Alte Computer und Smartphones enthalten viele wertvolle Rohstoffe. Auch in Deutschland lohnt es sich, elektronische Geräte so zu zerlegen, dass sich so viel wie möglich davon wiederverwerten lässt. Doch dem Recycling sind Grenzen gesetzt – noch.

Stuttgart - An einer Seite der großen Halle stapeln sich zahllose Päckchen: „Bei uns ist jeden Tag Weihnachten“, sagt Joachim Ulmer schmunzelnd. Der Recyclingexperte betreibt in Böblingen ein Unternehmen, das ausgediente Computer sowie Flachbildschirme, Drucker und andere IT-Peripheriegeräte zerlegt. Dabei hat er sich vor allem auf solche Ware spezialisiert, die Kunden im Zuge von Alt-gegen-Neu-Programme an Händler zurückgegeben haben. Dabei gibt es beim Neukauf beispielsweise eines Druckers eine Bonuszahlung.

 

Nach dem Auspacken werden die IT-Geräte getestet: Wenn sie noch gut funktionieren, lassen sie sich etwa in Osteuropa und Nordafrika gut verkaufen. Der Rest wird von Hand zerlegt: Computerplatinen, Kühlkörper aus Aluminium und Kupfer, hochwertige Plastikmaterialien – alles wandert in getrennte Kisten und wird separat an die Schmelzbetriebe verkauft. Größere Kondensatoren werden getrennt gesammelt und als Sondermüll entsorgt: Sie könnten noch giftige Bestandteile wie die inzwischen verbotene Chlorverbindung PCB enthalten.

Viele teure Metalle gehen beim Schreddern verloren

„Wenn man die Elektronikbauteile nur schreddert, wird das Einschmelzen immer weniger effektiv, weil die Goldlagen in den Chips zunehmend dünner werden“, berichtet Ulmer. Und ergänzt, dass ohnehin ein erheblicher Teil der teuren Metalle durch das Schreddern der Platinen als Staub verloren gehe. Bei weniger wertvollen IT-Teilen wie Tastaturen sei dies aber nach wie vor die Methode der Wahl.

Eine besondere Fraktion sind die Festplatten. Wenn sie zerlegt werden, muss sichergestellt sein, dass nicht noch irgendwelche Daten auf den Metallscheiben gespeichert sind. Daher werden die Platten an einem der vielen Arbeitsplätze in der Demontagehalle auseinandergeschraubt und die Metallteile klein gemahlen, bevor sie zum Einschmelzen verkauft werden. „Insgesamt gehen bei uns nur drei Prozent des angelieferten Materials in die Verbrennung“, berichtet Joachim Ulmer nicht ohne Stolz. Doch wie mühsam das Recyclinggeschäft auch heute noch ist und wie weit die viel beschworene Kreislaufwirtschaft bislang noch von der Realität entfernt ist, das wird bei einem Gespräch in dem in Holzgerlingen ansässigen Recyclingunternehmen 4 Square Return deutlich. Auch Joachim Ulmer arbeitet mit dieser Firma zusammen, die sich die Rücknahme ausgedienter Elektronikprodukte und Dienstleistungen „im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgedankens“ auf die Fahnen geschrieben hat.

Viele Verbraucher horten Altgeräte zu Hause

„Das erste Problem beim Recyclen ist, wie komme ich überhaupt an die ausgedienten Geräte?“, erläutert Wolfgang Schober von 4 Square Return – und verweist auf die Neigung vieler Verbraucher, ungenutzte IT-Geräte zu Hause zu horten. So schätzte das Umweltbundesamt 2014 die Zahl der „Schubladenhandys“ auf 85 Millionen. Diese enthalten mehr als 21 Tonnen Silber, zwei Tonnen Gold, 765 Tonnen Kupfer und viele weitere Metalle. Die Zahlen liegen mittlerweile wohl noch weit höher – und sie dürften wegen des anhaltenden Handybooms weiter steigen: 2016 wurden weltweit 1,41 Milliarden Smartphones verkauft.

Andererseits schreibt die Elektroschrott-Richtlinie der EU (WEEE) vor, dass Hersteller, Vertreiber oder Importeure elektronischer Produkte deren umweltgerechte Entsorgung sicherstellen müssen. Hinzu kommt, dass es sich zumindest die großen Produzenten nicht leisten können, am Umweltpranger zu stehen. Also sorgen sie sich schon um ihre Erzeugnisse, beispielsweise mit Eintauschprogrammen oder der kostenlosen Rücknahmen von leeren Druckerkartuschen. Immerhin kommen so teilweise noch recht gute Produkte zu den Recyclern, die sich weiternutzen lassen. Aus defekten Altgeräten wiederum können die wertvollen Rohstoffe wiedergewonnen werden – was allerdings gar nicht so einfach ist. Aluminium und Zinn sind kein Problem, auch bei Gold, Kupfer, Silber, Platin und Palladium funktioniert das Recycling gut. Doch viele andere wertvolle Rohstoffe gehen beim Einschmelzen in der Schlacke verloren. So werden die sogenannten Seltenen Erden nicht recycelt. Und auch Tantal lässt sich derzeit noch nicht wirtschaftlich wiederverwerten. Es wird aus dem Tantalerz Coltan gewonnen, das es wegen der schlimmen Abbaubedingungen in Afrika zu trauriger Berühmtheit gebracht hat. Immerhin laufen erste Pilotverfahren wie das vom Bundesforschungsministerium unterstützte Projekt „Ireta“ mit dem Ziel, Tantal aus alten Kondensatoren zu isolieren.

Es gibt Klagen über mangelnde Transparenz im Recyclinggeschäft

Als Alternative zu den noch nicht existierenden Recyclingwegen setzen Umweltschützer wie Hersteller daher noch auf einen anderen Weg: Mit neuen technischen Entwicklungen sollen problematische Rohstoffe, die auch zu politischen Abhängigkeiten führen, durch weniger kritische Stoffe in den Produkten ersetzt werden.

All das befreit Hersteller und Recycler jedoch nicht von der Pflicht, die Wiederverwertung von Elektronikschrott weiter zu verbessern. Und da ist noch erheblich Luft nach oben. Wolfgang Schober und sein Kollege Armin Kienle beklagen vor allem die mangelnde Transparenz im Recyclinggeschäft. Demnach lassen sich die Schmelzwerke nur sehr begrenzt in die Karten schauen, was sie in welchen Mengen aus dem angelieferten Elektronikschrott herausholen.

Die Hersteller mauern

Auch die Hersteller mauern: Pläne von Elektronikbauteilen, aus denen hervorgeht, welche Materialien wo und in welcher Menge vorkommen, sind bislang nicht verfügbar. So können die Recycler derzeit nur sehr begrenzt herausfinden, welche Bauteile besonders wichtig für das Recycling der einzelnen Rohstoffe sind. Auf der Wunschliste der Zerlegebetriebe steht auch eine Maschine, die – analog zur Lötmaschine – Leiterplatten entlötet. Auf diese Weise könnten deren Bauteile viel zielgenauer verwertet werden.

„Unser Ziel ist, statt bisher 60 Prozent 95 oder gar 98 Prozent einer Leiterplatte zu recyceln“, sagt Armin Kienle. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Doch Kienle ist optimistisch: „Die Märkte werden sich immer stärker bewusst, dass sie mehr für die Kreislaufwirtschaft tun müssen.“