Immer mehr Spiele im Amateursportbereich fallen aus. Die Verunsicherung, speziell bei den Fußball- und Handballvereinen, ist groß. Sie wünschen sich klare Regelungen von Verbandsseite.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Die Handballmannschaft des TSV Köngen ist ein ziemlich heterogener Haufen. Studenten und Spieler aus verschiedenen Berufssparten gehen im Verbandsliga-Team – durchaus leistungsorientiert – ihrem Hobby nach. Vor dem vergangenen Derby gegen TEAM Esslingen kamen diverse Spieler auf Trainer Simon Hablizel zu – mit der klaren Ansage, nicht spielen zu wollen. Da war der Lehrer, in dessen Schule sich schon mehrere Kollegen in Quarantäne befinden, und der nicht auch noch dazukommen will. Es meldete sich der Geschäftsführer einer Firma mit Dutzenden von Mitarbeitern, der diesen immer wieder einen sensiblen Umgang mit Corona nahelegt. Dann gab es den Spieler, der kein Risiko eingehen möchte, weil seine Eltern selbstständig sind. Und einer der TSV-Handballer sah im Zusammenhang mit der sozialen Verantwortung einfach keinen Nutzen, ohne Zuschauer Handball zu spielen, während in der Gesellschaft Masken getragen werden und Schulen geschlossen werden müssen. „Als dann auch noch drei weitere meiner Spieler auf diesen Zug aufgesprungen sind, fehlten mir plötzlich sieben Spieler“, berichtet Coach Hablizel.

 

Unsicherheit bei den Vereinen

Ein Kreisläufer aus der fünf Klassen tieferen Kreisliga B half aus. Er gab alles, aber statt der eingeplanten zwei Punkte setzte es ein 26:29. Für solche Fälle hat der Handballverband Württemberg (HVW) in Corona-Zeiten die Möglichkeit geschaffen, einen Antrag auf Spielabsetzung zu stellen. Das Problem: Der Verband entscheidet, ob dem Antrag stattgegeben wird, und wenn ja, ob das Spiel dann mit 0:2 verloren geht oder neu angesetzt wird. Genau diese Unsicherheit hat den TSV Köngen nun veranlasst, den fest geplanten Antrag auf Absetzung für das Spiel an diesem Samstag beim SC Vöhringen wieder zurückzuziehen.

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Trainer Hablizel fordert deshalb ein Umdenken beim Verband, er fühlt sich wie viele Vereine alleingelassen: „Der Verband sollte mehr Verantwortung übernehmen, klare Kante zeigen, damit wir Spiele absetzen können, ohne Angst haben zu müssen, das Spiel am grünen Tisch zu verlieren.“ Verbandsmanager Thomas Dieterich kann die Argumentation der Vereine verstehen, doch er sagt auch: „Wir müssen weiter jeden Verein einzeln betrachten.“ Es wird genau hingeschaut, wie die anderen Teams im selben Club mit dem Corona-Risiko umgehen. Wenn etwa das Frauenteam oder die Jugendmannschaften antreten und die Männer nicht, wird dies kritisch beäugt. Außerdem sieht der Verband die Gefahr von Trittbrettfahrern, die die Pandemie nutzen, um ein Spiel abzusetzen, weil zwei, drei Leistungsträger aktuell noch drei Wochen ausfallen.

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Beim SC Vöhringen jedenfalls haben die Gastgeber kein Problem, dass der TSV Köngen antritt – obwohl dieser aus einer Hotspot-Region anreist. Das Hygienekonzept steht, 136 zugelassene Dauerkarteninhaber wollen kommen. Ligarivale TV Gerhausen wird dagegen zum für diesen Samstag geplanten Verbandsliga-Spiel beim TEAM Esslingen nicht antreten. „Wenn sich im Nachhinein nur ein positiver Corona-Fall aus diesem Spiel ergibt, müssen alle Beteiligten in Quarantäne. Das machen Spieler von uns, die selbstständig sind oder in Rehazentren arbeiten, nicht mit“, sagt Gerhausens Sportlicher Leiter Tobias Lang. Sein Vorschlag: „Die Saison beenden und – damit der Handball am Leben bleibt und die Kinder nicht dem Sport davonrennen – nur Freundschaftsspiele im näheren Umkreis absolvieren.“ Ohne Zuschauereinnahmen sei es ohnehin schwierig zu überleben. Allein die Kosten für die Schiedsrichter können sich pro Spiel auf bis zu 200 Euro belaufen.

Braucht es derzeit Amateursport?

Auch Hans Böhm sieht die Gesamtlage kritisch: „Die Spieler dürfen sich vor dem Spiel nicht die Hand geben und gehen dann 60 Minuten lang in Zweikämpfe. Das passt doch nicht zusammen.“ Der Ex-Bundesliga-Spieler ist Sportlicher Leiter beim Baden-Württemberg-Oberligisten SG H2Ku Herrenberg und findet: „Es braucht derzeit keinen Amateursport. Zumal die Wahrscheinlichkeit, dass die Saison zu Ende gespielt wird, eh nicht sonderlich hoch ist.“ Und dann gibt es da auch noch den Firmenchef Hans Böhm, der seine 300 Mitarbeiter zwar nicht reglementiert, Sport im Verein zu treiben, trotzdem gibt er ihnen mit auf den Weg, „kein unnötiges Risiko einzugehen“.

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Ein heikles Thema. Auch im Fußball, wo die Spielausfälle von der Kreisliga B aufwärts nicht weniger werden. Zuletzt betroffen war Oberligist FSV 08 Bissingen. Wegen eines positiven Corona-Befundes einer dem Team nahestehenden Person wurde das WFV-Pokalspiel am Mittwoch in Reutlingen abgesagt. „Wir schauen uns die Corona-Meldungen der Vereine an, prüfen alles verantwortungsvoll und entscheiden dann, ob ein Spiel abgesetzt wird“, sagt WFV-Geschäftsführer Frank Thumm und ergänzt: „Wir sind nicht zu großzügig. Wenn nur ein, zwei Spieler in Quarantäne sind, wird die Partie nicht gleich abgesetzt.“ Im Fall von Bissingen sind es mehrere, weshalb auch das Spiel am Samstag in Backnang wohl ausfallen wird.