Im Reiseverkehr, im Güterverkehr, auf den Baustellen: Bei der Deutschen Bahn läuft in der Krise alles weiter - und zwar auf vergleichsweise hohem Niveau. Bahnchef Lutz sieht den Konzern in einer gesellschaftlichen Verantwortung. Doch das wird teuer.

Berlin - Aufgrund der Corona-Krise fährt derzeit kaum noch jemand Bahn: Bei rund 10 bis 15 Prozent des üblichen Niveaus liege das aktuelle Reiseaufkommen im Fernverkehr, sagte Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz am Montag auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Im Regionalverkehr liege das Aufkommen mit rund 15 Prozent ähnlich niedrig. Das Virus Sars-CoV-2 hat die Zeiten des kräftigen Fahrgastzuwachses jäh beendet.

 

Doch trotz des starken Nachfragerückgangs hat die Bahn ihr Angebot bislang in deutlich geringerem Umfang reduziert. „Wir fahren faktisch nach Wochenendfahrplänen“, sagte Lutz mit Blick auf den Regionalverkehr. Im Fernverkehr bestünden weiterhin rund drei Viertel des sonst üblichen Angebots. „Eine weitere Reduzierung ist nicht angedacht.“ Gewerkschaften hatten in den vergangenen Tagen immer wieder gefordert, das Zugangebot weiter runterzufahren, um Beschäftigte zu schonen und zu schützen.

Klare Botschaft

Doch die Botschaft des Konzerns ist eindeutig: Während in der Krise alles stillsteht, stellt er sich seiner Verantwortung. „Deshalb haben wir von Beginn an alles daran gesetzt, den Betrieb auf der Schiene so lange, so umfangreich und so stabil wie möglich aufrecht zu halten“, sagte Lutz. Ob Polizisten, Pflegepersonal oder Supermarkt-Beschäftigte: Wer in systemrelevanten Berufen arbeitet und aufs Bahnfahren angewiesen ist, soll dies ohne Einschränkungen tun können.

Das gilt auch für die Versorgung über den Güterverkehr, der ungehindert über geschlossene Grenzen rolle und derzeit mit neuartigen Aufträgen konfrontiert sei: „Ob Teigwaren, Klopapier oder Mehl: Wir konnten in den vergangenen Tagen vielen Unternehmen mit Logistikdienstleistungen unter die Arme greifen“, sagte Lutz.

Selbst die täglich mehreren Hundert Baustellen auf den Bahnstrecken sollen weiter laufen. Das hänge vor allem davon ab, wie stark die Bauunternehmen selbst aufgrund der Corona-Krise zurückfahren müssen. Ein Risikoradar, das Bahn und Bauwirtschaft gemeinsam betreiben, soll einen Überblick verschaffen und die Planung vereinfachen. An ausbleibenden Aufträgen seitens der Bahn werde es aber nicht scheitern, betonte Lutz. „Im Grunde ist die Bahn, mit dem, was wir gerade machen, ein industrielles Konjunkturprogramm.“

Doch all das wird teuer. Die Corona-Pandemie werde die Bahn hart treffen, räumte der Chef ein. „Vermutlich noch härter als die Finanzkrise 2008/2009.“ Schon jetzt liegt das Unternehmen mit einem Schuldenberg von 24,2 Milliarden Euro hart an der Grenze des Erlaubten. Wenn die Lage etwas klarer sei, müsse die Bahn über dieses Problem mit dem Bund als Eigentümer sprechen.

Schwierige Situation

Auch beim Güterverkehr dürfte sich die finanziell ohnehin schwierige Situation verschärfen. Wichtige Industriekunden wie etwa die Autobranche brechen derzeit weg. Zulieferverkehr aus dem Ausland bleibt aus. Derzeit rolle rund 70 Prozent des sonst üblichen Angebots. „Das, was wir an Neuverkehren haben, kompensiert natürlich einen industriellen Rückgang in der Größenordnung so nicht“, sagte der Bahnchef.

Wie schnell die Krise auch für die Bahn vorbeigeht, hängt indes unter anderem davon ab, wie sehr sich die Bürger an die verordneten Maßnahmen halten. Es zeichnet sich ab, dass an Ostern viele Menschen auf den Familienbesuch verzichten werden. „Wir sehen in den Buchungszahlen überhaupt kein erhöhtes Volumen, keine erhöhte Nachfrage“, sagte Lutz. „Unsere Kundinnen und Kunden gehen ausdrücklich verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation um.“