Ein Wochenende zum Haareraufen, sagen nicht nur Sportvereine und Gastronomie nach gleich mehreren Nachjustierungen an kurzfristig geänderten Coronaregeln.

Weinstadt/Fellbach - An den nackten Pandemiezahlen hat sich am Wochenende leider nicht viel geändert. An den Bestimmungen allerdings letztlich ebenfalls nicht – obwohl es am Freitagabend zunächst fast danach ausgesehen hatte.

 

Mit einer Sieben-Tage -Inzidenz von 557 liegt der Rems-Murr-Kreis in der Region Stuttgart weiter mit an der Spitze, nur im Kreis Göppingen lag diese Kennzahl am Montag noch etwas höher. Die Landeshauptstadt – das ist ein Novum – weist mit 362 praktisch gleichauf mit Tübingen die geringste Zahl an Neuansteckungen je 100 000 Einwohner binnen der vergangenen Woche auf. Den negativen Rekord hält mit 1030,2 der Schwarzwald-Baar-Kreis. Schockwellen verbreitet und massive Verunsicherung erzeugt haben derweil die extrem kurzfristig verfügten unterschiedlichen Verordnungsänderungen am zweiten Adventswochenende. Die zunächst angekündigte Form der 2-G-plus-Regel hatten am Samstag für lange Warteschlangen und nicht bewältigbaren Andrang an vielen Teststellen geführt. Bevor sie dann am Sonntag wieder guten Teils einkassiert wurden.

Wie lief das Ganze bei den Gastronomiebetrieben ab?

Ganz klar, die Schockwellen laufen am Samstag quasi quer durch den direkten Bekanntenkreis. Von morgens um 5 Uhr sei er am Computer gesessen, sagt der einstige Klassenkamerad, um klar zu bekommen, unter welchen Bedingungen seine Lebensgefährtin am Morgen die Bohne in Endersbach aufmachen kann. Dort ist das Frühstück am Samstagmorgen ein quasi immer ausgebuchtes Highlight – und zwar schon ab 8 Uhr. Und Dank der nächtlichen Regelbotschaften musste quasi an der Tür erklärt werden, ob denn der Impfstatus noch dem aktuellen Stand der Erfordernisse entspricht.

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Sie seien nochmals einigermaßen glimpflich davongekommen, sagt einige Straßen weiter Rössleswirt Fritz Linsenmaier. Aber auch nur, weil in der örtlichen Apotheke noch ausreichend Testkapazitäten vorhanden waren und Wirtin Beate selbst testen kann und für Gäste im Notfall eigene Tests parat hat. Sie hatte vor einiger Zeit extra einen entsprechenden Kurs absolviert. Aber auch das erzeuge natürlich Chaos im Ablauf: „Solange wir draußen mit dem Testen beschäftigt sind, geht es drinnen in der Wirtschaft nicht richtig weiter.“

Andere Kollegen seien da ganz anders betroffen von Absagen und schlichtweg leeren Gasträumen. Die Wirtskollegin im Schnaiter Anker etwa berichtet von 80 Prozent Absagen für den Sonntag. Vor allem ältere Leute, so bestätigt Fritz Linsenmaier, seien komplett verunsichert und blieben im Zweifelsfall – trotz bereits absolvierter Boosterung – lieber zu Hause. Des Rössleswirtes ungeschminkter Kommentar: „Da hat die Politik ganz schön Scheiße gebaut, des kannsch ruhig so schreiba.“

Was sagt der Handel zum Chaos am zweiten Adventswochenende?

In den am Samstagmorgen ebenso kurzfristig von der 2-G-Regelung betroffenen Einzelhandelsläden war kreisweit offenbar das größte Problem, dass am Samstagmorgen ein erklecklicher Anteil der Kundschaft über die neu geltenden Regeln schlicht nicht Bescheid wusste. Die Auswirkungen auf das ohnehin nicht so richtig laufende Vorweihnachtsgeschäft waren im Rems-Murr-Kreis offensichtlich recht unterschiedlich. Einerseits heißt es aus einigen Geschäften, die Kundschaft sei sehr gut mit den neuen Regeln umgegangen. Zum anderen aber wird aus manchen Läden von deutlich reduzierter Kundenzahl, teils sogar von gähnender Leere im Geschäft berichtet.

Von Verbandsseite ist für das zweite Wochenende die Rede von um mindestens 20 Prozent niedrigeren Umsätzen im Vergleich zu 2019. Und eine Ladeninhaberin in Fellbach, die allerdings namentlich nicht genannt werden will, sagt unverblümt: „Wenn das bis Weihnachten so weiter geht, dann kann ich eigentlich gleich ganz zumachen.

Warum hagelt es im Sport plötzlich Spiel- und Wettkampfabsagen?

Auch im lokalen Sport war am Samstag sofort von einem Lockdown durch die Hintertüre die Rede. Mit entsprechender Empörung über Vorgaben, die erst in der Nacht zum Samstag bekannt wurden. „Ich kann nicht verstehen, dass man so etwas am späten Freitagabend entscheidet und es die Vereine dann sofort umsetzen sollen,“ sagte Wolfgang Bürkle, der Abteilungsleiter Handball des TSV Schmiden, am Sonntag spontan im Gespräch mit unseren Sportreportern. Im Handball hat der Verband am späten Freitag kurzfristig wegen der Regeländerungen alle für das Wochenende vorgesehenen Spiele im Amateurbereich abgesagt. Der Fußballverband hat seine Vereine bereits frühzeitig in die Winterpause verabschiedet.

Was sagt di Landespolitik zum selbst verursachten Regelwirrwarr?

Eine erste Reaktion zum neuerlichen Desaster in der Pandemiepolitik des Landes gibt es inzwischen aus dem Gesundheitsministerium. Ein Sprecher sagte am Montag gegenüber dpa: „Ja, das ist nicht optimal gelaufen.“