Mutmacher heißt das Projekt von Landeskirche und Diakonie, mit dem Menschen in der Corona-Krise finanziell unterstützt werden. Auch die Erlacher Höhe hat Geld aus dem Fonds erhalten und an Klienten weitergegeben. Die Erfahrung zweier Betroffener.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Backnang - Für Gustav Maier (Name geändert) war der sogenannte Mutmacher wie ein Sechser im Lotto – auch, wenn es sich dabei nicht um eine Millionensumme, sondern um 50 Euro handelte. „Das ist ein schöner Einkaufswagen gewesen“, erzählt der Mann von Anfang 50, der über die Erlacher Höhe etwas von der Corona-Soforthilfe bekam, die die evangelische Landeskirche und die Diakonie Württemberg ins Leben gerufen haben. Angesichts der Corona-Pandemie, die viele Menschen in finanzielle Not gebracht oder diese noch verschärft hat, haben die Landeskirche und die Diakonie im Mai das Mutmacher-Projekt gestartet und um Spenden gebeten.

 

Geld für 500 Menschen in der Erlacher Höhe

Das diakonische Sozialunternehmen Erlacher Höhe hat 25 000 Euro aus dem Fonds erhalten. „Wir konnten also 500 Menschen unbürokratisch mit jeweils 50 Euro unterstützen“, sagt die Pressesprecherin Andrea Beckmann. Allein im Rems-Murr-Kreis hätten 123 Menschen einen solchen Mutmacher bekommen. „Du kannst bestimmt Geld brauchen“, habe sein Sozialarbeiter zu ihm gesagt, erinnert sich Gustav Maier – „ich war baff“.

Maier ist Frührentner, seine geringe Rente wird mit Sozialhilfe aufgestockt. Er kam bereits vor zehn Jahren auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Beschäftigung zur Erlacher Höhe. „Beim Mittagstisch war ich erst Tellerwäscher und später für die Abrechnung zuständig“, erzählt er. Gab es Ärger mit dem Jobcenter – und den gab es öfter – erhielt Maier außerdem Unterstützung im Rahmen der ambulanten Hilfen Rems-Murr. „Diese Unterstützung war sehr gut. Wenn man Probleme hat, soll man sich nicht schämen, hierher zu kommen und Hilfe zu suchen“, sagt er. „Seine Beratung ist abgeschlossen, aber wenn es ein Problem gibt, kann er sich nach wie vor an uns wenden“, erklärt der Sozialarbeiter Benjamin Bursztyn.

Einmal unbesorgt einkaufen

Derzeit sei er „tief im Loch“, sagt Maier – die Corona-Pandemie belaste ihn sehr, er sei Hochrisikopatient. „Wenn die Leute in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die ich angewiesen bin, ihre Masken runterziehen, dann hört’s bei mir auf.“ Schon vor Corona sei sein soziales Umfeld klein gewesen, nun habe es sich weiter verringert – weil die Freunde „Verschwörungstheorien anhängen und Maskengegner sind“, berichtet der Mann. Dank der 50 Euro konnte er immerhin einmal unbesorgt einkaufen – Luxuriöses habe er sich aber nicht geleistet, versichert er.

Ganz ähnlich hat auch David Buber, der in Wirklichkeit ebenfalls anders heißt, den Mutmacher genutzt: Er hat eingekauft und ein bisschen gehamstert – damit er im Falle einer Quarantäne wenigstens einige Tage versorgt ist. „Bei 425 Euro monatlich sind 50 Euro ein Haufen Geld“, sagt er. Buber ist, nachdem er mehrere Jobs als LKW-Fahrer und in sozialen Einrichtungen hatte, 2016 arbeitslos geworden und bezieht seitdem Hartz IV. Zuvor hatte sich der Ende-30-Jährige ganz um die Pflege eines Angehörigen gekümmert, in dessen Wohnung er auch lebte.

Als der Pflegebedürftige schließlich starb, verlor Buber die Wohnung und war von Obdachlosigkeit bedroht. So kam er zur Erlacher Höhe, erst in die Kurzübernachtung, dann verbrachte er mehrere Monate im Aufnahmehaus der Einrichtung. Inzwischen hat er eine eigene Wohnung gefunden und befindet sich im ambulant betreuten Wohnen. Dabei unterstützten Sozialarbeiter ihre Klienten im Umgang mit persönlichen Problemen – etwa Arbeitslosigkeit, Schulden, familiäre Schwierigkeiten oder Sucht, erklärt Benjamin Bursztyn: „Das hohe Ziel ist, die Wohnung zu halten.“

Die Pandemie belastet die Psyche

Immer wieder hatte Buber seit 2016 Jobs, doch etwas Dauerhaftes hat er bisher nicht gefunden. Während der Corona-Pandemie war der Kontakt zum Jobcenter schwierig; Wegen der Maßnahmen gegen das Virus habe alles länger als sonst gedauert, erzählt er. Verschlimmert wurde seine Situation durch einen Bandscheibenvorfall, dessen Behandlung zunächst nur stockend begann. „Am Anfang war ich sehr verängstigt durch Corona, das war so ein Weltuntergangsstimmungsgefühl“, sagt er.

Buber erinnert sich noch gut an das beängstigende Gefühl im Supermarkt: „Was mach ich jetzt, wenn ich gar nix mehr bekomme?“ Mit Hartz IV könne man sich die teuren Produkte, die nach den Hamsterkäufen der anderen übrig blieben, kaum leisten. Der Mutmacher habe ihm daher gut getan: Mal nicht das Billigste nehmen zu müssen, sich zumindest einen kleinen Vorrat anlegen zu können – das vermittelte ihm ein Gefühl von Sicherheit. Als er von den 50 Euro erfuhr, sei sein erster Gedanke allerdings gewesen: „Wann muss ich das zurückzahlen?“

Diese Reaktion hat der Sozialarbeiter Bursztyn häufiger erlebt. „Es gab etliche, die wären mir am liebsten um den Hals gefallen“, berichtet er. Die positive Botschaft habe auf viele Menschen wie ein Türöffner gewirkt und dafür gesorgt, dass sie sich weniger verloren fühlten. Daher fände er es gut, wenn es solche Aktionen auch nach Corona immer wieder gäbe – in seiner 37 Jahre umfassenden Berufspraxis sei das Mutmacher-Projekt das erste dieser Art gewesen. „Ein guter Tropfen auf den heißen Stein“, resümiert Bursztyn.

„Ich finde es großartig, dass es Leute gibt, die in der Krise nicht nur an sich denken und dass mit der Aktion mal an Einzelne gedacht wird und nicht nur an große Unternehmen“, sagt David Buber.