Am Samstag bestreiten Borussia Dortmund und Bayern München das erste rein deutsche Finale um die europäische Fußballkrone. Ist die Bundesliga damit die stärkste Liga der Welt? Ein sportlicher und ökonomischer Musterknabe ist sie allemal.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

London - Englands gute Fußballstube, das Londoner Nationalheiligtum Wembley-Stadion, hat sich fein herausgeputzt, wenn heute der FC Bayern München und Borussia Dortmund um die europäische Krone im Clubfußball kämpfen. Da sich erstmals in der Geschichte der Champions League, die von 1955 bis 1992 der Europapokal der Landesmeister war, zwei Bundesligisten im Finale gegenüber stehen, werden sich viele deutsche Spieler auf dem Rasen tummeln. Doch Profis aus allen Ecken Europas (Frankreich, Serbien, den Niederlanden oder der Türkei) sowie vier Brasilianer, ein Peruaner und ein Australier im Kader der beiden Teams geben dem Spektakel, das in 209 Ländern live ausgestrahlt wird, ein weltumspannendes Profil. Ungewöhnlich ist, dass im 2007 neu eröffneten Wembley-Stadion kein Brite eine tragende Rolle besetzt. Der Spielleiter etwa, Schiedsrichter Nicola Rizzoli, ist Italiener.

 

Den Takt auf internationaler Bühne gibt momentan eben der deutsche Fußball vor. Wie sich die Zeiten ändern. Noch im August 2007 vermeldeten die Agenturen eine Hiobsbotschaft für die Bundesliga: „Deutschland hat seinen fünften Platz in der Fünfjahreswertung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) an Rumänien verloren – und muss um einen der Startplätze in der Champions League bangen.“ Tempi passati – denn im Ringen der europäischen Clubgroßmächte rückt der deutsche Fußball als dritte Kraft hinter dem Spitzenreiter Spanien bereits den Engländern dicht auf den Pelz. Stellt die Bundesliga mit seinen beiden Schlachtrossen FC Bayern und BVB sowie dem starken Unterbau mit Schalke 04, Leverkusen, Hamburg, dem VfB Stuttgart oder Mönchengladbach gar die stärkste Liga der Welt?

„Ob wir die Besten sind, wird sich erst zeigen“

„Ganz Europa blickt derzeit auf die Bundesliga. Ob wir die Besten sind, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen“, sagt Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL): „Klar ist, dass es der Bundesliga gelungen ist, wirtschaftliche Vernunft und sportliche Spitzenleistungen unter einen Hut zu bringen.“ Geht es um die Umsatzzahlen, grüßt die englische Premier League noch immer von der Pole-Position. Sowohl bei der Inlandsvermarktung (1,2 Milliarden Euro pro Saison) wie beim Handel mit ihren Fußballrechten im Ausland (800 Millionen Euro) setzen die 20 englischen Vereine Maßstäbe, die weltweit unerreicht sind. Doch die Bundesliga holt auf: So wird sich die jährliche Summe, welche die DFL als Dachverband aller deutscher Proficlubs mit dem Verkauf ihrer Fernsehrechte erwirtschaftet, durch den neuen TV-Vertrag von durchschnittlich 412 Millionen Euro auf bald 628 Millionen Euro pro Saison steigern.

„Der neue Medienvertrag in Deutschland wird die Rolle der Bundesliga als Liga mit den zweithöchsten Umsätzen in Europa stärken und ausbauen“, sagt Christian Seifert. „Er bedeutet mehr finanziellen Spielraum für die Clubs, aber auch die Möglichkeit, in bewährter Manier weiter in die Infrastruktur und die Nachwuchszentren zu investieren.“

Die wirtschaftlichen Fußball-Größen in Europa

Während selbst die Bayern im Konzert der europäischen Größen mit einem Jahresumsatz von 368 Millionen Euro nur die vierte Geige spielen (es führen Real Madrid und der FC Barcelona mit 513 Millionen sowie 483 Millionen Euro) und Dortmund mit seinen 189 Millionen europaweit nur auf Rang elf notiert ist, gilt die Bundesliga aus ökonomischer Sicht dennoch als Musterknabe. So ist inzwischen bei 20 spanischen Profivereinen, die insgesamt Verbindlichkeiten von 3,5 Milliarden Euro vor sich herschieben, ein Konkursverfahren anhängig. Während in Spanien seit Jahren Barça und Real die Meisterschaft unter sich ausspielen – und die anderen mit ihrer aggressiven Expansionspolitik abgehängt haben –, setzt man hierzulande auf die Zentralvermarktung. Die TV-Einnahmen werden nach einem Erfolgsschüssel unter den Bundesligisten verteilt. So soll ein fairer Wettbewerb unter den Fußball-Protagonisten aufrechterhalten werden. Wobei das Gleichgewicht der Kräfte – der FC Bayern wurde mit stolzen 25 Punkten Vorsprung bereits kurz nach der Schneeschmelze Deutscher Meister – vor allem durch die hohen internationalen Einnahmen aus der Champions League zunehmend erschüttert wird.

Sorge vor einer Zweiklassengesellschaft

Die Sorge vor einer Zweiklassengesellschaft in Deutschland mit Bayern und dem BVB auf der einen, den 16 restlichen Bundesligisten auf der anderen Seite ist aber eine Marginalie verglichen mit den Problemen, die den Vereinsfußball in Italien plagen. Nach dem Korruptionsskandal um den Rekordmeister Juventus Turin von 2006 hat man in Bella Italia, dem gelobten Land für millionenschwere Kickerwaden der neunziger Jahre, inzwischen neben der Wettmafia auch mit Gewalt und Rassismus, mit maroden Arenen und halb leeren Rängen zu kämpfen.

Während in Italien seit der EM 1980 in viele Stadien nur unwesentlich investiert worden ist, hat die Infrastruktur in Deutschland im Zuge der WM 2006 ein Facelifting erfahren. Dieses hat zunehmend auch weibliches Publikum zu den Spielen gelockt. 44 000 Fans pro Spiel konnten die 18 Bundesligisten in der abgelaufenen Saison im Schnitt begrüßen (in Italien waren es 23 000). Das ist Weltrekord.

„Die Bundesliga ist in ihrer Entwicklung sportlich und wirtschaftlich ein nachhaltig stabiles Produkt“, sagt der Marktforscher Philipp Kupfer: „Das rein deutsche Champions-League-Finale ist ein Höhepunkt. Aber das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.“ Dennoch gilt es hier und da aufzuholen: Mit dem bereits sicheren siebten Königsklassentitel von Wembley liegt Deutschland weiter klar hinter den Spaniern (13 Erfolge) und den Engländern (12).