Der Bundesverkehrsminister Wissing bringt ein Ende der Maskenpflicht im Nahverkehr ins Spiel. Der Landessozialminister hält das für falsch. Lob kommt von den Verkehrsunternehmen.

Das baden-württembergische Sozialministerium hält nichts von einem vorzeitigen Ende der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Minister Manfred Lucha (Grüne) stehe dem entsprechenden Vorstoß des Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP) „aus infektiologischer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt sehr skeptisch gegenüber“, sagte ein Ministeriumssprecher. Wissing hatte erklärt, er sehe angesichts sinkender Coronazahlen und einer bereits verkündeten EU-weiten Lockerung der Maskenpflicht in Flugzeugen auch bei Bussen und Bahnen einen Anpassungsbedarf.

 

Allerdings war Wissings Vorstoß offenbar nicht abgesprochen. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, betonte am Freitag, die Regierung plane gegenwärtig keine Abschaffung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Regel sei aus gutem Grund so gewählt, weil man in Bussen und Bahnen auf engem Raum sitze und somit die nötigen Abstände nicht immer einhalten könne. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies auf Twitter den Vorstoß des Kabinettskollegen zurück: „Mit täglich bis zu 150 Coronatoten und einer immer noch sehr hohen Inzidenz fehlt der Spielraum, auf Masken zu verzichten“. Erst wenn die Pandemie vorüber sei, komme eine Harmonisierung in Frage.

Bundesweite Lösung anvisiert

Wissing hatte sich dafür ausgesprochen, beim Ende der Maskenpflicht europaweit einheitlich vorzugehen. Was den Nahverkehr anbelangt, entscheiden aber ohnehin die Länder. Wissings Vorstoß würde also unmittelbar nur den Fernverkehr der Bahn und den Flugverkehr betreffen. Dort gilt laut Infektionsschutzgesetz bis zum 23. September die Pflicht. Für eine Lockerung müsste der Bundestag das Gesetz ändern. In jedem Fall sei eine bundeseinheitliche Lösung für den Nahverkehr wichtig, sagte ein Sprecher von Landesverkehrsminister Winfried Hermann.

Man werde sich im Kreise der Gesundheitsminister zu dem Thema noch austauschen, hieß es aus dem Stuttgarter Sozialministerium. Die Maske sei aber eine sehr einfache Möglichkeit, sich effektiv vor Infektionen mit dem Coronavirus zu schützen. Die Kassenärztliche Vereinigung erneuerte ihren dringenden Appell, weiterhin eine Maske zu tragen, „unabhängig von der Frage, ob es vorgeschrieben ist oder nicht“.

VVS begrüßt Wissings Vorstoß

Nachdem die Maskenpflicht in nahezu allen Bereichen gefallen sei, halte er es für vertretbar, auch im öffentlichen Verkehr (ÖPNV) darauf zu verzichten, sagte hingegen der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS), Horst Stammler. Noch hielten sich die allermeisten Fahrgäste an die Vorgabe, jedoch werde es zunehmend schwieriger, sie durchzusetzen, vor allem in den Abendstunden. In zahlreichen Nachbarländern sei die Maskenpflicht im ÖPNV schon gefallen. „Unsere Schweizer und dänischen Kollegen haben uns von keinen negativen Reaktionen berichtet“, sagte Stammler.

Der Geschäftsführer des Verbandes baden-württembergischer Omnibusunternehmer (WBO), Witgar Weber, verwies darauf, dass in Reisebussen seit April kein Mund-Nasen-Schutz mehr getragen werden müsse. „Dort entscheidet der Fahrgast, wie er sich wohler fühlt.“ Es sei deshalb konsequent, solche Überlegungen auch für den ÖPNV anzustellen. „Die Fahrgäste beschließen selber, ob sie mit oder ohne Maske Bus fahren. Wenn das dazu führt, dass sich die Fahrgastzahlen wieder erhöhen, umso besser.“

„Die Maske wird ja nicht verboten“

Allerdings ist unklar, ob die Maskenvorschrift tatsächlich viele Menschen abhält. Immer noch liegen die Fahrgastzahlen ein Viertel unter dem Vor-Corona-Stand. Daran dürfte nach Ansicht von Experten vor allem das Homeoffice schuld sein. Von einem „heiklen Thema“ sprach der Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Stefan Buhl. Die einen würden von der Maske abgeschreckt, anderen fühlten sich nur durch die Maskenpflicht sicher im Zug. Er persönlich tendiere dazu, jetzt zum Prinzip der Eigenverantwortung zurückzukehren. „Die Maske wird ja nicht verboten.“

Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete und Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel erinnerte daran, dass das Neun-Euro-Ticket in den kommenden drei Monaten für sehr volle Züge sorgen könnte. „Es gilt also einen Weg zu finden, der dem Gesundheitsschutz ebenso gerecht wird wie der ungetrübten Freude am Reisen mit Bus und Bahn.“