In Garmisch-Partenkirchen hat eine junge Amerikanerin bei einer Kneipentour viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Diese sogenannten Superspreader sind bei der Verbreitung des Erregers offenbar besonders effektiv.

Garmisch-Partenkirchen - Die Gesundheitsbehörden in Garmisch-Partenkirchen sind derzeit vollauf damit beschäftigt, die Kontakte einer infizierten 26-Jährigen zu überprüfen. Offenbar hat die Frau als Superspreader zahlreiche weitere Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.

 

Wie ist die aktuelle Lage?

In Garmisch-Partenkirchen liegen die Sieben-Tage-Fallzahlen mittlerweile über der kritischen Marke von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner. Und die Behörden erwarten, dass die Zahlen weiter steigen. Ein Hauptgrund dafür ist wohl eine 26 Jahre alte US-Amerikanerin, die in Garmisch-Partenkirchen lebt und in einem Hotel für US-Streitkräfte arbeitet. Nach einem Griechenlandurlaub ließ sie sich wegen Corona-Symptomen – darunter Halsweh – testen. Bis das Testergebnis feststand, hat sie sich allerdings nicht an die Aufforderung gehalten, in Quarantäne zu bleiben. Vielmehr suchte sie offenbar einen Pub und eine Cocktailbar auf, bevor sie ihr positives Ergebnis erhielt. Nun werden mögliche Kontaktpersonen gesucht und hunderte von Rachen- und Nasenabstrichen gemacht, um eventuelle Infektionen zu erkennen. Mittlerweile stoßen die örtlichen Testkapazitäten an ihre Grenzen. Gegen die Amerikanerin ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft München II. Dabei gehe es um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Mayer am Montag. „Was im Raum steht, ist ein mögliche Verletzung der Quarantänevorschriften.“

Was bedeutet das für die Gemeinde?

Angenommen wird, dass die junge Frau mehrere Dutzend Menschen infiziert hat – allein mindestens zwei Dutzend in dem Hotel, in dem sie arbeitet. Das Landratsamt hat bereits erste Maßnahmen ergriffen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. So müssen zum Beispiel alle Gaststätten um 22 Uhr schließen. Nur noch maximal fünf Personen dürfen sich im öffentlichen Raum gemeinsam treffen, was auch für alle Gastronomiebetriebe gilt.

Wie reagiert die Politik?

Sowohl der örtliche Landrat Anton Speer als auch der bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder äußerten sich sehr verärgert über das nach ihrer Ansicht verantwortungslose Verhalten der Frau. Söder bezeichnete die Kneipentour der Amerikanerin als „Musterfall für Unvernunft“. Er sage „immer wieder, wir müssen die Vernünftigen vor den Unvernünftigen schützen“. Bei der Frau gehe es nun möglicherweise um „ein sehr hohes Bußgeld“ als Strafe.

Was ist ein Superspreader?

Wer hustet und niest, kann leicht seine Viren auf andere Personen übertragen. Es gibt aber auch Menschen, die ihre Krankheitserreger wesentlich effektiver als andere Kranke an ihre Mitmenschen weitergeben. In der Fachsprache heißen generell Menschen, die mit ihrer Erkrankung besonders viele Personen anstecken, Superspreader. Wie man zu einem Superverteiler wird, ist nicht ganz klar. Womöglich ist bei solchen Menschen die Viruslast besonders hoch. Ganz sicher aber spielt das persönliche Verhalten eine sehr wichtige Rolle: Wenn jemand gerne enge Kontakte pflegt – sei es beruflich oder in der Freizeit –, begünstigt dies eine Verbreitung des Virus enorm. Allgemein tragen Superspreader besonders stark dazu bei, dass sich Infektionskrankheiten wie Röteln oder Masern ausbreiten. Traurige Berühmtheit erreichte ein solcher Superverteiler beim ersten Sars-Ausbruch 2003. Ein infizierter chinesischer Lungenarzt hatte sich bei einem Patienten in Guangzhou infiziert und reiste trotz offensichtlicher Erkrankung zu einer Familienfeier nach Hong Kong. Dort übernachtete er in einem Hotel, wo er mindestens zehn weitere Menschen ansteckte. Einige von ihnen trugen dann das Virus in verschiedene Teile der Welt. Der Arzt selbst starb in Hong Kong.

Welche Rolle spielen Superspreader?

Auch für die Verbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 scheinen Superverteiler besonders wichtig zu sein. Beispiele sind lokale Infektionsereignisse wie etwa Familienfeiern, Gottesdienste oder Chorproben. Auch bei punktuellen Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen, in Altenheimen, in Sammelunterkünften, in Bars sowie Gaststätten und Hotelbetrieben wie im Skisportort Ischgl oder jetzt in Garmisch-Partenkirchen dürften Superspreader den größten Beitrag zu Masseninfektionen liefern.

Wann treten solche Ereignisse auf?

Wissenschaftler vom Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrum in Seattle im US-Bundesstaat Washington haben herausgefunden, dass solche Superausbreitungsereignisse, bei denen ein Infizierter mehr als zehn andere ansteckt, dann auftreten, wenn die infizierte Person kurzzeitig sehr viele Viren ausscheidet und in dieser Zeit Kontakt zu vielen Menschen hat. Die Studie hat auch ergeben, dass bei Corona die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses höher ist als bei Influenza. Dafür ist nach Ansicht der Forscher die Art der Übertragung verantwortlich – etwa, dass das Coronavirus wohl leichter durch Aerosole übertragen wird. Auch andere US-Forscher in Florida weisen auf die mögliche Bedeutung der Aerosole hin.

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen die Quarantänebestimmungen?

In Bayern kann bei Verstößen gegen Quarantäne-Auflagen ein Bußgeld von 2000 Euro verhängt werden. Nun wird diskutiert, ob die Strafen verschärft werden sollen.

„Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn ein Weihnachtsmarkt in Vaihingen sich als ein Corona-Superspread entpuppen würde!“ Lesen Sie hier, welche Überlegungen es in den Stuttgarter Vereinen zu Veranstaltungen in Corona-Zeiten gibt.