Coronagegner wollen in Bayern mit einem Volksentscheid die Auflösung des Landtags erzwingen. Die erste Hürde haben sie genommen. Drohen jetzt Neuwahlen?

München - Die Rathäuser in ganz Bayern sind geöffnet für ein Volksbegehren, das es so noch nie im Freistaat gegeben hat: Bürger können sich in Unterschriftenlisten eintragen für die Forderung, den Landtag abzuberufen. Die Initiatoren gehören der sogenannten Querdenkerszene gegen die Coronapolitik an. „Bündnis Landtag abberufen“, nennt sich die Gruppe. Auch die bayerische AfD unterstützt das Vorhaben.

 

Der Antrag ist kurz und beruft sich auf die bayerische Verfassung. Gemäß Artikel 18 ist auf Antrag von einer Million Stimmberechtigten „ein Volksentscheid über die Abberufung des Landtags herbeizuführen“. Das notwendige Quorum für die Unterschriftenlisten wurde erreicht: 29 000 Bürger haben dies unterstützt, 25 000 wären nötig gewesen.

Ein zerbrochenes Herz auf Plakaten

Bis zum 27. Oktober liegen die Listen aus, die Erfolgsaussichten werden als gering angesehen. In München etwa haben sich nach fünf Tagen 0,28 Prozent der Stimmberechtigten eingetragen, das sind 2592 Bürgerinnen und Bürger. Bei anderen Volksbegehren wie jenem für mehr Artenschutz („Rettet die Bienen“) lag die Zahl zu diesem Zeitpunkt um das Zwanzigfache höher.

Auf den Werbeplakaten des Bündnisses ist ein auseinandergerissenes Herz abgebildet – es soll wohl durch die Abberufung des Landtags und Neuwahlen wieder zusammengefügt werden. Auf der Webseite ist viel die Rede von „Freiheit“ und „Respekt“. Holprig wird gereimt: „Es geht um meine Würde, es braucht Zusammenhalt, Zivilcourage ist keine Bürde, es braucht keine Gewalt!“ Doch es wird auch typisches Querdenkergedankengut verbreitet, wie etwa die Aussage, dass die bayerischen Coronamaßnahmen „totalitär anmutend“ seien.

Die Initiatoren sind einschlägig bekannt

Nicht nur Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht „ganz eindeutig“ Querdenker hinter dem Vorstoß. Auch für die SPD ist dies offenkundig: Auf Querdenkerdemos werde massiv für das Vorhaben geworben. Karl Hilz, der Vizebeauftragte des Volksbegehrens, ist ein pensionierter Polizist und bekannter Coronaleugner. Der bayerische Verfassungsschutz wirft ihm vor, er versuche, „eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen“. Jan-Christoph Münch, Pressesprecher des Bündnisses und ehemaliger Bundeswehroffizier, ist ein Autor des Online-Magazins „Rubikon“, das als Plattform von Verschwörungstheoretikern gilt.

Wie viele Unterschriften können sie erwarten?

Wer in der Stadtkämmerei München, einem Eintragungsort, auf Unterstützer des Volksbegehrens wartet, muss sich gedulden. Erst nach 20 Minuten betritt eine Gruppe von Menschen das Gebäude. Sie seien „ganz normale Bürger“, die sich „gegen die Coronapolitik“ wehrten, ist zu hören. Als Querdenker sehen sie sich nicht. Die Ausgangsbeschränkungen im Freistaat seien schließlich vom höchsten Gericht als nicht verfassungsgemäß bewertet worden. „Söder müsste sofort zurücktreten“, meint eine Frau. Sollten tatsächlich mehr als eine Million Unterschriften zusammenkommen, gäbe es einen Volksentscheid über die Abberufung des Landtags. Erhielte da die Forderung eine Mehrheit, müsste das Parlament neu gewählt werden. Und zwar etwa ein Jahr vor dem regulären Wahltermin im Herbst 2023.