Drei Länder – aber eine Handschrift: Die kleine Karte im Gasthaus Cervus in Plochingen hat vielerlei Spezialitäten zu bieten. Die italienischen Einflüsse sind zu schmecken.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Plochingen - Und wieder ist ein Traum Wirklichkeit geworden: der Traum von der Selbstständigkeit, den so mancher Koch viele Jahre träumt. Seit Januar ist Johannes Füller der Inhaber des Gasthauses Cervus in Plochingen, das er schon länger im Auge hatte. An den rustikalen Räumlichkeiten musste er nicht viel ändern, auf der Karte aber schlagen einzelne seiner Stationen durch – durchaus im positiven Sinne: seine zwei Jahre in Süditalien oder die Zeit bei Ana e Bruno, dem besten Italiener Berlins. Dass Füller fünf Jahre bei Josef Kern war, drei davon als Küchenchef, merkt man an österreichischen Spezialitäten wie Wiener Schnitzel und Topfenknödel – und vor allem daran, wie sehr er sein Handwerk versteht, zählt Kerns Pastetchen doch zu den Topadressen in Stuttgart.

 

In Plochingen nun ist Füller sein eigener Herr und werkelt, nur von einer Küchenhilfe unterstützt, alleine in seinem Reich. Deswegen müssen wir an unserem gut besuchten Samstagabend zwischen den Gängen etwas länger warten, aber wenn man ahnt, dass sich das lohnt . . . Ohnehin gibt es vorneweg warmes Weißbrot und mit Meersalz aufgeschäumte Butter. Die Dame des Hauses, Monika Füller, hilft bei der Weinauswahl und lässt probieren. Wir entscheiden uns für den günstigen Hauswein aus der Emilia-Romagna (4,30 Euro das Viertele), der mit seiner roten Wucht überzeugt, und für einen Grauburgunder aus Baden (4,80 Euro) – auch nicht schlecht.

Schwäbische Spezialitäten dürfen nicht fehlen

Spezialitäten aus Baden-Württemberg als dritter Einfluss dürfen eben nicht fehlen, zumal der Rostbraten des Hauses legendär sein soll. Zuvor haben wir eine Rote-Bete-Suppe (6 Euro) und feine Blattsalate mit sautierten Pilzen und gehobeltem Parmesan (10 Euro) – und sind begeistert, wie rund und stimmig die Kompositionen des Küchenmeisters sind. Das Erdige der Roten Bete, die fruchtige Süße, die Schärfe frischen Meerrettichs, das Rauchige der dazugereichten Entenbrust: perfekte Kombi! Der Salat hat einen mediterranen Touch und scheint fast ohne Säure auszukommen. Auf telefonische Nachfrage erklärt Füller, dass er ohne Dressings arbeite und den Salat in der Schüssel à la minute anmache.

Der schwäbische Rostbraten nun (wahlweise mit Bratkartoffeln 19 Euro) ist zwar nicht mürbe, aber sehr zart, der zweite Hauptgang ist ein saftig gebratenes Fjordforellenfilet (18 Euro), das von herzhaftem Kartoffel-Bärlauch-Püree und Rahmmorcheln harmonisch kontrastiert wird. Bei den Desserts, von denen nach üppigen Portionen nur eines zu schaffen ist, setzt sich die Begleitung durch, aber okay: das warme Schokoladentörtchen (7,50 Euro) fließt den Gaumen hinunter, begleitet von Vanillesoße und Zwergorangen. Satt und zufrieden gehen wir nach Hause, und doch: Hätten wir nicht auch die Bärlauchspaghettini mit gebratenen Riesengarnelen und geschmorten Tomaten haben müssen? Wir sagen Cervus – bis zum nächsten Mal!

Gasthaus Cervus Plochingen, Bergstraße 1, www.gasthaus-cervus.de, Telefon 0 71 53/ 55 88 69. Di bis Do 12 bis 14 und ab 18 Uhr, Fr, Sa ab 18 Uhr. Terrasse mit 35 Plätzen.

Die Bewertung:

Küche ****

Service ****

Ambiente ***

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.