Daimlers neuer Großaktionär Li Shufu besucht die Stuttgarter Konzernzentrale und das Kanzleramt. Der Werdegang des 54-Jährigen ist bemerkenswert und er ist das Gegenteil eines glatten Managers.

Peking - Chinas Autokönig hat viele Ideen für Daimler. Der neue Großaktionär Li Shufu, der sich mit 9,69 Prozent an Daimler beteiligt, denkt langfristig – und arbeitet an einer Neuaufstellung der Autobranche im technischen Wandel. Der Daimler-Anteil des Haupteigners des chinesischen Autokonzerns Geely hat nach aktuellen Kursen einen Wert von gut sieben Milliarden Euro. Geely gehört unter anderem die schwedische Marke Volvo.

 

Der Werdegang des 54-Jährigen kann als märchenhaft bezeichnet werden. Li Shufu hatte es als Jungunternehmer heraus, aus Schrott Gold zu machen. Nach der Schule hatte er sich zunächst als Fotograf selbstständig gemacht. Das war Anfang der 80er Jahre, damals hatten die Kommunisten die ersten privaten Firmengründungen erlaubt. In der Dunkelkammer hatte er sich den Umgang mit Chemikalien beigebracht, die Edelmetalle auflösen. Er sattelte auf das Recycling von Elektroschrott um und machte gute Geschäfte. Doch seine Idee fand schnell viele Nachahmer und lohnte sich nicht mehr. Li nahm das angesparte Kapital und fing an, Kühlschränke zu bauen. Seine kleine Fabrik nannte er Geely, das bedeutet „Glück und Gewinn“. Mit enormer Tüchtigkeit und viel Sinn für Technik schuf er sich eine Marktnische. Inzwischen stellt Li Shufu erfolgreich Autos her.

Die Gewinne aus seiner Fimra sprudeln üppig

Mit dem Einstieg des Selfmademilliardärs wird eine Grundfeste des deutschen Wirtschaftslebens etwas asiatischer. Doch bei Li befinden sich die Aktien in guten Händen. Der 54-Jährige ist das Gegenteil eines glatten Managers. Vor allem unterscheidet er sich grundlegend von den Chefs der vielen chinesischen Staatsbetriebe, die vor allem auf Sicherheit spielen und Veränderungen möglichst vermeiden. Li ist ein Charakterkopf. Auf Pressekonferenzen fällt er öfter aus der Rolle. Statt einfach seine Erklärung vorzulesen und Antworten vom Spickzettel abzuspulen, improvisiert er und streitet sich zuweilen mit der Presse. So ermahnt er Journalisten, die einen seiner Mitarbeiter bedrängten: „Leute, so geht das nicht. Wir wollen hier in China eine Weltklasse-Wirtschaft aufbauen, dann brauchen wir auch Weltklasse-Verhalten.“

Das Luxusforschungsinstitut Hurun nennt ihn „Chinas Autokönig“ und sieht ihn auf Platz zehn der reichsten Chinesen. Sein Vermögen hat er durch Gewinne seines Industriebetriebs erwirtschaftet; er gehört nicht zu den Chinesen, deren Kapital durch Übertreibungen am Immobilienmarkt aufgebläht wurde. Die Gewinne aus der Firma sprudeln üppig: Geely hat im vergangenen Jahr 1,24 Millionen Autos verkauft, zehnmal mehr als 2005. Darin ist der Absatz der schwedischen Marke Volvo enthalten, die seit 2010 zu Geely gehört.

Li ist bereits zu Gesprächen nach Stuttgart gereist

Li denkt solide und langfristig. Der Daimler-Anteil bringt ihm zwar kurzfristig weniger konkreten Nutzen, als es scheinen mag: Er hat damit weder Zugriff auf deutsche Technik, noch kann er Ansprüche auf eine Zusammenarbeit in der Produktion geltend machen. Denn Daimler hat bereits zwei chinesische Kooperationspartner und plant nicht, daran etwas zu ändern. Es ist jedoch auf jeden Fall besser, Anteile an einem deutschen Premiumhersteller zu haben, als keine. Wenn Li über eine Technik-Partnerschaft sprechen will, wird das Management nach seiner Investition auf jeden Fall offene Ohren haben. Li ist bereits zu Gesprächen nach Stuttgart gereist. Ein Thema könnten gemeinsame Standards und gemeinsame Beschaffung von Batterien sein. Li denkt hier in Möglichkeitsfeldern in die Zukunft – so wie er damals als Fotograf die Chance gesehen hat, mit alten Elektrogeräten Geld zu machen. Für seine erste Kamera hatte ihm sein Vater 100 Yuan geliehen, umgerechnet 13 Euro. Heute hat er ein Privatvermögen von 13 Milliarden Euro.

Jetzt setzt Li auf umweltfreundliches Fahren und hohe Qualität. Beides hat ihn 2010 bewegt, bei Volvo zuzugreifen. Die Integration des schwedischen Unternehmens ist inzwischen abgeschlossen und gilt als Erfolg. Jetzt folgt die nächste Stufe: Schon in zwei Jahren sollen 90 Prozent der Autos seines Unternehmens im Wesentlichen elektrisch angetrieben werden – auch in Hybriden soll der Benzinmotor nur eine unterstützende Rolle spielen. Li hat dafür ein Gemeinschaftsunternehmen für den Bau von Batterien gegründet.

Bei allen Visionen ist er jedoch alles andere als weltfremd. Was er macht, hat in China die Rückendeckung des Staates. Er ist Mitglied des Nationalen Volkskongresses, des gelenkten Parlaments des Landes. Als Vorreiter der Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft genießt er den Respekt der Regierenden. Seine Eltern waren noch arme Bauern, er reist nun als Großinvestor nach Deutschland.