Die neuen Coronaregeln führen zu viel Erklärungsbedarf bei den Gästen. Martin Arnold vom Schlesinger schreibt ständig neue Schilder, bei Claudia Kibele von der Weinstube Vetter klingelt unablässig das Telefon. Das Körrle & Adam stellt deshalb auf „to go“ um.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Martin Arnold kommt gar nicht mehr hinterher mit dem Schreiben von Schildern. „Ich habe einen Schilderwald“, sagt der Chef vom Schlesinger. Vor den Eingang hat er eine Kreidetafel gestellt. Da steht drauf: „1. Herzlich Willkommen, 2. Impfnachweis bereithalten!!!, 3. An der Bar einchecken.“ Seit Samstag ist es noch ein bisschen komplizierter geworden, in ein Lokal zu kommen. Was nach wie vor Verwirrung stiftet, sind die Ausnahmen von der 2-G-plus-Regel für geimpfte Menschen. Deshalb schreibt Martin Nolde noch ein neues Plakat mit der Überschrift „Nur zur Info“. „Es ist ein Haufen Gechecke“, sagt er über die seit Samstag gültige Coronaverordnung des Landes. Sie beschäftigt die Wirte in Stuttgart ziemlich. Bei Claudia Kibele von der Weinstube Vetter klingelt ständig das Telefon, Uwe Genz vom Restaurant Rösch hilft seinen Gästen beim Einrichten der diversen Apps. Thomas Adam vom Restaurant Körle und Adam stellt deshalb kurzerhand auf Abholservice um.

 

Den Lockdown wie ein Schwert im Nacken

Auf dem Plakat im Schlesinger wird stehen, wer keinen Test braucht: Dreimal Geimpfte oder Menschen, deren jüngste Impfung nicht länger als sechs Monate und zwei Wochen her ist, oder solche mit einem Genesenen-Nachweis, der nicht älter als sechs Monate ist. „Die Kontrolle ist sehr aufwendig“, sagt Martin Arnold. Er muss sich noch den Personalausweis zeigen lassen und das Einchecken in die Luca-App überprüfen. „Die Gäste sind so verwirrt, dass sie gar nicht mehr kommen“, sagt er, „andere kommen mit einem Test, obwohl es nicht nötig ist.“ Aber während der Prozedur an der Bar seien alle relativ gelassen. Der Schlesinger-Chef wirkt dagegen etwas genervt, weil er nicht nur weniger Umsatz macht, sondern auch das „Schwert im Nacken“ spürt, dass vielleicht doch ein Lockdown kommt. „Ich arbeite lieber und halte für die Gäste die Stellung“, sagt er.

Stichtag für den Verfall des Nachweise steht an der Türe

Nach anfänglichem Wirrwarr hat Doreen Specht mit ihren Mitarbeitern fürs Amadeus ein Kontrollsystem entwickelt: Der jeweilige Stichtag für den Verfall der Nachweise steht an der Türe. Schilder hat sie ebenfalls aufgehängt. Die Gäste hätten ihre Apps und Ausweise meist parat – und viel Geduld, wenn sich eine Schlange bildet. „Es ist schon ein großer Aufwand“, sagt die Restaurantleiterin. Aber sie geht davon aus, dass es mit zunehmender Routine immer einfacher gehen wird. Uwe Genz macht seine Gäste aktiv fit für die Vorschriften: Auf der Webseite vom Restaurant Rösch bietet er Hilfe beim Einrichten der Corona- und der Luca-App an, seine ältere Stammkundschaft hat sie in Anspruch genommen. Eine neue Verordnung bedeute immer weniger Gäste: „Erst regen sich die Menschen auf, wenn sie sich beruhigt haben, kommen weniger wieder.“ Fürs Mittagessen sei den meisten der Aufwand zu hoch, nur abends habe er noch Betrieb. Uwe Genz schätzt, dass er in seinem Restaurant 40 Prozent weniger Auslastung hat. Er versucht, Werbung zu machen und seine Gäste zu beruhigen, dass sie trotz Corona einen schönen Abend im Rösch haben können.

Selbstverständliche Regeln statt wilder Angaben

„Es ruft ständig jemand an und fragt, was gerade gilt“, erzählt Claudia Kibele. Sie wünscht sich Regeln, die jeder selbst begreifen kann, statt „wilder Angaben“, die sich ständig änderten. Neben dem Telefon habe sie deshalb auch an ihrer Kontrollstation viel zu tun. In der Weinstube Vetter ist der Andrang ungebrochen. „Die Leute wollen ausgehen“, ist der Eindruck der Chefin – und wenn sie dann endlich im Restaurant seien, seien sie sehr froh. Ärger gab es bisher nur zweimal mit dreifach geimpften Personen. Sie waren empört, dass sie keinen Platz mehr bekamen. „Wir sind die Gäste der Zukunft“, haben sie Claudia Kibele etwas arrogant erklärt – und wurden fortgeschickt.

Thomas Adam wurden die neuen Regeln zu viel. „Bis es beim Gast ankommt, dauert es“, sagt er. Zu den vielen Anrufen kamen kurzfristige Absagen, weil das Testen nicht immer in den Tagesablauf hineinpasse. Statt abends „einen kilometerlangen Stau vor der Türe“ zu haben, machen Körle und Adam „einfach dicht“. Bis zur normalen Schließzeit am 22. Dezember gibt es Außer-Haus-Verkauf. Das Restaurant war eigentlich ausgebucht. „Wir hatten Angst vor der Reaktion, aber alle Gäste haben es vollkommen verstanden“, berichtet der Koch. Wer eine Reservierung hatte, erhält zum Trost nun etwas Rabatt. Und Thomas Adam hat „sich breitschlagen lassen“, wieder wie im letzten Lockdown vegane Burger zu braten.