Boliviens Frauen sind stolz und stark – und ziemlich hart im Nehmen. In El Alto veranstalten sie regelmäßig das berühmte Cholita-Wrestling für Touristen.

Stuttgart/El Alto - Bolivien ist ist ein Land voller geheimnisvoller Bräuche. Auf zahlreichen Hexenmärkten kann man Liebesstaub, Potenzmittel und Opfergaben kaufen. Tote Lama-Babys zum Beispiel, Knochen, oder Kräuter, die man an Ort und Stelle über kleinen Feuern verbrennt. Es heißt, unter vielen Wohnhäusern seien die Gebeine Toter vergraben. Auf den Wochenmärkten verkaufen Frauen in bunten, traditionellen Kleidern stolz ihr Obst und Gemüse. Sie gelten als sehr stark. Es heißt, dicke Waden würden als attraktiv gelten, weil sie für Ausdauer und Kraft stünden. Und dann gibt es da noch dieses Cholita-Wrestling, das jährlich viele Touristen anzieht.

 

Cholita-Hüte – der Trick einer britischen Firma?

Die Wrestlings finden in El Alto statt. Die Stadt liegt auf etwa 4000 Metern Höhe und war früher ein Stadtteil von La Paz. Heute verbindet eine Seilbahn La Paz („den Frieden“) mit El Alto („der Höhe“). Touristen lassen sich oft über die Märkte von La Paz und El Alto führen, um anschließend in uralten Bussen zu den Cholita-Wrestlings gekarrt zu werden.

Cholitas, so heißen die indigenen Frauen Boliviens. Manchmal wird der Ausruck auch abwertend gebraucht. Viele Indigene stammen aus dem Aymara-Volk. Frauen des Aymara-Volkes tragen Lederschuhe, viele Schichten Unterröcke, ein Schultertuch und lange geflochtene Zöpfe. Auf ihrem Haupt schwebt, wie durch Zauberei, ein hoher, schief sitzender Melonenhut. Es heißt, eine englische Hutfirma habe in den 1920er Jahren Hunderte der braunen Herren-Hüte aus Versehen zu klein produziert – und diese dann in Bolivien als „europäischen Trend“ verkauft. Auf den Cholita-Wrestlings tragen viele Frauen die Hüte mit Stolz und Würde.

Eine neue Generation von Wrestlerinnen

Wrestling ist eine Kampfsport-Show – die Kämpfe sind einstudiert. Wer einmal auf einem Cholita-Wrestling war, sieht den Darbietungen an, dass sie choreografiert sind. Was den Frauen anzumerken ist: Sie haben jede Menge Spaß. Sie strahlen, sie grinsen, sie genießen die Show. Aber die Zahl der aktiven Kämpferinnen ist immer kleiner geworden und nun bei nur noch sieben angekommen.

Eine der bekanntesten nennt sich Reyna Torrez. Sie heißt eigentlich Leydi Huanca und hat die Zuschauer zwölf Jahre lang unterhalten. Ihre Bewegungen sind von mexikanischen Wrestlern wie Rey Mysterio inspiriert. Jetzt unterrichtet die 29-Jährige eine neue Generation Cholita-Wrestlerinnen. Um die 50 Frauen zwischen 16 und 19 Jahren trainieren an speziellen Wrestler-Schulen. „Die Mädchen, die diesen Sport machen wollen, brauchen Mumm und Willen, denn er erfordert eine Menge Disziplin“, sagt Torrez.

Noelia Gonzalez ist eine von ihren Schülerinnen. „Du brauchst viel Mut, Kraft und Training um einen guten Kampf zu machen. Wir fallen und wir verletzen uns, aber das spielt keine Rolle, denn das Publikum hat Spaß“, sagt auch die 19-Jährige. Als Wrestlerin nennt sie sich Natalia Pepita.

Der Kampf

Bevor ein Kampf beginnt, tragen die Kämpferinnen Make-Up und Parfüm auf. Dann tanzen sie zu volkstümlicher Musik in bunten Kostümen um den Ring herum und bringen das Publikum in Stimmung. Und schließlich gehen sie aufeinander los. Die Schülerin Pepita tritt jetzt gegen Trainerin Torres an.

Während die Zuschauer „Pepita! Pepita!“ rufen, steckt die junge Wrestlerin zwischen den Seilen fest und Torrez würgt sie mit ihren eigenen Zöpfen. Dann wendet sich das Blatt. Pepita entwischt, führt ein Rennen um den Ring an, und nutzt einen Tritt in der Luft, den Torrez ihr gezeigt hat, um sie auszuknocken. Innerhalb von Minuten wird Torrez am Boden festgedrückt, und Pepita zieht stolz an ihren Zöpfen.

Das Publikum ist außer sich vor Begeisterung. Cholitas sind beeindruckend stark und hart im Nehmen. Schwer sehen sie aus, vor Schmerzen scheuen sie nicht zurück. Sie entsprechen nicht den europäischen Vorstellungen von Weiblichkeit. Vielleicht ist es genau das, was das Publikum so fasziniert.