Das Tübinger Unternehmen Cegat kommt Viren und Antikörpern mit genetischer Diagnostikschnell und zuverlässig auf die Spur.

Tübingen - Am Vormittag kam die Frau des Kollegen mit dem Flugzeug aus Amerika in Stuttgart an, absolvierte ihren Covid-19-Test und hatte bereits abends via QR-Code ihr erfreulich negatives Ergebnis. Dass die PCR-Tests gut funktionieren und schnell ausgewertet sein können, beweist das Tübinger Zentrum für genomische und transkriptomische Analysen Cegat, kurz für Center for Genomics and Transcriptomics. „In weniger als einem Tag liegt den Getesteten ihr Ergebnis vor“, berichten die beiden Geschäftsführer, das Ehepaar Saskia und Dirk Biskup. Tatsächlich ist das gesamte Terminal 1 zur Corona-Teststation umfunktioniert. Angemietet hat die Räumlichkeiten die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Auftrag des Sozialministeriums, das auf Landesebene die Bundesverordnung umsetzt. Als Ausführende der Akutdiagnostik fiel die Wahl der KV auf Cegat.

 

Vor Corona war die Ausrichtung eine gänzlich andere

Die Ausrichtung des Tübinger Start-ups Cegat war vor Corona eine gänzlich andere, wie der Begriff „Genom“ im Namen nahelegt. „Wir wollten die neue Technologie der Hochdurchsatzsequenzierung in die Patientenversorgung bringen, für die Analyse von Patienten“, erzählt Saskia Biskup. „Bei dieser Technologie geht es darum, dass DNA in einem hohen Durchsatz schnell entschlüsselt wird. Diese Technologie kam vor 14 Jahren auf den Markt. Damit ging die Genom-Forschung erst so richtig los.“ Heißt konkret: Mit genetischen Analysen wird der Fehler im System gesucht. Schon ein Defekt im drei Milliarden Basenpaare großen Erbgut kann schwere Erkrankungen auslösen. Genetische Diagnostik ist „ein wesentliches Puzzleteil auf dem Weg zur bestmöglichen Therapie des Patienten“, so Biskup.

Wie aber führt der Weg bei Cegat von der Suche nach genetischen Defekten zu Corona? Die Methodik sei letztlich sehr ähnlich, so Ärztin Biskup. „Die Technologie, die benötigt wird, um Covid-19 zu analysieren, ist identisch mit einer Technologie, die wir auch sonst einsetzen.“ Nämlich das qPCR-Verfahren, zu deutsch quantitative Polymerase-Kettenreaktion. Mit dieser Methode wird Erbsubstanz in vitro vervielfältigt, außerhalb des menschlichen Körpers. Seit zehn Jahren setzt das Team um Saskia und Dirk Biskup die PCR-Methode ein, um Teile der DNA zu vervielfältigen – und zwar milliardenfach. „Das muss man machen, damit die Analysemethoden funktionieren“, weiß die 49-Jährige, die drei Jahre an der seit Corona weltweit bekannten Johns-Hopkins-Universität in Baltimore studierte. Wenn man Ausgangsmaterial hat, das in geringen Mengen vorliegt, zum Beispiel ein Virus in der Nase oder im Rachenraum oder Spuren von Tumor-DNA im Blut, ist das PCR-Verfahren von unschätzbarem Wert. „Sind die geringen Mengen vervielfältigt, können wir auf dieser Basis eine präzise Diagnose machen“, erklärt Biskup.

Ob es um Bakterien oder Viren geht, ist egal

„Für uns spielt es keine Rolle, ob wir Bakterien oder Viren untersuchen, ob DNA oder RNA.“ Der Bauplan existiere ja in vielen Spezies bis hin zu Pflanzen und Fliegen. Er fußt immer auf vier Buchstaben, die sich auch im Namen des Unternehmens verstecken: C, G, A und T. Es gebe Viren ohne DNA, aber mit RNA – so wie Sars CoV-2. Ein Gebiet also, auf dem sich Cegat bestens auskennt.

Die ganze Welt entwickelt und verbessert Diagnose und Impfstoff: Mit ihrem weiterentwickelten Schnelltest, der binnen 39 Minuten ein Ergebnis liefert, sorgt die Robert Bosch GmbH für Schlagzeilen. Das ist bislang Weltrekord. Die Biskups begrüßen jedwede Weiterentwicklungen. Gleichwohl müsse man sich die Tests qualitativ genau ansehen.

Dabei sind Sensitivität und Spezifität die entscheidenden Kriterien. „Wenn das ordentlich gemacht ist, wovon man ausgehen kann, ist das super und unbedingt weiterzuentwickeln“, so beide Biskups einhellig. Denn für viele Zentren, egal ob Kliniken oder Altenheime, sei ein schnelles Testergebnis extrem relevant. Die wichtigen Daten der Sensitivität und Spezifität werden von Bosch bislang nicht veröffentlicht. Auch nicht, ob dieser Test täglich zu Tausenden gemacht werden kann, wie Cegat es praktiziert, oder was der ultraschnelle Test kosten soll. Schnelltests jedweder Art halten die Biskups für eine wichtige Ergänzung zu hoch sensitiven und spezifizierten Tests wie ihren eigenen. Denn selbst nicht so empfindliche Tests finden extrem mit Viren befallene Menschen, sogenannte Superspreader. „Wenn ein normaler mit Covid-19 Infizierter einen weiteren ansteckt, steckt ein Superspreader auf einen Schlag neun weitere Personen an.“ Das Gefährliche dabei: Auch Superspreader fühlen sich typischerweise sehr gut und laufen als Virenschleuder umher, ohne zu merken, dass sie ganz viele andere anstecken.

Bei Schnelltests kann einige durchrutschen

Beim Schnelltest ist das Problem, dass er durchaus Personen übersehen kann, die infiziert sind. Dabei hat derselbe Mensch nach zwei Stunden schon viel mehr Viren in sich. Das liege an der Biologie der Sache, erläutert Saskia Biskup. „Kommt eine Testperson zu einem Zeitpunkt zum Schnelltest, wo sie wenig Virus hat, rutscht sie durch. Zwei Stunden später würde man sie vielleicht entdecken.“ Bei einem sehr sensitiven, sehr spezifischen und hochwertigen Test hingegen wird ein Infizierter von vornherein als solcher diagnostiziert.

Bleibt die Frage; Warum klappt am Stuttgarter Flughafen, was in München im Chaos endete? Das Problem in München war nicht der PCR-Test. Den beherrscht man dort genauso gut wie hier. Doch dort fehlte die komplette Logistik, wie sie Cegat vorhalte und für die Bedingungen des Flughafens Stuttgart noch mal speziell entworfen habe.

Dirk Biskup erinnert sich: „Als die KV mit uns gesprochen hat – es war ein Freitag –, haben unsere Leute das Wochenende durchprogrammiert, nichts anderes gemacht, als diese Logistik zu erstellen. Dann sind wir am Flughafen angerückt mit unseren Rechnern und Systemen. Wir hatten unsere Programmierer und IT-Spezialisten vor Ort, damit sie die Computer und Systeme von vornherein unter Kontrolle hatten. Das lief reibungslos.“