Andreas Roll stößt mit Tiraden gegen Verantwortliche im Coronavirus-Kampf auf heftige Gegenwehr. Ihm droht sogar ein Parteiausschlussverfahren. Beeindruckt ist er davon aber nicht.

Marbach am Neckar - Der ehemalige Marbacher Grünen-Kreisrat Andreas Roll geht in der Corona-Krise auf Konfrontationskurs. Auf seiner Facebook-Seite spricht er von „medialer Propaganda“ und „pharmahörigen Medien“, die Pandemie werde aufgebauscht. Bei den Grünen erntet Roll mit seinen polemischen Ansichten und Angriffen heftigen Widerspruch.

 

Am Donnerstag warb Roll für den Aufenthalt in der Natur, der sei am schönsten zu fünft oder in noch größeren Gruppen – ungeachtet der Kontaktsperre. Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterstellte er am vergangenen Freitag, sich an einer „faschistoiden Entwicklung“ zu beteiligen, wenn er eine Ausgangssperre verkünde. Zwar entschuldigte er sich tags drauf, am Dienstag legte der 52-Jährige aber nach. Diesmal nahm er Gesundheitsminister Jens Spahn ins Visier. Der faschistoide Doktor Mengele kehre zurück, schreibt Roll auf Facebook: „Diesmal unter dem Pseudonym Jens Spahn.“

Der Partei schweren Schaden zugefügt?

Für dieses Posting erhält Roll Zustimmung, aber vor allem Gegenwind. Die erste Reaktion kommt vom ehemaligen grünen Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Alexander Bonde. Rolls Anwürfe seien „widerlich. Unterhalb von unsäglichen Nazi-Vergleichen scheinst du nicht mehr posten zu können“.

Auch die Vorsitzende des Kreisverbands Ludwigsburg, Swantje Sperling, reagiert auf Facebook: „Die Dinge, die Du verbreitest, halte ich für falsch, gefährlich und durchzogen von einer kruden Gedankenwelt und Verschwörungstheorien. Damit möchte ich nichts zu tun haben! Und ich sage das noch mal ganz deutlich – für mich ist Deine Entwicklung tragisch.“ Dieser Kommentar ist mittlerweile gelöscht. Von Roll, sagt Sperling.

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Swantje Sperling führt seit sechs Jahren den Kreisverband der Grünen – zwei Jahre bildete sie gemeinsam mit Roll das Führungsduo. Die Meinungen, die der Parteikollege seit einiger Zeit via Social Media verbreite, stünden zunehmend im krassen Widerspruch zu grünen Positionen, betont sie. „Wir als Kreisverband distanzieren uns klar von seinen Äußerungen.“ Roll habe in einem Facebook-Beitrag seine Sympathie für andere Parteien wie die ÖDP bekundet, bediene sich immer häufiger „rechter Sprache. Roll bekleidet weder ein Parteiamt noch ein grünes Mandat und bringt sich auch seit längerer Zeit nicht mehr inhaltlich ein. Sofern sich Herr Roll nicht selbst zu einem Austritt entscheidet, prüfen wir weitere Maßnahmen“, kündigt Sperling an. Ein Ausschlussverfahren kann nur der Kreisverband anstrengen.

Sollte sich der Gesundheitsberater und Impfgegner, der von 2014 bis 2019 im Kreistag saß, 2013 erfolglos für den Bundestag kandidierte und 2015 in Oberstenfeld Bürgermeister werden wollte, nicht selbst entschließen, aus der Partei auszutreten, werde man ein Ausschlussverfahren prüfen, so Sperling. Ein Ausschluss ist möglich, wenn ein Mitglied gegen die Satzung der Partei verstoßen und ihr schweren Schaden zugefügt hat.

Roll will kein „Parteisoldat“ sein

Für Andreas Roll ist ein Parteiaustritt „eine irrelevante Frage“. Jede demokratische Partei müsse die Debattenvielfalt fördern und Argumente und Fakten ertragen, die nicht dem Mainstream entsprechen würden. Und was die Kritik am Gesundheitsminister angeht, erklärt Andreas Roll, Jens Spahn habe den Behandlungszwang nach 80 Jahren in Deutschland wieder eingeführt.

Man müsse wachsam bleiben, besonders wenn am 19. April die Frist der Corona-Verordnung des Landes ende und damit die „Aushöhlung der Grundrechte ohne Not“. Die Todesfallzahlen seien, so Roll, in Deutschland „völlig unauffällig, in der Grippesaison 2017/18 gab es 25 000 Todesfälle in Deutschland“. Roll wolle „kein Parteisoldat“ sein. Er grenze sich grundsätzlich von Antidemokraten und Populisten aller Parteien ab.