Der Inzidenzwert ist im Kreis Böblingen auf weniger als 77 mit dem Coronavirus infizierte Menschen pro 100 000 Einwohner gesunken – die niedrigste Quote in der Region Stuttgart. Auch in den Krankenhäusern und Pflegeheimen hat sich die Lage entspannt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Im Kreis Böblingen scheinen die Corona-Maßnahmen zu wirken: der Inzidenzwert ist auf 76,88 Fälle pro 100 000 Einwohner gesunken. Zuletzt wurde ein solcher Wert am 22. Oktober gemeldet – mit Ausnahme der Tage nach Silvester, an denen kaum getestet wurde. In Baden-Württemberg liegt der Wert fast bei 105, im Landkreis Esslingen bei 117,4 und in Stuttgart bei 91,5. Aktuell sind im Kreis Böblingen 264 Menschen an Covid-19 erkrankt. Mit 0,27 Prozent hat Deckenpfronn die höchste Quote an Erkrankten unter den Einwohnern, in Hildrizhausen liegt sie bei null Prozent. Auch in den Pflegeheimen ist die Infektionswelle abgeebbt. Und beim Klinikverbund Südwest ging die Zahl der Covid-19-Patienten seit Weihnachten um mehr als die Hälfte von 120 auf momentan 47 Erkrankte zurück. In den Krankenhäusern im Kreis Böblingen sind es sogar nur 27 Patienten.

 

Mutanten als Grund für Lockdown

Vom Landratsamt war am Dienstag und am Mittwoch keine Bewertung der positiven Entwicklung zu bekommen. Aber die Aussage von Waldenbuchs Bürgermeister Michael Lutz gilt sicherlich für alle Kommunen. „Damit scheinen - Dank dem Willen und der Akzeptanz der Bürgerschaft - die Maßnahmen zu greifen“, lautet seine Interpretation des Inzidenzwertes. Auf dem gemeinsamen, guten Weg dürfe jetzt niemand nachlässig werden. Im Gegenteil: „Die Mutanten des Virus gilt es weiterhin als ernsthafte Gefahr wahrzunehmen“, erklärte Lutz den am Dienstag verlängerten Lockdown.

Unter den Kreisstädten hat aktuell Leonberg mit 55 aktiven Fällen die höchste Quote: 0,11 Prozent der Einwohner sind Corona-positiv. Im früheren Hotspot Sindelfingen hat sich die Lage dagegen beruhigt mit einer Quote von 0,06 Prozent und 37 Erkrankten liegt es gleich auf mit Herrenberg, wo noch 18 Menschen unter Covid-19 leiden. In Böblingen sind momentan noch 42 Bürger krank gemeldet, 0,08 Prozent der Einwohner. Waldenbuch hat mit 13 aktiven Fällen eine vergleichsweise hohe Quote von 0,15 Prozent der Einwohner. In einer Flüchtlingsunterkunft seien mehrere Mitbürger erkrankt, berichtete der Bürgermeister. Sie wurden zum Schutz ihrer Mitbewohner in Ausweichquartieren untergebracht.

Impfungen im Pflegeheim

„Es gibt immer wieder Fälle in Pflegeheimen, aber keine größeren Ausbrüche“, sagt die Landratsamtssprecherin Simone Hotz über die Lage in den 42 Einrichtungen im Kreis. Wie im Herrenberger Wiedenhöfer-Stift kommen dort jetzt auch die mobilen Impfteams vorbei. Die Bewohnerin Adelheid Bundus erhielt die erste Dosis. Sie habe schon kurz überlegt, ob sie sich impfen lasse, „habe mich aber bewusst dafür entschieden“, sagte die 101-Jährige: „Es war ja nur ein kleiner Piks.“

In dem Seniorenzentrum der evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal waren Anfang November 38 Bewohner und 34 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert worden. Das Stift hat 79 Plätze für Senioren, 115 Menschen sind dort beschäftigt. Zwölf Senioren starben „mit dem Coronavirus“, erklärt Michael Köhler, der fachliche Vorstand der Diakonieschwesternschaft. Sie hätten aber auch an anderen Krankheiten gelitten. In ein Krankenhaus mussten laut Köhler nur zwei oder drei Bewohner gebracht werden, jedoch keiner von ihnen kam auf die Intensivstation. Das Personal habe die Schutzmaßnahmen vorbildlich umgesetzt. „Es ist schon zermürbend, wenn es so lange dauert“, berichtet Michael Köhler. Rund zehn Wochen nach der ersten Infektion durfte die letzte betroffene Person am 15. Januar die Quarantäne beenden.

Von den Bewohnern, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, lassen sich 90 Prozent impfen, sowie die meisten Mitarbeiter. Die anderen sollen später geimpft werden. Eine große Bereitschaft dafür sei wichtig, gerade auch beim Personal, findet Michael Köhler. „Nur dadurch können wir das Virus nach und nach bezwingen, und eine Rückkehr zu unserem vertrauten Alltag wird wieder eher möglich.“ Er hofft, dass dank der Impfungen die Regelungen irgendwann gelockert werden können.

Weniger Patienten in der Klinik

Von den 27 Covid-19-Patienten an den vier Krankenhäusern im Kreis Böblingen müssen aktuell drei auf Intensivstationen beamtet werden. Hinzu kommen 18 Verdachtsfälle. „Die Zahlen gehen parallel zur sinkenden Landkreisinzidenz auch bei uns speziell in den letzten Tagen ebenfalls zurück“, sagt Ingo Matheus, der Sprecher des Klinikverbundes Südwest. Vor vier Wochen waren es noch 120 Corona-Patienten, Ende vergangener Woche sank die Zahl auf 70, aktuell sind es in den Kreisen Böblingen und Calw noch 47. „Nach wie vor gibt und gab es wie in der ersten Welle aber zahlreiche schwere und schwerste Verläufe“, warnt er. Davon seien auch jüngere Patienten ohne erkennbare Vorerkrankungen betroffen. Insofern sei angesichts der unklaren Erkenntnisse rund um die Mutationen Vorsicht geboten – zumal die Mitarbeiter in den Kliniken „nach elf Monaten Pandemie am Limit sind“, erklärt Ingo Matheus. Der Krankenstand sei immer noch hoch, seit Oktober mussten zum Teil monatlich bis zu 1000 Schichten aufgefangen werden. „Insofern begrüßen wir grundsätzlich Maßnahmen, die geeignet sind, die Inzidenz weiter zu senken.“

Aus der aktuell hohen Auslastung der Intensivkapazitäten des Klinikverbunds lassen sich keine Rückschlüsse auf die Corona-Zahlen ziehen. Im Kreis Böblingen waren am Dienstag an den Krankenhäusern von den 49 Betten in Intensivstationen 45 belegt – sieben davon mit Covid-19-Patienten. Ihre Zahl sank am Mittwoch auf drei. Die Belegung variiere stündlich, erklärt der Kliniksprecher. Auf den Stationen würden auch andere Patienten behandelt, etwa nach einer Operation oder einem Sturz, was wetterbedingt im Januar zunehme, sowie Menschen nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt.

Vergangenes Jahr sind an den Kliniken im Verbund 2638 Covid-19-Patienten behandelt worden, davon 2105 im Kreis Böblingen. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 69 Jahren, die Altersspanne reichte von null bis 100 Jahren. Rund zehn Prozent aller Patienten seien leider verstorben, berichtet Ingo Matheus, sie waren im Schnitt 80 Jahre alt. Dabei handele es sich um 270 Einzelschicksale für Familien, betont er. Die hohe Zahl spiegele auch „die extreme psychische Belastung für die Mitarbeiter, welche die verstorbenen Patienten betreut haben“, wider.