Der Unterschied zwischen Schnitzel mit Pommes und Sterne-Menü ist in Zeiten der Coronavirus-Pandemie keiner mehr. Die Spitzengastronomie blickt ebenso in den Abgrund wie der Landgasthof. Manch Sternekoch füllt die Zeit des erzwungenen Stillstands mit Ideen.

Schwäbisch Hall/Stuttgart - Was hilft ein Michelin-Stern, wenn kein Gast bewirtet werden darf? Die Coronavirus-Pandemie stürzt auch die Spitzengastronomie in existenzielle Nöte. Auch Küchenchef Hans-Harald Reber hat seine Crew von „Rebers Pflug“ in Schwäbisch Hall in Kurzarbeit schicken müssen. Mit den vier Auszubildenden, die aktuell kein Kurzarbeitergeld erhalten, entwickelt der 47-Jährige Ideen und Aktivitäten gegen die Krise. „Wir kochen wieder.“ Das sei auch für das Gefühl wichtig.

 

Mit befreundeten Kollegen in Schwäbisch Hall sei eine Young-Chefs-Genießertüte aufgelegt worden. „Rebers Pflug“ habe Königsberger Klopse mit Rote Beete-Salat beigesteuert. „Frisch gekocht mit den Azubis, mit Herz“. Die 50 Tüten seien sehr schnell ausverkauft gewesen. An den Osterfeiertagen habe er mehr als 300 To-Go-Menüs verkauft, mit Spargel und Rinderfilet. „Das ist erstaunlich und erfreulich, da sieht man mal, was für tolle Stammgäste man hat“, sagt Reber. Allerdings helfe diese Aktion finanziell kaum. „Betriebswirtschaftlich ist das Nonsens“, sagt der Unternehmer, der neben dem Restaurant mit zehn Köchen auch ein Hotel führt. Reber ist aber sicher: „Wir überstehen das“. Er hofft, dass der Betrieb bald wieder anlaufen kann.

Vom Gipfel ins Tal

Anton Gschwendtner ist Küchenchef im Stuttgarter „Olivo“. Der 35-Jährige stand noch Anfang März auf dem kulinarischen Gipfel, der Restaurantführer Michelin stattete ihn und sein Team mit dem zweiten Stern aus. Zwei Wochen später ging nichts mehr. „Der Shutdown von hundert auf null war eine harte Geschichte, ein Schock“, sagt Gschwendtner. Alle Mitarbeiter seien in Kurzarbeit. Ihm gehe es in dieser Krise aber besser als den vielen Selbstständigen, denn das „Olivo“ ist Teil des Steigenberger-Konzerns.

Die Wartezeit, bis es wieder losgehen kann, verbringt Gschwendtner bei seinen Eltern in der Nähe von München. Sie betreiben ein kleines Hotel mit Gaststätte, das natürlich auch geschlossen ist. Jetzt halte er zumindest den Kontakt zu den Lieferanten. „Natürlich macht man sich auch schon Gedanken für neue Gerichte.“ Privat nutze er jetzt, was der Frühling bietet. „Ich werde einen Holunderblütenfond ansetzen.“

Das Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn befindet sich in einer besonderen Situation. Anfang des Jahres waren die mit drei und einem Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants „Schwarzwaldstube“ und „Köhlerstube“ abgebrannt. Im Mai soll der Betrieb in einer Zwischenlösung wieder starten - zunächst aber ohne Sterne. Jetzt steht das ganze Hotel mit der verbliebenen Gastronomie still. Seniorchef Heiner Finkbeiner bleibt zuversichtlich. „Die Mitarbeiter scharren mit den Hufen, das ist klar.“ Die Traube Tonbach bemühe sich, jeden Mitarbeiter zu halten, ist allerdings auch von Kurzarbeit betroffen. Es gehe seinem Unternehmen im Moment wie jedem anderen, das auch nicht sagen könne, was in einem Vierteljahr sei.

Diese Faktoren sind entscheidend

Aus Sicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga ist es für das Überleben in der Krise entscheidend, wie stark ein Restaurant die Kosten während des Umsatzausfalls reduzieren kann. Pauschale Aussagen darüber, ob die Spitzengastronomie stärker von der Krise betroffen oder wirtschaftlich widerstandsfähiger sei als andere, ließen sich seriös nicht treffen, sagte der Pressesprecher des Dehoga in Baden-Württemberg, Daniel Ohl. Viele Faktoren spielten eine Rolle, die mit der Art des gastronomischen Angebots zunächst nichts zu tun hätten: Das seien Miet- oder Pachtverpflichtungen, laufende Kredite und andere Fixkosten. Grundsätzlich sei der Betrieb von Spitzenrestaurants sehr kostenintensiv, sagte Ohl. „Die Situation ist also auf jeden Fall, wie überall in der Branche, sehr ernst.“