Wegen des starken Andrangs sperrt die Polizei wieder den Nordschwarzwald. Anderswo bleibt es entspannt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Offenburg/Bissingen - Die wärmende Sonne im Rücken steht Alexander Marquardt oberhalb von Grab, einem kleinen Ort bei Großerlach (Rems-Murr-Kreis), und schaut den Hang hinunter. Schon als Kind, wenn er die Oma besuchte, sei er hier Schlitten gefahren, erzählt der Waiblinger. Jetzt ist er mit seiner Frau und dem zehnjährigen Sohn hergekommen – erst zum Friedhofsbesuch, dann zum Rodeln. Und er ist einigermaßen erstaunt: „So voll war es hier noch nie.“ Wobei: Grab ist kein Hotspot. Die rund 70 Rodler verteilen sich gut über den 100 Meter breiten Hang. Das sehen auch die Streifenpolizisten so, die kurz darauf vorbeifahren und nicht einmal anhalten.

 

Im Lockdown suchen Städter den Auslauf

So soll es sein. Und so ist es an diesem wunderbaren Schneewochenende an den meisten Rodelpisten im Südwesten. Die Parkplätze sind voll, doch am Berg ist viel Platz. „Wir sind an einem von der Straße etwas weiter entfernten Hang gelaufen, da waren wir so gut wie alleine“, erzählt ein Vater, der mit seinen Teenagern von Stuttgart nach Ochsenwang bei Bissingen auf der Schwäbischen Alb gefahren war. Die Warnungen der Politiker vor Wochenendausflügen seien völlig weltfremd. „Gerade im Lockdown brauchen Städter doch Auslauf in der freien Natur.“

Beim Polizeipräsidium in Offenburg blieb man dennoch bei einer härteren Linie. Bereits gegen 9.30 Uhr wurden am Samstag und Sonntag die Zufahrtsstraßen zur B 500, der sogenannten Schwarzwaldhochstraße, dichtgemacht, nachdem die Parkplätze in den beliebten Schneegebieten an Kniebis, Mehliskopf, Mummelsee und Ruhestein belegt waren. Man habe insgesamt elf Sperrungen eingerichtet, sagte ein Sprecher. Die Reaktionen darauf seien „ziemlich geteilt“ gewesen. „Wer von weiter her anreiste, war natürlich nicht glücklich“, sagte der Polizeisprecher. Manche kamen aus der Pfalz angefahren. Allerdings habe man im Radio und im Internet permanent auf die Lage hingewiesen.

Parkmöglichkeiten restlos belegt

Durch die frühzeitigen Sperrungen sei es auf den Pisten kaum zu Problemen gekommen. Am Samstag habe man lediglich vier Verstöße gegen die Corona-Auflagen zur Anzeige gebracht. Allerdings sei es in erster Linie nicht darum gegangen, das Schlittenfahren einzuschränken, sondern die Rettungswege freizuhalten. Vor zwei Wochen hatte ein Rettungshubschrauber fast keinen Landeplatz gefunden.

Auch am Beilsteiner Stocksberg (Kreis Heilbronn) waren am Wochenende „alle Parkmöglichkeiten restlos belegt“, wie die Polizei in Heilbronn twitterte. Um das Parken im Straßengraben zu verhindern, war entlang der Zufahrtsstraßen Flatterband gespannt worden. Ausflügler sollten sich einen einsamen Hang zum Schlittenfahren suchen, riet die Polizei.

Entspannter blieb die Situation im Hochschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. Es gebe viel Ausflugsverkehr, Sperrungen seien aber nicht nötig, hieß es aus den Polizeipräsidien in Freiburg, Reutlingen und Ulm. Auch am Kandel bei Waldkirch (Kreis Emmendingen) und in Treffelhausen bei Geislingen (Kreis Göppingen) kam es nicht erneut zu chaotischen Szenen. „Die Ausflügler haben sich in aller Regel an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten“, erklärte ein Polizeisprecher. Verstöße gegen die CoronaRegeln seien allenfalls in Einzelfällen festgestellt worden.

Ein Lift wird stundenweise an Familien vermietet

Ruhig blieb es auch an den wenigen laufenden Skiliften. „Wenn man aktiv das Ganze koordiniert, dann funktioniert es viel besser“, sagte Jürgen Gekeler, der in Holzelfingen bei Lichtenstein (Kreis Reutlingen) seinen Lift stundenweise an Familien vermietet. „Dort, wo die Lifte geschlossen sind, gibt es größere Probleme“, weil sich Hunderte Rodler auf engen Skipisten tummelten. Allerdings haben viele Kollegen ihre Lifte gar nicht aufgebaut, was nicht nur mit Corona zu tun hat. Wegen Klimawandels und Schneemangels lohne sich der Aufwand nicht mehr, schreibt die Betreiberfamilie des Stocksberger Lifts auf ihrer Internetseite.