Im vergangenen Frühjahr mussten die Friseure schon einmal wegen der Corona-Pandemie schließen, seit Mitte Dezember sind die Salons erneut dicht. Es sieht düster aus, warnt die Branche.

Köln - Den Friseuren in Deutschland steht nach eigenem Bekunden das Wasser bis zum Hals. „Es sind alle Rücklagen aufgebraucht, teilweise auch die Altersvorsorge - es geht um Existenzen“, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, am Dienstag in Köln über die Situation in vielen Betrieben. Die Branche sende einen „Notruf“. Mit Blick auf die Schließungen sagte Wollseifer: „Jeder Tag verschlimmert die Lage noch weiter.“ Es dauere zu lang, bis Corona-Hilfen ankommen, und dann kompensierten sie nur einen viel zu kleinen Teil der Umsatzeinbußen. Eine Perspektive sei nötig, wann wieder aufgemacht werden könne.

 

In Deutschland gibt es 80 000 Friseurbetriebe mit 240 000 Mitarbeitern. Seit Mitte Dezember sind die Salons wegen der Pandemie geschlossen. Bei den staatlichen Fördermaßnahmen 2020 kam die Branche schlecht weg. Im Frühjahr bekamen sie zwar Soforthilfen, mussten diese Gelder später vielfach aber wieder zurückzahlen - weil es in einem längeren Zeitraum insgesamt doch nicht so schlecht lief wie befürchtet. Anspruch auf die relativ üppigen Dezemberhilfen haben die Friseure nicht, weil sie den halben Dezember noch arbeiten konnten.

„Überbrückungshilfe III“ fällt relativ spärlich aus

Das neue Förderprogramm, die „Überbrückungshilfe III“, fällt relativ spärlich aus, da es sich an Fixkosten - etwa Miete - orientiert und nicht am Vorjahresumsatz, wie dies bei den vorigen November- beziehungsweise Dezemberhilfen der Fall war. Handwerkskammerpräsident Wollseifer stellte eine Kalkulation vor, was das neue Hilfsprogramm bedeuten würde: Bei einem beispielhaften Betrieb würde diese Staatshilfe im Zeitraum Dezember bis Februar nur 16 Prozent des Umsatzes im Vorjahreszeitraum ausmachen. Der Zeitraum wurde gewählt, weil in diesen Monaten die Branche von Schließungen betroffen ist.

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Gewissermaßen als Kronzeugen der miesen Lage traten zwei Friseurmeisterinnen bei der Pressekonferenz auf. Sie machten ihrem Ärger Luft. Ute Hützen, Inhaberin eines Kölner Salons mit fünf Vollzeitkräften und zwei Auszubildenden, berichtete, dass die Lage schon vor dem Lockdown schwierig gewesen sei, da die Hälfte ihrer Bedienplätze wegen der Hygienemaßnahmen wegfielen. Man habe sich stets an die Auflagen gehalten, dann aber doch ein „Berufsverbot“ bekommen. „Ich fühle mich degradiert - die Situation ist sowas von erbärmlich, ich könnte platzen.“ Ihre Mitarbeiter, die normalerweise eine Umsatzbeteiligung haben und Trinkgeld bekommen, weinten am Telefon, weil das Kurzarbeitergeld hinten und vorne nicht reiche, klagte sie.

„Wir werden abgehängt und vergessen“

Finanziell sei sie am Limit, sagte Hützen. „Ich schaffe das noch einen Monat, aber meine Zuversicht ist komplett am Ende.“ In der Politik drehten sich die Debatten um Homeoffice, ihre Branche sei kaum Thema. „Wir werden abgehängt und vergessen.“

Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, wies darauf hin, dass die Friseurbetriebe 2020 im Schnitt 30 Prozent weniger Umsatz hatten. Die Rendite liege in der Regel nicht höher als zehn Prozent vom Umsatz - entsprechend angespannt sei die finanzielle Lage. Die Friseurbranche leiste einen „Riesenbeitrag“, um die Pandemie zu bekämpfen, werde nun aber von der Politik vergessen. Seit sechs Wochen seien die Salons zu, aber noch immer sei kein Geld geflossen, monierte Esser. „Es besteht die Gefahr, dass viele Unternehmen die Pandemie nicht überstehen.“

Appell an die Politik: „Bitte lasst uns wieder arbeiten“

Immer wieder kommen Friseure in die Bredouille, wenn Kunden anrufen und um einen „privaten“ Besuch samt Haareschneiden bitten. „Auf gar keinen Fall“ dürfe man sich darauf einlassen, sagte Mike Engels von der Friseurinnung Köln. Aber: „Viele machen das aus Verzweiflung - wenn du Umsatz brauchst, greifst du zum letzten Strohhalm.“ Sein Appell an die Politik: „Bitte lasst uns wieder arbeiten.“

Erst im Februar können die Finanzspritzen der „Überbrückungshilfe III“ beantragt werden, im selben Monat sollen Abschlagzahlungen fließen und im März der Rest. Der NRW-Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl (CDU) zeigte sich bei der Veranstaltung betroffen. Ihm und seinen Parteikollegen sei bewusst, dass es bei der Auszahlung von Finanzhilfen schneller gehen müsse. „Das Geld ist da, es muss schneller fließen.“ Nach seiner Meinung dürfe es Mitte Februar nicht heißen, „wir machen noch mal vier Wochen länger zu“. Die Friseure müssten „im ersten Öffnungsschritt“ dabei sein, so Kehrl.