Landrat Roland Bernhard will mehr Tests, mehr Intensivbetten in den Kliniken, mehr Atemgeräte und mehr Schutzkleidung organisieren.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Kreis Böblingen - Der Landrat denkt voraus. Er sei noch voll im Krisenmodus, versichert Roland Bernhard, aber er mache sich auch Gedanken, wie es im Herbst, „am Tag danach“ weitergehe. „Kein Stein bleibt auf den anderen“, davon ist Roland Bernhard überzeugt, „es wird ein grundlegender Wandel sein.“

 

Aber im Moment ist er damit beschäftigt, die Gegenwart zu bewältigen: Am Mittwoch, 25. März, waren im Kreis Böblingen mehr als 350 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, drei sind bisher daran gestorben. Zur Bekämpfung der Krankheit will der Landrat in allen Bereichen die Kapazitäten erhöhen.

Wie schnell die Entwicklung ist, verdeutlichen weitere Zahlen: In den Intensivstationen der Krankenhäuser werden i 51 an Covid-19 erkrankte Patienten behandelt: 25 Prozent mehr als noch am Tag davor. Die Zahl der Beatmungsfälle ist von neun auf 14 Personen gestiegen. Derzeit verfügt der Kreis über 74 mit allen notwendigen Maschinen ausgestattete Intensivpflegeplätze, das Personal reicht momentan jedoch für höchstens 64 Patienten aus. Deshalb hat der Klinikverbund Südwest am Dienstag einen Aufruf gestartet, um mehr Mediziner und Pflegekräfte etwa aus dem Ruhestand zu aktivieren.

Lesen Sie hier: Alle News zur Corona-Pandemie

Die Zahl der Betten für Corona-Patienten soll in einem weiteren Schritt auf 100 und schließlich auf 150 erhöht werden. Entscheidend sei, dafür die Beatmungsgeräte zu organisieren, sagt Roland Bernhard. Da die Lieferfristen momentan bis zu drei Monate betragen, sollen vorhandene Maschinen aus anderen Praxen im Kreis in den Krankenhäusern gebündelt werden. „Die Beatmungskapazität ist ein Nadelöhr.“ Parallel dazu arbeitet das Landratsamt an einem Überlaufkonzept: Falls es in den Krankenhäusern keinen Platz mehr gibt, wird in geeigneten Immobilien ein Lazarett eingerichtet.

Noch kein Aufatmen

Am Mittwoch hat der Landrat außerdem eine Eilentscheidung getroffen und für den Landkreis 50 000 Schutzkleidung-Sets im Wert von einer Million Euro bestellen lassen, statt nur auf Zuteilungen vom Bundesgesundheitsministerium zu warten. „Wir können erst aufatmen, wenn die Paletten auf unserem Hof stehen“, betont er allerdings.

Erhöht werden soll auch die Zahl der Tests. Aktuell können in den beiden Zentren in Herrenberg und Sindelfingen täglich 300 Abstriche genommen werden, geplant sind 500. „Das ist sehr ehrgeizig“, räumt Roland Bernhard ein. Dazu sei die Hilfe der niedergelassenen Ärzte notwendig. In den vergangenen drei Wochen sind im Kreis Böblingen bisher mehr als 2750 Menschen auf das Virus getestet worden. „Das absolut Wichtigste ist, die Zahl der Infizierten und der Toten möglichst gering zu halten“, erläutert der Landrat die Strategie. Die Kapazitätsgrenze erreicht hat die Corona-Hotline des Landkreises unter 0 70 31/6 63 35 00. Die zwölf Mitarbeiter könnten täglich 600 Anrufer abarbeiten, doch doppelt so viele würden sich melden, berichtet Bernhard. Immerhin geht der Ansturm zurück, am vergangenen Montag hatten noch 3000 Menschen die Nummer gewählt.

Italienische Verhältnisse?

Wie sich die Infektionsrate im Kreis entwickeln wird, wagt der Landrat nicht zu prognostizieren. „Ich glaube nicht, dass wir italienische Verhältnisse bekommen“, sagt er. Die Zahlen würden nicht exponentiell steigen, dass die Kurve flacher ausfällt, hält er für möglich.

Die Bevölkerung verhalte sich diszipliniert und solidarisch, findet Roland Bernhard. An der ein oder anderen Stelle müsse möglicherweise noch nachjustiert werden. Er kritisiert jedoch die Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem und das wirtschaftliche Vorgehen in den Krankenhäusern. „Was in Straßburg passiert, muss uns wachrütteln“, findet der Böblinger Landrat: Im Elsass gibt es mittlerweile mehr Patienten als Betten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser.

So läuft die Vorbereitung in den Krankenhäusern

Um die Zahl der Intensivbetten im Klinikverbund Südwest aufstocken zu können, seien die Krankenhäuser „massivst geleert“ worden, berichtet Christoph Rieß. Verschiebbare Operationen seien verschoben worden, nennt der Regionaldirektor der Krankenhäuser Leonberg und Herrenberg als Beispiel. Der Ausbau der Intensivstationen sei „ein gigantischer Kraftakt“ und die größte Herausforderung dabei, das Personal zu akquirieren. „Wir erfahren eine riesige Solidarität, es ist beeindruckend, wie alle zusammenarbeiten“, berichtet er jedoch vom Krankenhausalltag. Momentan werde die Zeit für Schulungen genutzt und dafür, Dienstpläne für die Vollbelegung zu erstellen. Um die anstehende Ausnahmesituation bewältigen zu können, werden für das Personal Psychologen zur Krisenintervention eingesetzt.

Laut Christoph Rieß haben sich auch Mitarbeiter des Klinikverbunds Südwest mit dem Coronavirus angesteckt. Es handle sich aber um Einzelfälle, sagt er. Die Betroffenen hätten sich außerhalb des klinischen Umfelds infiziert.