Wahlkampf in Corona-Zeiten heißt auch Wahlkampf im Netz. Die Jungen sind auf Instagram. Zwei Stuttgarter Bundestagsabgeordnete auch. Ist die Plattform ein Weg in den Bundestag?

Stuttgart - Die Bilder zeigen: Er ist ein Mensch, wie du und ich, wie er da barfuß und in Jogginghose steht und seine Yogamatte aufrollt. Grünen-Politiker Cem Özdemir zeigt auf Instagram auch, was er privat so macht. Im Wanderurlaub mit seinem Sohn hat es geregnet. Kein Problem für den Bundestagsabgeordneten - seine blaue Regenjacke scheint ihn trocken zu halten.

 

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Zwischen Influencern, Urlaubsbildern und jeder Menge Werbung nutzen auch viele Politikerinnen und Politiker die Plattform, um ihr Image aufzupolieren. Im Fall von Özdemir interessiert das immerhin 76.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Vor der Bundestagswahl sind aber vor allem politische Inhalte zu sehen.

Der Kommunikationswissenschaftler Jörg Haßler weist sozialen Medien im aktuellen Wahlkampf eine zentrale Bedeutung zu. „Durch die Pandemie ist es für Politikerinnen und Politiker schwierig, in geschlossenen Räumen mit einem großen Publikum zu interagieren“, sagt Haßler, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Social Media Beiträge im Bundestagswahlkampf erforscht. Durch Plattformen wie Facebook oder Instagram könnten Menschen direkt erreicht werden.

Besonders junge Menschen erreichbar

„Massenmedien, die eine viel größere Reichweite haben als ein Post, beziehen sich häufig auf solche Posts“, erklärt der Forschungsgruppenleiter. Kurzum lasse sich durch Social Media mediale Aufmerksamkeit erzeugen. „Außerdem können Politikerinnen und Politiker auf Social Media austesten, wie das Wahlkampfmaterial und eine Argumentation ankommen.“ Haßler warnt aber davor, die Reaktionen des Social-Media-Publikums als repräsentativ für alle Wählerinnen und Wähler anzusehen. Denn besonders junge Menschen sind in sozialen Medien erreichbar. Der „Reuters Digital News Report“ zeigt, dass 37 Prozent der Befragten 2020 soziale Medien als Nachrichtenquelle nutzten, bei den jüngeren lag die Quote bei 56 Prozent.

Auch Özdemirs Rivale um ein Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart 1, Stefan Kaufmann (CDU), ist ein aktiver Instagram User. In seiner Story zeigt er Wahlkampfauftritte und ein Törtchen samt Kaffee in der Pause. Der Bundestagsabgeordnete beantwortet aber auch Fragen seiner Follower - die ihn gerne duzen dürfen und er hat sogar sein eigenes Talk-Format. In „Stefans Stäffeles Talk“ interviewt er verschiedene Menschen auf Stuttgarts Treppen.

Politikberater analysieren die Posts

Kaufmanns und Özdemirs Profile stechen heraus - der Politikberater Bendix Hügelmann stellt den meisten Politikerinnen und Politikern aber für ihre Instagram-Profile ein eher durchwachsenes Zeugnis aus. „Es dominieren oft Zitatkacheln und Fotos von Wahlkampfauftritten.“ Dadurch entstehe Distanz zu den Nutzerinnen und Nutzern. „Influencer teilen viel Privates auf Instagram. Wer als Politiker mitmischen will, sollte sich da rantrauen“, empfiehlt Hügelmann. Özdemirs Yoga-Foto ist also der richtige Weg.

Kaufmann liegt zwar in Sachen Follower um 76.000 zurück - dennoch hat er aus Sicht von Hügelmann die Plattform verstanden. „Anderen eine Stimme geben - das kann auch funktionieren.“ Wichtig sei bei politscher Kommunikation auf Instagram Kontinuität „Der größte Fehler ist nach der Wahl nichts mehr zu posten“, meint der Politikberater.