Apotheker verkaufen nicht nur Pillen. In der Corona-Krise zeigen sie, was sie gelernt haben. Und mancher - wie der Karlsruher Michael Hofheinz - legt erst nachts richtig los.

Karlsruhe - Normalerweise macht Michael Hofheinz nach Ladenschluss noch ein paar Stunden Büroarbeit und kümmert sich um die Warenorganisation. Seit einigen Wochen hat der Apotheker - wie viele seiner Kollegen - ein neues abendfüllendes Programm: Handdesinfektion herstellen und in Fläschchen füllen. Im Kampf gegen das Coronavirus dürfen Apotheker das nun selbst produzieren. Seit die Industriemittel Mangelware geworden sind, ist das Know-how der Apotheker wieder gefragt. „Desinfektionsmittel sind der Renner“, sagt der Inhaber der Gropius-Apotheke in Karlsruhe.

 

Hofheinz freut es: „Es wird ersichtlicher, wie wichtig die Apotheke vor Ort ist.“ Dabei geht es ihm vor allem um die Wertschätzung seines Berufsstandes. Denn Apotheker sind nicht nur Pillenverkäufer. Sie haben ein anspruchsvolles Pharmazie-Studium hinter sich und zählen wie Ärzte zu den Heilberuflern. Für Hofheinz ist es ein Traumjob: „Man hat mit Menschen und mit Naturwissenschaft zu tun, man kann in Gesundheitsfragen beraten. Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen.“ Er sieht ihn aber von der Politik vernachlässigt und beklagt einen Apothekenschwund.

Die Angst vor dem Coronavirus

Die Angst vor dem Coronavirus rückt nun Apotheker wieder ins Licht: Sie verbuchen bundesweit eine hohe Nachfrage nach Desinfektions-, Fieber-, Schmerz- und Schnupfenmitteln. Auch die 2400 Apotheken in Baden-Württemberg: „In den letzten Wochen haben die Apotheken-Teams im ganzen Land fast Übermenschliches geleistet“, sagt der Sprecher des Landesapothekerverbandes. „Sehr viele Patienten, insbesondere chronisch Erkrankte mit Dauermedikation, haben sich für die kommenden Wochen mit ihren benötigten Medikamenten bevorratet.“ Das sei auch sinnvoll - Hamsterkäufe seien es jedoch nicht.

Auch wenn der März für hohe Umsätze sorgte - Hofheinz vermutet, dass dafür später weniger gekauft wird. Und was das Zusatzgeschäft angeht: „Mit Desinfektionsmitteln und Schutzmasken kann man nicht reich werden.“ Vor allem Mitte März ging es für ein paar Tage bei ihm heftig zu: „Da gab es eine gewisse Hysterie.“ Hofheinz notierte 60 bis 70 Prozent mehr Umsatz als sonst. Zwar konnten die Leute auch bei ihm keine Mund- und Atemschutzmasken mehr bekommen. Dafür deckten sie sich mit Paracetamol, Schmerzmitteln und Hustensaft ein. Auch Fieberthermometer waren im Nu weg.

Apotheken sind systemrelevant und daher weiter geöffnet, während viele andere Geschäfte wegen der Corona-Krise schließen mussten. Das erfordert Vorsorge und Umdenken bei Personal und Kunden. Schwarz-gelbe Bänder auf dem Boden sollen für Abstand sorgen. Schon früh hat Hofheinz am Eingang Plakate aufgehängt mit der Bitte, dass nicht mehr als fünf Personen auf einmal in das Geschäft treten sollen. „So schützen wir Sie und uns vor Corona“, steht auf den an Verkaufs- und Beratungstischen aufgehängten Spuckschutzscheiben. Seit Ende März tragen die Mitarbeiterinnen im Verkauf auch Mund- und Nasenschutz.

Apotheker: „Viele Menschen sind sehr vorsichtig“

„Im Großen und Ganzen hat das Publikum Verständnis“, sagt Hofheinz. „Viele Menschen sind sehr vorsichtig, andere kümmert es gar nicht - darunter viele Ältere.“ Er und sein Team versuchen dann aufzuklären. „Aber ab einem bestimmten Alter ist das Interesse wohl mehr auf sich fokussiert“, formuliert er es vorsichtig. Viele Senioren haben im Lauf ihres Lebens schon ganz andere Katastrophen erlebt. Sie sind es nach seiner Beobachtung, die oft keinen Abstand halten. Wenn manche mit dem Kopf fast schon unter den Spuckschutz kriechen, muss er „deutlich werden“, betont Hofheinz.

Unschöne Geschichten, wie er sie aus anderen Stadtteilen gehört hat, oder rücksichtslos um sich hustende Kunden hat er in seiner Apotheke nicht erlebt. „Hier in Rüppurr leben wir in einer heilen Welt.“ Nur neulich hat sich ein Arzt beschwert: Das Desinfektionsmittel sei zu teuer. Doch selbst Hergestelltes sei nun mal etwas hochpreisiger. „Alle Eingangsstoffe müssen kontrolliert, gewogen, von Hand gemischt und abgefüllt werden.“ Dabei können die Preise für Kunden - je nach den Kosten für die Ausgangsstoffe - auch variieren. Doch der 74-jährige Inhaber der Gropius-Apotheke ist froh, wenn er überhaupt die notwendigen Zutaten bekommt: Mal fehlt der reine Alkohol als Hauptwirkstoff, mal fehlen schlicht Flaschen zum Abfüllen.

Auch wenn es den einen oder anderen Engpass gibt und manche Lieferung nun etwas länger dauert: Insgesamt, so betont der Apothekerverband, sei die Versorgung stabil. „Es gibt keinen Grund, zu horten.“ Rar ist nach Hamsterkäufen allerdings das fiebersenkende und schmerzlindernde Paracetamol. Auch Impfstoff gegen Lungenentzündung gibt es bei Hofheinz nicht mehr, seitdem sich die Kanzlerin hat impfen lassen. „Die Sachen kommen wieder, aber es braucht Zeit“, versichert er.

Sein Job ist derzeit risikoreich

„Wir kämpfen auch zu normalen Zeiten mit Lieferschwierigkeiten: Mal fehlen Blutdruck- oder Diabetesmedikamente, mal banales Aspirin oder Ibuprofen. Ausfälle durch Corona-bedingte Schließungen von Produktionsstätten verschlimmern das aber“, sagt Hofheinz. Die Corona-Krise mache Missstände sichtbar: „Krankenkassen setzen Hersteller so unter Preisdruck, dass zu viele Arzneimittel im Ausland produziert werden.“

Ob im Laden oder als Bote: Sein Job ist derzeit risikoreich. „Wir sind natürlich hoch gefährdet. Dass wir uns was einfangen, ist schon relativ wahrscheinlich“, sagt Hofheinz. Das Land hat zugesagt, Gesundheitseinrichtungen mit Schutzausrüstung zentral zu versorgen. Doch zumindest bis Anfang April war bei den Apotheken dem Verband zufolge noch nichts angekommen. Am meisten fürchtet Hofheinz ohnehin, dass wegen eines Corona-Falls die Apotheke geschlossen werden muss: „Ich habe neun Mitarbeiter - die wollen alle bezahlt werden; die Festkosten laufen weiter.“