Noch immer warten die niedergelassenen Ärzte dringend auf Schutzkleidung für ihre Arbeit in der Coronakrise. Der Organisationsaufwand zur Trennung der Infektpatienten in den Praxen ist hoch.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Nach einer schweren Erkrankung hat die Patienten mit Folgeerscheinungen ihres Leidens zu kämpfen. Drum wollte sie zu ihrem Hausarzt gehen. Zwei Tage lang versuchte sie per Telefon, einen Termin zu bekommen, vergeblich. Also ging die Frau einfach persönlich hin. Die Überraschung war groß: Vor der Praxis standen Patienten in der Schlange, keiner durfte hinein, in gebührendem Abstand musste man sich anstellen. Von Zeit zu Zeit kam eine Sprechstundenhilfe heraus, „in Vollvermummung“, wie die Patientin sagt, und habe Rezept- und Terminwünsche entgegengenommen. Später erschien die Helferin erneut, mit Rezepten und der Information, wer wann später drankommen werde.

 

Der Vorgang ist kein Ausnahmefall. „Wir laufen über“, sagt Markus Klett, der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft. „Wir schaffen das kaum.“ So würden die Praxen wegen der Coronakrise „massivst telefonisch in Anspruch genommen“. Zum einen, weil die Abklärung des Befindens der Patienten am Telefon wegen des Coronavirus gewünscht und sinnvoll ist. Aber die Menschen seien auch sehr verunsichert, sagt Klett. „Die Lage ist aufgeheizt“.

Fake News machen den Praxen Arbeit

„Man braucht eine Helferin alleine für dieses Thema“, erzählt eine Hausärztin aus der Region. Das fängt an beim Symptombild des Anrufers über die Terminvergabe bis hin zu hartnäckigen Anfragen, ob die Praxis auch Desinfektionsmittel verkaufe oder man auf das Virus getestet werden könne. „Und jede Fake News schlägt durch“, sagt die Medizinerin. Als in den Sozialen Medien die Falschmeldung kursierte, dass das Schmerzmittel Ibuprofen eine Erkrankung durch das Coronavirus verschlimmern könnte, bekamen die Hausarztpraxen das erheblich zu spüren.

Als ob sie nicht so schon genug zutun hätten. Denn jede Praxis muss sich auf potenzielle Corona-Infizierte einstellen, die unter der derzeit beträchtlichen Zahl von Infektpatienten sein könnten. Deshalb muss diese Gruppe von allen anderen Kranken, die in Praxen kommen, getrennt werden. So bestellen etwa manche Praxen einen Teil der Patienten am Morgen ein, Infektpatienten am Nachmittag. Andere machen einen „Infektblock“ am Ende der morgendlichen und am Ende der nachmittäglichen Sprechstunde. Danach müssen die Räume desinfiziert werden.

Manche Ärzte schotten sich ab

Das alles erfordert einen enormen Organisationsaufwand. Dieser dient nicht nur zum Schutz der Patienten, sondern auch dem des Personals und soll dafür sorgen, dass die Praxen auch offen bleiben. Man wisse derzeit „nur von einer Praxis im Land, die vom Gesundheitsamt vorübergehend geschlossen worden ist“, sagt Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Markus Klett weiß von „einer Handvoll“ Praxen, die von den Ärzten selbst vorübergehend geschlossen wurden, etwa weil diese in einem Corona-Risikogebiet waren. Und manche Ärzte „schotten sich ab“ wegen der Coronakrise und machten vor allem noch Dienst am Telefon, so Klett.

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Ganz verdenken kann man es ihnen nicht. Nach wie vor verfügen die meisten Praxen nur noch über wenig oder gar keine Schutzkleidung mehr. „Wir haben noch fünf Masken vorrätig, die hüten wir wie unseren Augapfel“, sagt eine Hausärztin. Auch Schutzkittel haben man nur noch ganz wenige. Dabei wäre es wichtig, bei Infektpatienten Schutzkleidung zu tragen. Oder zumindest bei Hausbesuchen von schwer erkrankten Patienten, da auch ein Arzt, der häufig mit Infektpatienten Umgang hat, nicht sicher sein kann, ob er sich nicht doch mit dem Coronavirus infiziert hat, ohne dass er schon Symptome zeigt. Von der vermutlich bald wachsenden Zahl von Infizierten zuhause, die vom Hausarzt betreut werden muss, ganz abgesehen.

Trotz Kritik tut sich nichts

Markus Klett ist mehr als verärgert. „Seit mehr als vier Wochen beklage ich das, aber es tut sich nichts.“ Deshalb hat sich der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft auch an die Landesärztekammer gewandt. Doch es soll bald Abhilfe geben. Die Bundesregierung habe die Lieferung von Schutzkleidung für Ärzte angekündigt, sagt KV-Sprecher Sonntag. Aber wann diese komme, wisse man noch nicht: „Wir glauben es auch erst, wenn die Sachen auf dem Hof stehen.“