Hans-Peter Kastner ist Kaufmann, Umweltaktivist – und ein Helfer in der Not. In der Corona-Krise will er die Versorgung der Menschen und das Überleben seines Getränkemarktes sichern. Dazu hat er sich wieder einiges einfallen lassen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Hans-Peter Kastner hat seinen Optimismus nicht verloren. Seine Familie sei gesund, und das sei schließlich das Wichtigste. „Wir können es uns auch gar nicht leisten, krank zu werden. Wir sind ein kleiner Betrieb“, fügt er hinzu. Im vergangenen Sommer kam dieser freilich ganz groß raus. Denn der Inhaber des Getränkemarktes im Wohngebiet Unterer Grund in Stuttgart-Vaihingen hatte beschlossen, künftig komplett auf Plastik-Einwegflaschen zu verzichten. Dieser Schritt machte ihn deutschlandweit bekannt als Umweltaktivisten.

 

In Zeiten der Corona-Krise geht es Kastner darum, sein Geschäft am Leben und die Versorgung der Menschen aufrecht zu erhalten. Ein Produkt ist dabei derzeit besonders wichtig: Klopapier. In der vergangenen Woche sei im ganzen Stadtteil keines mehr zu bekommen gewesen, berichtet Kastner. Einige Kunden – vor allem Ältere – hätten mit Tränen in den Augen bei ihm im Markt gestanden und nach Toilettenpapier gefragt. „Ich wollte ihnen helfen“, sagt Kastner.

Getränkehändler ordert 1280 Rollen Klopapier im Internet

Darum habe er am Wochenende zusammen mit seiner Frau im Internet recherchiert und bei einem Onlineanbieter 1280 Rollen bestellt. Die Hälfte wollte er seinen Kunden zum Einkaufspreis verkaufen – ohne selbst daran zu verdienen – die andere Hälfte verschenken. Pro gekauften Getränkekasten sollte der Kunde eine Rolle gratis dazu bekommen – ein Werbegag. Mit diesem habe er die Menschen auch zur Vernunft aufrufen wollen. „Es ist nicht notwendig, Klopapier zu horten. Es ist genug da. Wir haben in Deutschland kein Problem mit der Warenbeschaffung. Das Problem ist das Hamstern“, sagt er.

Doch dann rief ein Mineralwasserhersteller bei ihm an und informierte, dass aktuell zu wenig Leergut zurückgegeben werde. Kastner schwenkte um. Von da an gab es auch pro zurückgegebenem Kasten Leergut eine Rolle Klopapier gratis. „Ich wollte damit auf den Engpass aufmerksam machen“, erklärt er. Sein im Internet bestellter Vorrat war „ratzfatz weg“. Er habe den Eindruck gehabt, dass seine Kunden sich fair verhalten und nur diejenigen Klopapier mitgenommen haben, die wirklich keines mehr hatten.

Kooperation mit Landwirten und kostenloser Lieferservice

Inzwischen denkt Kastner schon wieder weiter. In der Corona-Krise möchte er in seinem Getränkemarkt auch andere wichtige Lebensmittel anbieten. Darum hat er zum Beispiel Kontakt zu Landwirten in der Region aufgenommen. Diese könnten in seinem Laden zum Beispiel Eier und andere Dinge bereitstellen. Das Ziel: „Die Leute sollen nicht wegen jeder Kleinigkeit in den großen Supermarkt müssen und sich unnötig einem höheren Infektionsrisiko aussetzen“, sagt Kastner.

Zudem beliefert er angesichts der Corona-Krise viele seiner Kunden ohne Aufpreis. Dazu zählen Rentner von 65 Jahren an, Menschen in Quarantäne und selbstverständlich diejenigen, die positiv auf das Virus getestet wurden. Arztpraxen und Apotheken im Umkreis bekommen sogar komplett kostenlos Mineralwasser für ihr Team geliefert. „So wollen wir unsere Solidarität zeigen und uns dafür bedanken, dass sie weiterhin für uns da sind“, sagt Kastner.

Auch im Markt selbst tut der Händler viel dafür, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. So dürfen aktuell nur noch fünf Kunden gleichzeitig in den Laden. Wer will, kann den Drive-in-Service nutzen. Dabei müssen die Kunden nicht einmal aus dem Auto steigen. Das Kastner-Team lädt auf der einen Seite des Marktes das Leergut aus dem Kofferraum aus und stellt auf der anderen Seite des Marktes die georderten Getränkekästen hinein. Das funktioniert nahezu ohne persönlichen Kontakt. Zudem öffnet Kastner derzeit auch sonntags, und zwar von 12 bis 16 Uhr. So will er die Kundenströme entzerren.