Der Stadtjugendreferent Achim Böll hat während der Corona-Zwangspause wenig Rückenwind aus der Politik verspürt – und übt harsche Kritik. Auch die Wiedereröffnung des Jugendhauses und der Bolzplätze hätte er sich schon früher gewünscht.

Waldenbuch - Wenn der Waldenbucher Stadtjugendreferent auf die vergangenen Wochen im Corona-Ausnahmezustand blickt, kommt wenig Freude auf. „Die Jugendlichen sind durchs Raster gefallen“, stellt Achim Böll ernüchtert fest. Die Politik habe sich auf Landes- und Bundesebene vor allem um die Kleinen gekümmert. Deren Eltern hätten aufbegehrt und Unterstützung eingefordert. Für Heranwachsende in der Pubertät aber habe sich keine Lobby gefunden.

 

„Gemeinsames sandeln auf dem Spielplatz war wieder erlaubt, da musste ich dem Zwölfjährigen auf dem Bolzplatz nebenan noch erklären, dass er mit mir nicht kicken darf“, berichtet Böll. Der Jugendreferent ist davon überzeugt: Die 14- bis 18-Jährigen hätten in den kritischen Wochen mehr Unterstützung gebraucht. „Die allgemeine Stimmung ging in die Richtung: Ihr seid doch schon groß. Man hat den Jugendlichen dadurch aber viel abverlangt und – außer auf der kommunalen Ebene – wenig für sie getan“, sagt Achim Böll.

Die Jugendlichen waren nicht mehr unterwegs

Er muss es wissen. Denn seit das Jugendhaus Mitte März geschlossen wurde, war der Sozialpädagoge gemeinsam mit seiner Kollegin Fiona Kraus in der Stadt unterwegs und hat das Gespräch mit den Teenagern gesucht. Das war schwerer, als gedacht. „Aus der aufsuchenden Jugendarbeit wurde eine suchende Jugendarbeit. Es war ja keiner mehr unterwegs. Wir haben unsere Klientel kaum noch erreicht. Deshalb haben wir viel ausprobiert und die Kontaktangebote ins Digitale verlagert“, sagt Achim Böll.

Woche für Woche startete das Stadtjugendreferat – das vierköpfige Team arbeitet unter der Trägerschaft der Waldhaus Jugendhilfe Hildrizhausen – in den Waldenbucher Stadtnachrichten einen Aufruf an die Jugendlichen. „Ehe euch die Decke auf den Kopf fällt – unbedingt vorher melden“, hieß es dort. Über die sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagram gingen derweil Bastel- und Kreativangebote ins Internet. Links zu Youtube-Filmen, ein Quiz oder Informationen zu Themen wie Schutzmasken oder Verhütung ergänzten das Angebot der städtischen Jugendarbeiter. „Wir wollten das Signal senden: Wir sind noch da“, berichtet Achim Böll.

Unter sich hielten die Teenager Kontakt

Die Reaktion war verhalten. „Die Jüngeren konnten wir erreichen. Die 14- bis 17-Jährigen eher nicht“, stellt der Jugendreferent fest. Dass der digitale Kontakt die Begegnung im Jugendhaus nur bedingt ersetzen konnte, spürte auch die Praktikantin, die den Mädchentreff als Online-Angebot weiterführte. Bis zu acht junge Damen kommen Woche für Woche zum Backen, Basteln und Quatschen ins Jugendhaus. Auf das Angebot im Netz haben indes nur zwei der Mädchen reagiert.

Was Achim Böll auch auffiel: „Untereinander haben die Jugendlichen den Kontakt gehalten. Das hat vieles aufgefangen.“ Jene, mit denen er ins Gespräch kam, hatten vor allem eine Sorge: „Die schulische Situation war und ist das große Thema.“ Gemeinsam mit den Kolleginnen Stephanie Raizner und Francis Tief, die für die Schulsozialarbeit an der Oskar-Schwenk-Schule zuständig sind, will er deshalb nach der Wiedereröffnung des Jugendhauses ein Unterstützungsprogramm anbieten. „Unser Ziel ist es, Struktur reinzubringen. Wir haben festgestellt, dass vor allem Jugendliche aus Familien, in denen wenig Unterstützung von den Eltern kommt, nicht wissen, wo sie mit ihren Aufgaben anfangen sollen. Sie sehen den Berg vor sich und tun dann lieber gar nichts“, beobachtet der Waldenbucher Sozialpädagoge.

Jugendreferent hat Nutzungskonzept erarbeitet

Wann genau das Jugendhaus „Phönix“ in der Walddorfer Straße wieder aus der Asche steigt und seine Türen öffnet, steht noch nicht fest. „Spätestens in der zweiten Ferienwoche wollen wir starten“, sagt Achim Böll. Läuft alles nach Plan, will man mit dem Mädchentreff am Mittwoch beginnen. Ein Nutzungskonzept hat Achim Böll schon ausgearbeitet und ans Ordnungsamt geschickt. Demnach dürfen sich sechs Jugendliche und zwei Betreuer gleichzeitig im Jugendhaus aufhalten. Und weil der Mindestabstand von 1,5 Metern auch hier gewahrt werden muss, wird gerade an einer kreativen Lösung für den beliebten Tischkicker gefeilt. „Wir hängen einfach in der Mitte des Spielfelds einen Holzrahmen mit Folie von der Decke ab“, lautet der Plan.