Statt einkaufen, auf der Couch zu liegen oder Sport zu machen, kann man sich am Samstag, 27. November, auch gegen Corona impfen lassen. Beim Impfaktionstag gibt es zig Möglichkeiten, und die Impfbereitschaft zieht wieder an.

Stuttgart - So richtig geht das Impfen gegen Corona nicht voran. Beziehungsweise: Einen Termin für eine Booster-Impfung zu bekommen, ist in der Region Stuttgart und in Baden-Württemberg schon wieder zur Glücksache geworden. Und zugleich zweifeln nach wie vor viele Menschen daran, sich überhaupt impfen zu lassen. Aus diesem Grund soll die Impfkampagne am Samstag, 27. November, noch einmal einen kräftigen Schub erhalten. Dann laden viele der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unter dem Motto „Wir impfen für Ihr Leben gern“ zu einem zentralen Impftag. Auch in der Region Stuttgart beteiligen sich zahlreiche Praxen an dem Projekt. Doch gibt es überhaupt noch Chancen, einen Termin zu ergattern? Und welcher Stoff wird gespritzt? Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen. 

 

Wo wird geimpft?

Wie viele der 13 500 Praxen im Land sich beteiligen, kann die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nicht sagen. Es gebe keine Anmeldepflicht. Theoretisch gibt es zig Optionen, wie und wo Ärzte am Samstag impfen. Manche Praxen nutzen den Impftag ausschließlich für ihre eigenen Patienten. Andere öffnen ihre Praxen für alle Impfwilligen. Und dann gibt es noch diverse Aktionen, bei denen Ärztinnen und Ärzte mit Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz oder der Feuerwehr zusammenarbeiten und außerhalb der Praxen zum Impfen einladen.  

Wie sieht es bei den Hausärzten aus?

So bitter es ist: Wer bis jetzt keinen Termin bekommen hat, wird vermutlich Schwierigkeiten haben, bei seinem Hausarzt am Samstag spontan noch eine Impfung zu erhalten. „Längst ausgebucht“ sind beispielsweise die etwas mehr als 100 Dosen, die Adalbert Stadtmüller in seiner Praxis in Magstadt (Kreis Böblingen) am Samstag verimpft. „Die Hütte brennt“, sagt der Allgemeinmediziner. Und auch die 300 Impftermine am Samstag in der Corona-Schwerpunktpraxis von David Strodtbeck (Marbach am Neckar) waren innerhalb von zwei Stunden vergriffen, nachdem sein Team diese online gestellt hatte.

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Wo kann man sich informieren?

Alle Haus-, Kinder- und Facharztpraxen, die beim Aktionstag nicht nur eigene Patienten impfen, haben ihre Aktionen auf dem Portal des Landes unter www.dranbleiben-bw.de eingetragen. 

Gibt es überhaupt genügend Impfstoff?

Für den Aktionstag reicht der Impfstoff, weil die Praxen diesen bereits in der vergangenen Woche bestellt haben, sagt Kai Sonntag von der KV. Deshalb fallen diese Bestellungen auch noch nicht unter die von Gesundheitsminister Jens Spahn verfügte Kürzung des Biontech-Kontingents. 

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Wird Biontech oder Moderna geimpft?

Die Kassenärztliche Vereinigung hat alle teilnehmenden Ärzte aufgefordert, Menschen, die älter als 30 Jahre sind, am Samstag mit dem Impfstoff von Moderna zu versorgen. „Bekanntlich soll Moderna nicht an Menschen unter 30 verimpft werden“, erklärt der KV-Sprecher. Die für die Impfaktion georderten Biontech-Dosen sollen deshalb dann in den kommenden Wochen für jene Personen eingesetzt werden, die auf Biontech angewiesen sind. Der Appell der KV ist nicht bindend: Letztlich kann jeder Arzt selber entscheiden, wie er den zur Verfügung stehenden Impfstoff einsetzen will. Einen Impfstoffmangel werde es, so betont Kai Sonntag, ohnehin nicht geben: „Gegebenenfalls tauschen die Praxen Impfstoff auch untereinander oder helfen sich gegenseitig aus.“ Der Magstadter Hausarzt Adalbert Stadtmüller wird am Samstag mehr als 90 Prozent Dosen von Biontech spritzen, weniger als 10 Prozent von Moderna, sagt er.

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Wie geht es nach Samstag weiter?

Für zumindest unglücklich halten die Hausärzte die neue Ansage, dass vorerst weniger Biontech verfügbar sein soll und nur noch Menschen unter 30 Jahren diesen Stoff erhalten sollen. So wurde ihnen am Montagabend von der KV mitgeteilt, dass sie künftig 42 Dosen Biontech pro Woche erhalten, ursprünglich waren sogar nur 30 Dosen angekündigt gewesen. Damit kommen jene Ärzte, die pro Woche mehrere Hundert Impfungen verabreichen, nicht weit. Und es ist fraglich, ob sich alle auf eine Moderna-Impfung einlassen.

Für die Hausärzte bedeutet dies Stress pur. So erklärt der Marbacher Arzt David Strodtbeck, dass er nun alle Menschen unter 30 anrufen müsse, denen er einen Termin gegeben habe, und ihnen erklären, dass er nicht genügend Biontech-Impfstoff habe. Und mit den Menschen über 30 müsse er nun vor Ort diskutieren, warum er ihnen Moderna spritze – dafür fehle ihm aber schlicht die Zeit. „Wir impfen im Zwei-Minuten-Takt, da ist keine Raum für Gespräche. Jens Spahn hat sich das leichter vorgestellt, als es ist“, sagt er vorsichtig.

Adalbert Stadtmüller bezeichnet Spahn sogar als „völlig irre“ und die momentane Impfsituation als „totales Chaos“. Er hätte sich gewünscht, dass man die Booster-Impfungen priorisiere – also zunächst die Älteren impfe sowie Menschen mit Vorerkrankungen und Beschäftigte im medizinischen Bereich, danach schrittweise Jüngere. Stadtmüller beklagt sich aber auch über die Kommunikation der KV: „Wir Ärzte erhalten zurzeit stündlich neue Mitteilungen, ich komme nicht mehr hinterher, das alles zu lesen.“ 

Ist die Impfbereitschaft gestiegen?

Das ist durchaus eine bedenkliche Entwicklung. Zwar explodiert die Nachfrage nach Impfungen im Land: Hatten sich in der Woche vor den Herbstferien noch 100 000 Menschen gegen das Corona-Virus impfen lassen, waren es in den vergangenen sieben Tagen 230 000 Menschen. Allerdings ist diese gewaltige Steigerung nicht darauf zurückzuführen, dass sich deutlich mehr Impfskeptiker für eine Erstimpfung entschieden hätten. Vielmehr ist dort nur ein moderater Anstieg festzustellen. Allerdings setzt die KV darauf, dass zumindest der Anteil an Jugendlichen von 12 bis 18 Jahren, die sich nun nach der Stiko-Empfehlung impfen lassen können, in naher Zukunft deutlich steigt. Vor allem sind es aber die Booster-Impfungen, die auf riesiges Interesse stoßen. 

Planen die Ärzte weitere Impfaktionen?

Adalbert Stadtmüller wird in seiner Praxis in Magstadt über den 27. November hinaus nun jeden Samstag impfen. Allerdings sind auch diese Termine bis einschließlich 15. Januar bereits ausgebucht. David Strodtbeck kann das bisherige Tempo von 300 Impfungen unter der Woche und 300 weiteren an Samstagen nicht dauerhaft aufrecht erhalten, kündigt er an. Zurzeit verabreicht nicht nur er Spritzen, sondern auch seine Frau, die eigentlich Augenärztin ist, sowie vier Angestellte. „Das bedeutet eine Sechs-Tage-Woche für uns alle“. Dazu komme, dass sein Team an drei Abenden unter der Woche Impfungen verabreiche – meist von 18 bis 20 Uhr. „Das ist schon sehr anstrengend gerade.“ 

Was meint der Sozialminister?

„Der Impfaktionstag kommt zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Sozialminister Manfred Lucha. „Einen solchen Impfaktionstag brauchen wir jetzt aber regelmäßig bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.“

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