Der Böblinger CDU-Abgeordnete Clemens Binninger räumt mit einer Mär auf: Nachrichtendienste bewegten sich keineswegs in einem rechtsfreien Raum, sagt er im StZ-Interview.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Herr Binninger, Auslandsgeheimdienste wie der BND betreiben ja letzten Endes Spionage. Lässt sich das überhaupt gesetzlich regeln?

 
Wir reden nicht von einem Geheimdienst, sondern von einem Nachrichtendienst – weil es rechtliche Grundlagen gibt und durchaus ein striktes Maß an parlamentarischer Kontrolle. Es geht gerade nicht um Aktivitäten außerhalb jedes rechtlichen Rahmens. Manche Dinge werden nochmal ausdrücklich ausgeschlossen: etwa Wirtschaftsspionage.
Wo war der Regulierungsbedarf am dringlichsten?
Ohne Frage bei der technischen Fernmeldeaufklärung. Da herrschte in der Vergangenheit eine Art Eigenleben. Der BND hat in eigener Regie Suchbegriffe und Ziele definiert, aufgeklärt und überwacht. Die Sinnhaftigkeit hinterfragt hat dann niemand mehr. Trotzdem konnte sich der BND dabei auf die geltende Rechtslage stützen. Das war nicht etwa rechtswidrig. Nur war der rechtliche Rahmen bisher als Generalklausel formuliert und damit sehr weit gefasst. Das ändern wir jetzt. Wir brauchen für solche Operationen klare rechtliche Grundlage und Entscheidungsstrukturen. Wir brauchen jemanden, der diese Maßnahmen freigibt. Und jemanden, der es im Nachhinein kontrollieren kann.
Fragwürdige Praktiken, die es bisher schon gab, werden jetzt einfach legalisiert?
Das ist falsch. Bisher hatten wir eine Rechtsgrundlage, die nahezu nichts ausschloss. Es ist gerade nicht so, dass wir jetzt erlauben, was vorher verboten war. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Vorher war fast alles erlaubt, jetzt grenzen wir das rechtlich deutlich ein. Es ist eine Mär zu behaupten, Nachrichtendienste bewegten sich gewissermaßen im rechtsfreien Raum. Das stimmt einfach nicht. Bisher war der rechtliche Rahmen aber so weit geschnitten, dass man sich nicht nicht wundern durfte, wenn relativ wahl- und ziellos überwacht wurde.
Nachrichtendienste arbeiten im Verborgenen, Parlamentarier brauchen Öffentlichkeit. Wie lässt sich dieser Grundwiderspruch überwinden?
Als Parlamentarisches Kontrollgremium haben wir durchaus die Möglichkeit, uns an die Öffentlichkeit zu wenden. Wir sollten uns aber nicht als eine Art Durchlauferhitzer für Skandale verstehen. Wir kontrollieren die Nachrichtendienste sachlich und können dann unsere Erkenntnisse auch öffentlich bewerten. Dass wir keine Details über konkrete Einsätze berichten, versteht sich von selbst.
Was spricht gegen eine Vereinheitlichung der Kontrolle statt konkurrierender Instanzen?
Es wird künftig ein unabhängiges Gremium geben, welches über die Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland entscheidet. Zudem erhält das Parlamentarische Kontrollgremium einen Arbeitsstab mit einem Ständigen Bevollmächtigten an der Spitze. Jetzt zu sagen, damit werde alles noch unübersichtlicher, ist mir zu schlicht. Wenn wir kein hochrangig besetztes Gremium schaffen würden, wer sollte denn überhaupt im Stande sein, im Voraus zu bewerten, welche konkreten Maßnahmen der Fernmeldeaufklärung sinnvoll, notwendig und rechtmäßig sind? Das könnten wir als Parlamentarier gar nicht leisten. Und es ist auch nicht unsere Rolle, Exekutivmaßnahmen anzuordnen.