Alle sprechen von Personalnot in Kliniken – doch auch bei Hausärzten werden Helfer knapp. Arzthelfer sind teils verzweifelt gesucht. Der Job ist für viele nicht mehr attraktiv. Auch wegen Corona.

Karlsruhe - Mit Husten und Fieber unangemeldet zum Hausarzt - in Corona-Zeiten sind solche Patienten für Jutta Napiwotzky ein Alptraum: „Gerade hatten wir wieder Aufregung in der Praxis, weil ein Patient mit Symptomen einfach so reinspaziert ist“, berichtet die Medizinische Fachangestellte (MFA) vom Alltag in ihrer Hausarztpraxis in Mühlacker (Enzkreis). Die aktuelle Gefährdung durch Corona ist nur ein Grund, warum der Beruf der Arzthelferin nicht mehr gefragt ist, weiß Napiwotzky, zugleich Vize-Landesvorsitzende des Verbandes medizinischer Fachberufe. Unzureichende Bezahlung, immer mehr Bürokratie und teils auch aggressive Patienten machen den Beruf unattraktiv. Das wird vor allem für Hausärzte zunehmend zum Problem.

 

„In der letzten Zeit hören wir aus den Praxen, dass es schwer ist, Personal zu finden“, sagt Manfred King, Sprecher des Hausärzteverbands Baden-Württemberg. Er fordert die Politik auf, in der aktuellen Diskussion um bessere Bezahlung nicht nur den stationären Bereich in den Blick zu nehmen. Dass überall nur von der Personalnot der Kliniken gesprochen werde, sei „irritierend“. King betont: „Der ambulante Bereich der niedergelassenen Praxen darf nicht vergessen werden.“ Wenn Hausärzten das Personal fehle, müssten sie ihren Praxisbetrieb auf die vorhandenen Kapazitäten einstellen. Die Folge: Im schlimmsten Fall könnten weniger Patienten versorgt werden.

Etwa die Hälfte ist bei den Hausärzten tätig

„95 Prozent der Corona-Fälle werden von uns niedergelassenen Ärzten abgefangen“, unterstreicht der Stuttgarter Allgemeinmediziner Cornelius Kübler. „Wir sind der Rammbock - wir sind seit Monaten am Anschlag.“ Er fordert dringend Hilfe bei der Suche von medizinischem Personal. Eine Plattform etwa für „Springer“ als Aushilfskräfte wäre aus seiner Sicht ein ganz wichtiges Signal.

In Baden-Württemberg gibt es dem Verband medizinischer Fachberufe zufolge fast 52 000 Medizinische Fachangestellte (MFA), die bei niedergelassenen Ärzten oder in Kliniken arbeiten. Etwa die Hälfte ist demnach bei Hausärzten tätig. „Medizinische Fachangestellte sind der Dreh- und Angelpunkt der Praxis, ob am Empfang, bei der Behandlung oder bei der Verwaltung im Hintergrund. Sie sind unverzichtbar in jeder Praxis“, betont ein Sprecher der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

Doch viele MFA zieht es Krankenhäuser, wo eine bessere Bezahlung lockt. „Der Sog ist groß - sehr viele Kolleginnen gehen in Kliniken oder zu Krankenkassen“, sagt Jutta Napiwotzky. Nach Angaben ihres Verbandes sind bundesweit seit 2012 jährlich mehr als 2000 in den Arztpraxen ausgebildete Medizinische Fachangestellte in Krankenhäuser abgewandert. Zwischen 2012 und 2018 habe sich die Zahl der im stationären Bereich arbeitenden MFA um 34 Prozent erhöht.

Napiwotzky beobachtet das Phänomen schon seit Jahren mit Sorge. Mit der Corona-Epidemie habe sich das Problem aber verschärft. Es gebe immer weniger Anfragen nach einer Ausbildungsstelle zur MFA. „Die Politik sieht noch nicht, dass MFA zum Mangelberuf geworden ist. Hausärzte suchen dringend Personal.“

Zunehmend aggressiv auftretende Patienten

Ein Grund sei die nicht ausreichende Bezahlung: Mit rund 2500 Euro brutto verdiene eine Arzthelferin in Vollzeit bei einem Hausarzt in Baden-Württemberg zwar im Schnitt etwas mehr als Kolleginnen bundesweit. In der Klinik verdiene sie aber „einige Hundert Euro mehr“.

In Corona-Zeiten klagen Angestellte von Praxen auch zunehmend über aggressiv und fordernd auftretende Patienten. Dem Verband medizinischer Fachberufe (VMF) zufolge lassen diese teils ihren Frust - etwa wegen besetzter Telefonleitungen - an den Praxisteams aus.

Mit der Pandemie wächst zudem die Angst, von Patienten angesteckt zu werden. „Wir versuchen uns zu schützen“, sagt Napiwotzky. Doch dabei sind Arzthelferinnen auch auf die Mitarbeit der Patienten angewiesen. Denn wenn medizinische Angestellte nicht gerade in einer Infektionspraxis arbeiten, tragen sie keine vollständige Schutzmontur, sondern nur eine Maske. Das Risiko ist groß, weiß Napiwotzky: „Wir haben nach dem Klinikpersonal den höchsten Krankenstand, weil wir uns bei Patienten anstecken.“