Die Experten im Zentrallabor des Klinikverbunds Südwest sind nicht nur in Corona-Zeiten im Dauer-Einsatz. Doch die Pandemie beschert den Ärzten und medizinischen Analysten jede Menge zusätzliche Arbeit, auch wenn die Corona-Stationen leer sind.

Sindelfingen - Sie arbeiten im Unsichtbaren und sind doch in jedem Krankenhaus unverzichtbar: die Experten der klinischen Labore. „Praktisch jeder Patient, der bei uns stationär oder ambulant behandelt wird, hat mit uns zu tun“, sagt Elke Schernikau. Sie ist die Leitende Oberärztin im Zentrallabor des Klinikverbunds Südwest. „Und 70 Prozent der Diagnosefindungen und der Entscheidungen in der Behandlung von Patienten beruhen, teilweise sogar ausschließlich, auf unseren Laborergebnissen.“

 

Ob Hepatitis oder Herpes, Grippe- oder Coronaviren, Streptokokken oder Meningokokken – alle Viren und Bakterien, die bei Menschen Krankheiten auslösen können, werden in diesem Labor analysiert. Das Zentrallabor befindet sich im Untergeschoss der Sindelfinger Klinik. Der Zutritt ist Unbefugten verboten. Und jeder muss durch eine Schleuse. Dort ist das Überziehen eines sterilen Kittels Pflicht, Mundschutz und Handschuhe sind selbstverständlich für die Mitarbeiter, und zwar Tag für Tag, während der kompletten Arbeitszeit.

50 Mitarbeiter hat das Labor, davon 30 am Standort in Sindelfingen, die anderen an den Außenstellen in den Kliniken Böblingen, Herrenberg, Leonberg, Calw und Nagold. „Dort werden kleinere Sachen gemacht, etwa Blutbilder erstellt“, erklärt Elke Schernikau. „Alles andere läuft zentral bei uns.“

20 Millionen Analysen im Jahr

Vier- bis fünfmal am Tag bringen Kuriere aus jedem der angeschlossenen Häuser des Verbunds Proben nach Sindelfingen. 3000 Röhrchen mit Blut, Urin oder Speichel treffen pro Tag ein, 5000 Tests, werden gemacht, 5,5 Millionen im Jahr. Auf 600 verschiedene Kriterien kann das Labor testen: zum Beispiel auch Drogen-Screenings durchführen, Herzinfarkte nachweisen, nach Tumormarkern suchen oder Hormonanalysen erstellen. „Da häufig aus einer Probe mehrere Werte erhoben werden, machen wir hier fast 20 Millionen Analysen pro Jahr“, sagt Thilo Rünz, der Chefarzt für Labororatoriums- und Transfusionsmedizin, Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

Das funktioniert nur, weil ein Großteil der Arbeit maschinell erfolgt. Die Teströhrchen werden von den Mitarbeitern in die vollautomatische Laborstraße eingestellt. An drei verschiedenen Strängen werden die unterschiedlichsten Analysen gemacht. Damit es zu keiner Verwechslung kommt, erhält jedes Röhrchen bei der Abnahme der Probe einen Barcode mit Informationen zum Patienten und der gewünschten Analyse.

Doch trotz der digitalen Technik – ohne menschliche Mitarbeiter geht es nicht. 365 Tage im Jahr ist das Labor besetzt, 24 Stunden am Tag. Wenn nachts ein Schwerverletzter gebracht wird, der dringend Blut braucht, ist eine Mitarbeiterin vor Ort, die das Blut des Patienten mit der passenden Blutprobe abgleicht. „Das muss schnell gehen“, sagt Annika Bräuner. Sie ist die Chefin des Teams der Medizinisch-Technischen Laboratoriums-Assistenten, kurz MTLA. Eine Berufsbezeichnung, die sie ablehnt. „In anderen Ländern heißt das Biomedizinischer Analyst. Genau das ist es, was wir tun.“

Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb

Die Verantwortung, die diese Analysten tragen, ist hoch. In der Nachtschicht arbeitet eine ganz allein, ist verantwortlich für die schnelle Analyse bei Notfallpatienten. Im Dreischicht-Betrieb wird gearbeitet. Auch die fünf Ärzte des Labors sind rund um die Uhr gefordert. Immer einer hat Rufbereitschaft. Häufig wird Elke Schernikau mitten in der Nacht vom Labordienst geweckt. Dann schaltet sie sich ins System ein, schaut sich die Ergebnisse einer Analyse ein und gibt dem behandelnden Arzt eine Empfehlung für die Therapie. „Das ist zum Beispiel wichtig bei der Behandlung mit Antibiotika“, erklärt die Fachärztin für Laboratoriumsmedizin. „Wir können durch Tests herausfinden, welches Medikament bei welchem Patienten am besten anschlägt.“

Zusätzlich zu diesen Aufgaben sind die Mitarbeiter seit März an der Corona-Front im Dauereinsatz. 250 bis 320 Abstriche analysieren sie aktuell pro Tag. Das sind zwar nur fünf Prozent aller eingereichten Proben, trotzdem erfordere das täglich einen zusätzlichen Mitarbeiter, sagt der Chefarzt Thilo Rünz. Denn die Corona-Tests laufen nicht in der vollautomatischen Laborstraße, sondern werden von einer Mitarbeiterin in einem eigenen abgeschlossenen Raum manuell vorbereitet, bevor sie in verschiedenen Geräten diverse Analyseverfahren durchlaufen.

Hoffnung auf Corona-Schnelltests

Und anders als Ärzte und Pfleger auf den Stationen, die gerade kaum Corona-Patienten haben, sind die Labore des Virus wegen weiter unter Druck. „Wir machen mehr Tests als in der Hochphase“, sagt Schernikau – obwohl die Klinik nur ihre Patienten und Mitarbeiter testet. Die Laborchefin hofft, dass es bald sichere Schnelltests gibt. Gerade dauert eine Analyse noch mehrere Stunden. Täglich um 21.30 Uhr gibt der diensthabende Arzt die letzten Testergebnisse an die Abteilungen durch. „Ich kenne kein anderes Labor, das so schnell sogar am Wochenende Ergebnisse weitergibt“, sagt Schernikau.

Modernste Technik lohnt sich

Wirtschaftlichkeit
Vor etwa zehn Jahren hat der Klinikverbund Südwest das Zentrallabor für alle Häuser eingerichtet. Der Hintergrund dafür: Auch die Labore müssen wirtschaftlich arbeiten und Ressourcen zusammenlegen. Nur deswegen könne sich der Klinikverbund auch effiziente Techniken wie die Laborstraße leisten, sagt Martin Loydl, der Geschäftsführer des Verbunds. Besonders stolz ist das Laborteam auf den Maldi-Tof, ein innovatives Massenspektrometer, mit dem Bakterien in kurzer Zeit bestimmt werden können.

Corona-Situation
Auch für den Träger des Klinikverbunds Südwest, die Kreise Böblingen und Calw, ist die Wirtschaftlichkeit des Labors wichtig. „Wir sind gerade in der aktuellen Corona-Situation froh, dass wir alle Analysen im eigenen Haus durchführen können und wir nicht von externen Laboren abhängig sind“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard, der Chef des Aufsichtsrats ist. Zusätzlich gibt es im Kreis ambulante Corona-Teststellen, zum Beispiel für Reiserückkehrer.

Klinikverbund Südwest
In den sechs Häusern des Verbunds werden pro Jahr 75 000 Patienten stationär und 300 000 Menschen ambulant behandelt.