Putzen mit chemischen Reinigungsmitteln kann auf Dauer ähnlich schädlich für die Lunge sein wie eine Schachtel Zigaretten pro Tag zu rauchen. Das haben Forscher in mehreren Studien nachgewiesen. Wir geben einen Überblick über die aktuelle Forschungslage.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Rauchen ist die häufigste vermeidbare Todesursache in den Industrieländern. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft wird jeder zweite gewohnheitsmäßige Raucher vermutlich an den Folgen des Rauchens sterben. Dass Putzen ähnlich gefährlich für die Gesundheit sein kann, haben Forscher in mehreren Studien nachgewiesen.

 

Gesundheitsgefährdende Putzmittel

Handelsübliche Reinigungsmittel können gemäß einer US-Studie kleine Schadstoffpartikel in die Atemwege von Menschen einbringen – soviel wie Autoabgase in Straßenschluchten oder Rauchen.

Das berichtet das Team um die amerikanische Chemikerin Colleen Rosales im Fachblatt „Science Advances“.

Gefährliche chemische Verbindungen

Die Forscher konzentrierten sich in ihrer Untersuchung insbesondere auf Emissionen, die „natürlich“ nach Zitrusfrüchten oder Pinie riechen. Derartige Reiniger enthalten häufig Monoterpene, welche die Hauptbestandteile ätherischer Öle bilden.

Zu den bekanntesten Terpenen gehören Limonene, Alpha- und Beta-Pinen sowie Campher. Diese Mittel setzen zum einen flüchtige organische Verbindungen VOC (Volatile Organic Compounds) frei.

VOC können Kopfschmerzen, Organschäden und selbst Krebs verursachen, wie aus einer Auflistung der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA hervorgeht.

Zum anderen könnten VOC oxidieren, heißt es weiter in der Studie von Colleen Rosales , was zur Entstehung spezifischer sekundärer organischer Aerosole (SOA) führen könnte, darunter Peroxide, Alkohole, Carbonyle und Carbonsäuren.

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Reinigungskräfte sind besonders gefährdet

Forscher der norwegischen Universität Bergen haben in einer Langzeitstudie nachgewiesen, dass Menschen, die sehr viel putzen, eine schwächere Lunge haben als solche, die nie sauber machten.

Den stärksten Abfall der Lungenfunktion beobachteten die Wissenschaftler der Universität Bergen bei Reinigungskräften. Tägliches Putzen wirkt sich demnach genauso schädlich auf die Lunge aus wie 20 Zigaretten am Tag zu rauchen.

„Menschen, die 20 Jahre lang als Reinigungskräfte gearbeitet oder im Haushalt geputzt haben, haben eine ähnlich stark reduzierte Lungenfunktion, wie Raucher, die täglich 20 Zigaretten konsumierten“, erklärt Øistein Svanes vom Department of Clinical Science der Universität von Bergen.

Für ihre im „Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“ veröffentlichte Arbeit untersuchten die Experten die Daten von rund 6200 Teilnehmern einer europaweiten Erhebung zur Atemwegsgesundheit. Mehr als 20 Jahre lang hatten die Probanden, die bei Studienbeginn im Durchschnitt 34 Jahre alt waren, regelmäßig ihre Lungenfunktionen prüfen lassen.

Gift für die Lungen

Das Ergebnis der norwegischen Studie: Je häufiger die Probanden chemische Reiniger benutzten, desto stärker war ihre Lungenfunktion beeinträchtigt. Vor allem die Lungenwerte von Frauen, die beruflich als Reinigungskräfte arbeiteten, waren genauso schlecht wie die von Rauchern, die täglich eine Packung Zigaretten qualmten. Ihr Risiko an Asthma zu erkranken, war 40 Prozent höher als das der Durchschnittsbürger.

„Wenn man sich vorstellt, kleine Partikel aus Reinigungsmitteln zu inhalieren, die dazu bestimmt sind, den Boden und nicht die Lungen zu reinigen, ist das vielleicht gar nicht so überraschend“, betont Øistein Svanes.

Gefährliche Sprühmittel

Vor allem chemische Mittel, die versprüht werden, seien gesundheitsschädlich. „Die kleinen Partikel aus den Sprays können nach der Reinigung stundenlang in der Luft bleiben. So können sie tief in die Lunge gelangen, Infektionen verursachen und die Alterung der Lungen beschleunigen.“

„Die Kernbotschaft dieser Studie lautet, dass chemische Reinigungsmittel auf lange Sicht sehr wahrscheinlich der Lunge großen Schaden zufügen“, resümiert Øistein Svanes in der Studie der Universität Bergen. Der Experte empfiehlt auf Chemikalien beim Putzen so weit wie möglich zu verzichten und stattdessen Mikrofasertücher und Wasser zu verwenden.

Putzende Männer

Männer stehen im Fokus einer belgischen Studie der Brüsseler Wissenschaftlerin Laura van den Boore, die berichtet, dass das Sterberisiko männlicher Reinigungsfachkräfte deutlich höher sei als etwa das von Büroangestellten.

Privatpersonen könnten sogar noch gefährdeter sein, da sie wenig über entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wüssten sowie die Produkte falsch anwenden oder bedenkenlos kombinieren würden.

Besser unschädliche Produkte verwenden

Forscher der britischen Universität von Surrey haben in einer Studie nachgewiesen, dass Reinigungsmittel eine wichtige Quelle der Luftverschmutzung in Gebäuden sind. Waschmittel, Weichspüler, Bodenreiniger, WC-Gel und Chlor-Reiniger können krebserregende Schadstoffe enthalten und in die Luft abgeben.

Auch ihr Tipp lautet: So wenig wie nötig auf Chemie setzen und am besten unschädliche Produkte verwenden.

Was Haushaltsreiniger anrichten können

Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 60 000 Haushaltsreiniger EU-weit offiziell zugelassen. Putz-, Wasch- und Reinigungsmittel enthalten zahlreiche, zum Teil gesundheitsschädliche Substanzen wie Säuren, Laugen, Alkohole, Aluminium, Bleichmittel, Biozide (Chemikalien zur Bekämpfung von Schädlingen), Chlor, Parfümöle, Farbstoffe oder Lösemittel.

Backofenreiniger können durch das in ihnen enthaltene Ätznatron die Haut massiv schädigen. In vielen WC- und Hygienereinigern befindet sich Chlor sowie Natronlauge, Ameisen-, Salz- oder Phosphorsäure, welche die Atemwege reizen und die Haut verätzen.

Chemische Reinigungsmittel können in geschlossenen Räumen angewendet Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Schwindel und Allergien verursachen. Zudem stehen Spezialreiniger im Verdacht, das Immunsystem zu schwächen und krebserregend zu sein.

Schädliche Chemie-Cocktails

Vor allem durch die Kombination verschiedener Mittel kann ein gefährlicher Chemie-Cocktail entstehen. Das Chlor im WC- und Desinfektions-Reiniger oder Schimmelentferner kann zusammen mit einem säurehaltigen Mittel (etwa Essig-Reiniger) ätzendes Chlorgas bilden.

Es hilft auch nichts, die Mittel nacheinander zu verwenden, da kleinste Partikel lange Zeit in der Raumluft erhalten bleiben. Auch Duftstoffe in Parfümen und Raumsprays können mit Putzmitteln reagieren.

Putz-Tipps

Beachten Sie: Chemische Reinigungsmittel sollten immer nur einzeln verwendet und niemals gemischt werden. Nur so können unerwünschte akute oder langfristige gesundheitliche Nebenwirkungen vermieden werden.

Und: Gummihandschuhe sind immer ratsam. Ausgiebiges Lüften nach dem Putzen ist Pflicht.