Die Menschen in Stuttgart halten sich am Samstag an die geltenden Regeln – die Polizei zeigt Dauerpräsenz. Auch auf den Wochenmärkten ist viel los, doch die überwältigende Mehrheit ist trotz des dichten Gedränges ohne Atemschutzmaske unterwegs.

Stuttgart - „Die mit den Masken versteht man so schlecht“, raunt eine Verkäuferin eines Obst- und Gemüsehändlers ihrem Kollegen zu. Es ist halb neun am Samstagmorgen, und der Wochenmarkt auf dem Bismarckplatz in Stuttgart-West ist bestens besucht. Vor dem Stand hat sich eine Schlange gebildet, Spargel, Äpfel, Kartoffeln und Erdbeeren stehen hoch im Kurs. Die meisten Kunden verstehen die Verkäufer aber problemlos, denn die überwältigende Mehrheit ist trotz des dichten Gedränges ohne Atemschutzmaske unterwegs. Es sind vor allem ältere Menschen, die sich damit schützen.

 

Polizei zeigt Dauerpräsenz

Auf dem Schlossplatz ist am Vormittag bei bestem Wetter noch wenig los. Ein Alleinunterhalter trällert italienische Gute-Laune-Lieder und klatscht in die Hände. Die Polizei zeigt Dauerpräsenz. Auch hier tragen vor allem ältere Menschen Masken. Tobias Lau ist mit seinen 47 Jahren eine Ausnahme. Er trägt eine rote Maske mit allerlei Symbolen darauf.

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„Ich habe die Maske schon lang“, sagt Lau. Man habe sie ihm in Peking geschenkt, wo er drei Jahre in der Automobilindustrie gearbeitet habe. „Dort habe ich sie aber kein einziges Mal getragen“, sagt Lau, obwohl das in Peking auch in gewöhnlichen Zeiten wegen des Smogs ganz normal sei. Nach Deutschland habe er die Maske dann trotzdem mitgenommen. „Man weiß ja nie“, so Lau. Jetzt sei er froh, die Maske zu besitzen.

Erstmals habe er sie Mitte März beim Gang zum Arzt aufgesetzt, als ein – negativ ausgefallener – Corona-Test anstand. Die Maske fühle sich angenehm an und habe eine Tragedauer von 200 Stunden, sagt Tobias Lau. Dass es ihm so wenige Menschen gleichtun, stört ihn nicht. Eine gesetzliche Regelung fände er nicht zielführend. „Ich finde, dass sollte jeder freiwillig entscheiden.“

Das sieht Steffen Brucher anders. Der 53-jährige begutachtet die Auslagen in einem Schaufenster in der Nähe des Rotebühlplatzes, Mund und Nase sind von einer dunkelblauen Maske bedeckt. Vor einer Woche habe er zwei Stück bestellt. Heute seien sie eingetroffen. „Ich wollte mich ans Tragen gewöhnen, bevor die Maskenpflicht gesetzlich kommt“, so Brucher, dessen Brillengläser mein Ausatmen ab und zu beschlagen. Dass das Gesetz kommt, glaubt und hofft er gleichermaßen. „Ich halte das für eine sinnvolle Ergänzung, es zur Pflicht zu machen. Zumal ich schon früh im Podcast des Virologen Drosten gehört habe, dass es einfach auch höflich den Mitmenschen gegenüber sei, eine Maske zu tragen“, so Steffen Brucher. Ein älterer Mann, der gerade aus der einer Bankfiliale kommt, sieht es genauso. Er trägt eine Einwegmaske und Einweghandschuhe. „Wenn ich die tragen kann, können es die anderen auch“, findet er.

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Ganz anders sieht es Brigitte Strecker, die am Nachmittag auf dem Schlossplatz unterwegs ist und später noch an der Demonstration für das Grundgesetz teilnehmen will. Sie findet die Maßnahmen der Politik völlig übertrieben. Eine Maskenpflicht käme für sie höchstens dann in Frage, wenn man im Gegenzug die strengen Regulierungen lockern würde.

Gesichtsbedeckungen am Marktplatz deutlich präsenter

Sie selbst hat ihre Maske vor einem halben Jahr in Südkorea gekauft, sie dort aber nie getragen. Nun setze sie sie beim Einkaufen oder in der Bahn auf. Insgesamt sei die Gesellschaft aber in Panik verfallen, über die man in zehn Jahren den Kopf schütteln werde, sagt Strecker.

Im Vergleich zum Markt auf dem Bismarckplatz sind Gesichtsbedeckungen auf dem gut besuchten Wochenmarkt auf Schiller- und Marktplatz deutlich präsenter. Überall bilden sich Schlangen, mitunter geht es eng zu, doch die Besucher halten Abstand. Jenseits der Wochenmärkte wirken andere Hotspots entgeistert. Die sonst übervölkerten Mäuerchen und Freitreppen auf dem Marienplatz sind spärlich besetzt, für Lärm sorgen nur ein paar Kleinkinder, die um die Wasserfontäne herumtollen. Die Freundinnen Alicia und Mirjam entspannen auf der Treppe. „Es ist eigentlich wie immer am Marienplatz – nur ohne die ganzen Leute“, sagt die 22-jährige Alicia und lacht. Die 23-jährige Mirjam ergänzt: „Dabei hat das Leute beobachten eigentlich am meisten Spaß gemacht.“ Gut finden die beiden es trotzdem, dass der Hotspot ausgestorben ist.

Große Gruppen sind nicht in Sicht

Auf dem Erwin-Schoettle-Platz, an Frühlingstagen gewöhnlich ein Mekka für Boule-Spieler, sind nicht einmal alle um den Platz gruppierten Sitzbänke besetzt. Auf der Karlshöhe genießen Familien und Pärchen den Ausblick auf die Stadt. Große Gruppen sind nicht in Sicht.

Erst am Freitag hatte OB Fritz Kuhn eindringlich dafür geworben, dass Bürger, die in der Stadt unterwegs sind, Masken tragen. Vor allem gelte das in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Auf den Straßen und Plätzen der Stadt sind am Samstag zwar nur wenige Menschen dem Aufruf gefolgt. Insgesamt haben sich die Bürger trotzdem weitgehend an die Corona-Verordnung gehalten. Einer Sprecherin der Polizei zufolge lagen bis zum frühen Samstagabend keine Meldungen über Verstöße vor.