont und die „vorbildliche Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften“. Die schlägt sich auch in der Tagesordnung nieder. Bei ihrer Klausur diskutiert die CDU-Spitze mit dem designierten Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, sowie mit dem Chef der Industriegewerkschaft Metall, Berthold Huber. „Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung“, heißt es in dem Positionspapier. Das meiste, was dort drinsteht, bleibt noch sehr vage. Der Bundestagswahlkampf soll nach Merkels Vorstellung möglichst spät beginnen. Bis dahin wird sich die CDU-Chefin aufführen, als sei sie Kanzlerin und Präsidentin aller Deutschen in einem – und obendrein noch Retterin des Euro.

Die wirtschaftspolitischen Akzente machen deutlich, dass man die FDP eigentlich für entbehrlich hält – wenn sie nicht als Koalitionspartner benötigt würde. Gemeinsame Auftritte im Wahlkampf sind nicht vorgesehen. Merkel ist sich und der CDU selbst genug. Sie sagt: „Natürlich kämpft jeder erst einmal für einen möglichst starken Anteil der eigenen Partei.“ McAllister äußert sich zumindest in Wilhelmshaven nicht so zweideutig wie am Tag zuvor. Da hatte er gesagt, von manchen CDU-Wählern höre er, sie könnten sich vorstellen, mit der Zweitstimme FDP zu wählen. In Merkels Beisein versichert der Ministerpräsident, er selbst werde beide Kreuze bei der CDU machen.