In Zetkin-Haus zaubern Hermann Bassé und Gerald Friese eine spanische Flamenco-Nacht.

Stuttgart-Sillenbuch - Rot wie das Blut und heiß wie die Glut. Der Flamenco ist der Inbegriff andalusisch-ziganesker Lebenskultur, ein Welterbe von Tanz und Klang und Emotion. Um dieser „Macht des Blutes“ mit einer „Nacht des Blutes“ zu huldigen, haben sich zwei Schauspieler zusammengetan. Hermann Bassé, der Erfinder und Impresario der Kleinkunstbühne Silberwald, ist auch Gitarrist und Musiklehrer. Gerald Friese, den Autor und Regisseur, kennt man als begnadeten Vorleser, als Pfadfinder der Literatur und ihren Performer. Mit seinem neuen Programm hatte das Duo am Freitagabend im Clara-Zetkin-Heim seine sehr gut besuchte Premiere.

 

Wo es da schon um heißes Blut und um Spanien ging, fiel Gerald Friese natürlich noch ein anderes großes und etwas grausames Kulturthema vor die Füße: die Corrida – der Stierkampf. Und die exakte Stunde des Papst-Abgangs konnte er auch kaum unbeachtet vorüberstreichen lassen. Dafür hatte er einen Text des unzuverlässigen Linken und gelernten Katholiken Hans Magnus Enzensberger über einen fiktiven Papst Gregor ausgegraben.

Trotziges Stampfen und zurückgeworfenes rotes Haar

Die Alegría des Flamenco bedeutet Freude. Und während ein liebevoll-virtuoser Flamenco-Afficionado Hermann Bassé auf seiner Gitarre immer wieder wunderbare Standards einstreute, über die man gerne mehr Erklärendes und Einordnendes erfahren hätte, kam Gerald Friese vom spanischen Dichter Gerardo Diego und seiner „Grünen Hölle“ über ein paar Spekulationen zum merkwürdig rätselhaften Ursprung des Worts – vom Flämischen oder vom Flamingo? – und die entzauberten und neu verzauberten Klischees aus „Spanien pauschal!“ zur „Klassischen Sau – Handbuch der Hocherotik“, worin Flamenco-Kastagnetten, trotziges Stampfen, zurückgeworfenes rotes Haar und der Paso Doble natürlich nicht fehlen dürfen.

Zwischendurch gab es für das eher linke Zetkin-Publikum Anekdoten wie die von Picasso, der den Nazi-Offizier über sein monumentales Anti-Kriegs-Bild vom deutschen Condor-Bombenangriff aufs baskische Guernica beschied: „Nein, das haben Sie gemacht!“ Der Kriegsreporter Ernest Hemingway kämpfte nicht nur vergeblich für das linke republikanische Spanien. Er feierte auch immer wieder hymnisch den Stierkampf, die Corrida, als Sinnbild des Lebenskampfs. Und der prosaische Macho schrieb sogar – ein echter Friese-Schlenker – ein Gedicht über den Schwarzwald.

„Eine Geschichte von der ungebrochenen Persönlichkeit“

Als „Ausdruck von Verzweiflung und Hunger“ wertet Anja Vollhardt den Flamenco, der sich aus den Kulturen der arabischen Mauren und Afrikas, den Traditionen der sephardischen Juden, kastilischer Urspanier und heimkehrender Konquistadoren, aber vor allem der Kalò, der fahrenden schwarzen Roma-Gitanos, speiste: ein Ausdruck des unbändigen Lebenswillens der Unterdrückten, eine „Geschichte von der ungebrochenen Persönlichkeit“, der Unbeugsamkeit. Die kraftvoll feine Gitarren-Musik von Hermann Bassé und solche mitreißend vorgetragene literarische Spurensuche begeisterten die Besucher sehr.

Da mag es noch Verschiebungen geben und Ergänzungen. Aber diese Flamenco-Performance hat Potenzial.