In Berlin treffen sich derzeit Deutschlands beste Köche bei dem Foodsymposium Chefdays. Der fade Beigeschmack: Zu wenige Frauen kochen in der Spitzenklasse mit.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Berlin - Essen ist cool, Essen ist Trend. Und so mancher geht so weit und bezeugt: „Food is my porn“, was so viel heißt wie „Essen ist mein Porno“. So steht es Gelb auf Schwarz auf den Leibchen der Veranstalter der Chefdays, einem neuen Foodsymposium. Erstmals in Berlin, initiiert vom österreichischen Gastrofachmagazin „Rolling Pin“, gesponsert von Metro, für die Tim Raue wiederum Markenbotschafter ist. So weit, so viele Querverbindungen.

 

Austragungsort der ersten Chefdays ist die Event Island in Spandau, die auch unter Berlinern nicht bekannt ist. Von Mitte dauert die Shuttlebus-Fahrt 45 Minuten und angekommen ist man vor einem hübschen, großen Backsteinbau. Draußen trommelt einer, drinnen brutzelt und dampft es, es riecht nach gegrilltem Fleisch und frisch gebrühtem Kaffee. Die Spitzenköche sind die Popstars, mit denen die Menschen ein Selfie haben wollen. Dass es aber noch um viel mehr geht, zeigen internationale Köche wie etwa Rasmus Kofoed aus dem Geranium in Kopenhagen.

Rasmus ist ein zurückhaltender Kerl. Ihm geht es nicht um Genrezuschreibungen wie die New Nordic Cuisine, um TV-Auftritte oder um Instagram-Posts. Er hat Muscheln und Steine aus Dänemark mitgebracht, erzählt auf der Bühne von seiner Kindheit und der Natur und von frisch gepresstem Meerrettichsaft. Und er erklärt wie ein Hecht, der wie Marmor aussieht, zu seinem Markenzeichen wurde. „Wer ein Steak essen möchte, muss nicht ins Geranium kommen“, sagt Kofoed. Die Menge applaudiert. Kofoed freut sich indes, endlich Berlin kulinarisch entdecken zu dürfen: „Ich habe von diesem tollen Gemüse-Kebab gehört“, sagt’s und entschwindet nach seinem Vortrag zur Sehenswürdigkeiten-Tour.

Das Symposium ähnelt einer großen Kochshow

Die Speaker, also die Referenten, bei den Chefdays werden immer wieder beklatscht für ihre Ideen. Es ist wie bei einer Live-TV-Kochshow, bei der vor allem Kulinarikfreunde und der Gastronomienachwuchs im Publikum sitzen. Mal ist es lehrreich, mal unterhaltsam, oft auch beides. Es sind große Namen dabei: Valdimir Mukhin aus Moskau etwa, Jonny Lake vom Fat Duck in England, Tohru Nakamura (Geisels Werneckhof, München), der TV-Koch Tim Mälzer und Tim Raue.

Was aber auffällt und im Vorfeld stark kritisiert wurde: Wo sind die Frauen? Diesen Fakt greift auch Hermann Onko Aeickens, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, in seiner Rede auf. Er plädiert nicht nur für bessere Bezahlung in der Gastronomie, für Ernährung als Schulfach, sondern auch für die Überwindung dieser Ungleichheit: „Ich sehe sehr wenig Frauen. Unter den 50 Besten ist eine Frau dabei. Daran müssen wir alle arbeiten. Auch die Männer.“ Applaus. Auch von den Männern.

Die einzige Preisträgerin ist Douce Steiner vom Hirschen in Sulzburg. „Ich finde das schade“, sagt Steiner. Es tue sich schließlich was in der Spitzengastronomie. In ihrer Küche gehe es ruhig und höflich zu. Vor dreißig Jahren, als sie in Frankreich gearbeitet hat, war das anders: „Da hieß es schon mal, eine Frau gehört zu Hause an den Herd.“ Die Männer geben aber nicht nur auf der Bühne den Ton an, sondern auch hinter den Ständen. Es gibt Gin, Craft-Beer, Eis, Honig, Pfannen, Kochschürzen. Tätowierte Typen von der Berliner Pauly Bar servieren Languste, Kohlrabi und Gurke, kunstvoll arrangiert. Es gibt Fonds, die „ready to rock“ sind. Trüffel, der auf Pizza gerieben wird. Mit rund 3000 Gästen an zwei Tagen sind die ersten Chefdays in Berlin ausverkauft.

Julia Komp ist mit 28 Jahren Deutschlands jüngste Sterneköchin

Zwischen all den Männern bereitet Julia Komp vom Schloss Loersfeld ein Salzwiesenlamm mit persischer Limonensoße, Couscous und Granatapfel. Sie ist mit 28 Jahren Deutschlands jüngste Sterneköchin. „Es ist, wie es ist. In Führungspositionen in der Gastronomie gibt es nicht so viele Frauen“, sagt sie. Sternegastronomie sei ein harter Job – „auch körperlich“.

Das weiß auch Lokalmatador Tim Raue. „Du musst jeden Tag beschissen hart arbeiten, um erfolgreich zu sein. Und dann wird es noch schlimmer, weil der Druck größer wird“, sagt er im bekannt flapsigen Ton. Raue weiß sich zu vermarkten. Er hat elf Restaurants, zwei Michelin-Sterne. Vor Hunderten Gästen bereitet er ein Dessert mit Gurke und Passionsfrucht und Schweinewangen mit Wassermelonensalat zu und sagt Sätze wie: „Schmoren haben sich nicht die Franzosen ausgedacht. Ätschibätsch, waren die Schinesen.“ Oder: „Ach, wir Pünktchen- und Pinzettenköche, da gibt es auch gern eins auf die Fresse.“ Hier gibt es Applaus dafür. Er arbeitet auf der Bühne natürlich in der „tollsten Küche“, mit der „tollsten Kresse“ und lässt 1200 Boxen mit thailändischem Salat und Garnelen verteilen.

Raue liebt den großen Auftritt. Und freut sich, als Tim Mälzer den Raum betritt: „Ich bin nun raus aus der Selfie-Nummer, jetzt kam gerade Tim Mälzer rein.“