Kein einziger Patient in der Praxis, kein einziger Telefonanruf: So haben Zahnärzte die Corona-Pandemie zeitweise erlebt. Inzwischen normalisiert sich die Lage wieder. Abstandsregelungen lassen sich in den Praxen aber kaum einhalten.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - Vor allem die ganz Jungen und die ganz Alten seien zu Beginn uneinsichtig gewesen, als die Praxis den Betrieb runtergefahren und nur noch das gemacht hätte, was unbedingt nötig war. Das ist Philipp Mercy, Zahnarzt in Stuttgart-Vaihingen, aufgefallen. „Die Patienten im mittleren Alter hatten unterdessen allesamt Verständnis.“ Seit Anfang Mai hat die Praxis auf der Rohrer Höhe wieder geöffnet – anfangs mit verkürzten Öffnungszeiten, seit Mitte Mai wieder ganz normal. „Die Arbeitsbelastung ist bei uns nun wieder wie immer.“

 

„Die Verordnung des Landes war mies für uns“

Zwischendurch sah dies anders aus. Der Zahnarzt erinnert sich an zwei Tage im April, an denen kein einziger Patient in der Praxis war und auch kein einziges Mal das Telefon geklingelt habe. „Da haben wir uns ernsthafte Gedanken über unsere wirtschaftliche Situation gemacht. Wir wussten ja nicht, ob die Leute dieses Jahr überhaupt noch zum Zahnarzt gehen.“ Inzwischen sei klar: Zahnärzte würden die Pandemie überstehen.

Noch bevor am 9. April das Land Baden-Württemberg die Verordnung herausgab, dass in Zahnarztpraxen nur noch Notfallbehandlungen erlaubt sind, hatten Mercy und seine Kollegen entschieden, dass professionelle Zahnreinigungen sowie andere Behandlungen, die man vorerst aufschieben könne, abgesagt werden. Dafür hatten anfangs nicht alle Patienten Verständnis, nach einer Rede von Angela Merkel habe sich dies aber schlagartig geändert, berichtet er. „Für uns war die Verordnung des Landes mies. Denn in allen anderen Bundesländern durften Zahnarztpraxen weiterhin Behandlungen durchführen.“ Immerhin: Nach drei Wochen wurde die Verordnung aufgehoben. Trotzdem musste Mercy einige Kollegen übergangsweise in Kurzarbeit schicken.

Auslastung um mehr als 50 Prozent zurückgegangen

Damit ist Mercy in bester Gesellschaft: Zahlreiche Zahnarztpraxen mussten zwischen April und Mai Kurzarbeit anmelden. Laut einer Online-Umfrage der Bundeszahnärztekammer unter 2700 der 70 000 Mitglieder war die Auslastung in den Praxen zeitweise um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Außerdem seien die Öffnungszeiten um beinahe die Hälfte reduziert worden.

Thilo Reith, ein Zahnarzt aus Plieningen, hatte diesbezüglich Glück: „Wir haben niemanden in Kurzarbeit geschickt, haben damit aber eine der wenigen Ausnahmen gebildet.“ Weil die Plieninger Zahnarztpraxis sehr treue Patienten hätte, wäre der Großteil auch in den vergangenen Wochen erschienen. Nur etwa zehn Prozent der Patienten hätte Behandlungen aus Angst vor einer Ansteckung aufgeschoben, schätzt er. Eine Ausnahme sei der Bereich Dentalhygiene gewesen, also die professionellen Zahnreinigungen, für die eine eigene Mitarbeiterin in der Praxis von Thilo und Sabine Reith eingestellt ist. „Da hatten wir zwischen 30 und 40 Prozent Ausfälle im April.“

Abstandsregeln lassen sich nicht einhalten

Gedanken um die finanzielle Situation hatte sich zeitweise auch Thilo Reith gemacht, denn „durch die Pandemie sind einige höhere Kosten entstanden“. So musste nicht nur ein Spuckschutz an der Empfangstheke gebaut und eine Desinfektionsstation installiert werden, auch sei der Mundschutz-Preis explodiert: Das Zehnfache vom Normalpreis kostete zwischenzeitlich ein Päckchen mit 50 FFP2-Masken, berichtet er. „Normalerweise kostet das fünf Euro, in der Hochphase lag es bei 50 Euro.“ Inzwischen habe es sich etwas normalisiert, nun würde eine Packung circa 20 Euro kosten, „und ich erwarte, dass die Preise weiter runtergehen in den nächsten Wochen“.

Dankbar sind die Zahnärzte, dass ihre Patienten so großes Verständnis für die Hygienemaßnahmen in den Praxen aufbringen: „Die meisten behalten bis zur letzten Sekunde ihre Maske auf. Erst wenn ich sage, dass sie nun die Maske abziehen müssen, nehmen sie sie ab“, berichtet Philipp Mercy aus Vaihingen.

Und hat er selbst Angst, sich anzustecken? Anfangs sei er verunsichert gewesen, sagt er. Aber Zahnärzte seien echte Hygieneprofis und hätten als einzige Ärztegruppe auch schon vor Corona konsequent immer einen Mund-Nase-Schutz getragen. „Aber wenn ich zehn Zentimeter entfernt von einem Mund bin und dort arbeite, halte ich keine Abstandsregelung mehr ein“, gibt er zu bedenken. Mit diesem Risiko müsse man in seinem Berufsstand aber eben leben.