Seit Samstag gilt, wer shoppen will, muss geimpft oder genesen sein, wer in die Gastro will, zusätzlich getestet. Das verursachte in der Stadt Zustimmung, aber auch Unmut, vor allem wegen der Umsetzung.

Stuttgart - „Das Leben ist echt anstrengend geworden!“ Mit diesen Worten hat sich ein ältere Dame am Samstag in Richtung Testzentrum vor der Alten Kanzlei auf Weg gemacht. „Zwei Mal geimpft und jetzt brauche ich doch noch einen Test, weil ich mich nachher mit meinen Freundinnen im Café treffe“, sagte sie. Vor der Teststation wurde die Menschenschlange stetig länger. In dieser stand ein Mann. Er erklärte: „Es ist ein bisschen blöd, dass ich meine Booster-Impfung erst kommende Woche habe. Ich will heute noch mit meiner Nichte ins Museum.“ Geht aber nicht mehr ohne Test, seit die Landesregierung am Freitag schärfere Regeln zur Bekämpfung der Pandemie verkündet hatte.

 

Auch in Fitnessstudios gilt 2G Plus

Seit dem zweiten Adventssamstag gilt, dass nur in Geschäfte des Einzelhandels darf, wer 2G nachweisen kann, also geimpft oder genesen ist. Läden der Grundversorgung wie Lebensmittel, Apotheken oder ähnliches sind ausgenommen. Und für Restaurants, Zoos, Museen, Fitnessstudios, Messen und mehr gilt sogar 2 G plus: Es haben nur Geimpfte und Genesene Zutritt, die auch noch einen negativen Corona-Test vorweisen können. Glück, wer schon eine Booster-Impfung hatte, denn der braucht keinen zusätzlichen Test.

Aber die Geboosterten sind derzeit noch in der Minderzahl. Die Testzentren in der Innenstadt hatten denn auch zur Mittagszeit am Samstag gut zu tun, während es im Landesmuseum oder Kunstmuseum Stuttgart überschaubar zuging. „Normalerweise kommen samstags immer sehr viele Menschen zu uns“, betonte ein Sicherheitsbeauftragter im Kunstmuseum und ergänzte: „Aber dass nun Geimpfte zusätzlich einen Test bringen müssen, ärgert manche.“ Ein Paar, das die Ausstellungen anschaute, bestätigte: „Wir verstehen, dass die Regelungen verschärft wurden, aber es ist anstrengend, weil es viel zu wenig Testzentren gibt.“

Tests funktionieren nicht

Schlechte Laune war auch in manchen Gastronomiebetrieben zu spüren, indes nicht in allen. Während die Angestellten im Café Treppe meinten, die meisten Gäste gingen gut mit den Regeln um, rechneten die Servicekräfte im nahen Happy Hot Dogs der Königsbaupassagen mit keinem einzigen Kunden an diesem ersten 2-G-plus-Tag. „Leere Tische, das wird sich auch nicht ändern, wer wird sich schon wegen eines Hot Dogs extra nochmals testen lassen“, hieß es dort. Im Cotidiano am Marktplatz klappte es nicht mit den QR-Codes. Normalerweise würde der Laden um die Mittagszeit brummen. „Aber die Stadt will, dass die Tests per Code nachprüfbar sein sollen. Das funktioniert bei den Allerwenigsten. Wir überlegen nun, ob wir auch negative Tests auf Papier anerkennen“, so eine Kellnerin. Das täten längst andere Gastronomen. „Man muss das ja irgendwie pragmatisch lösen können“, so ein Kommentar.

„Impfcodes und Personalausweise bereithalten“

Der Zulauf zu Geschäften, wo 2G zum Eintritt reichte, war unterschiedlich. Groß war er bei Saturn, wo vier junge Männer konsequent den Einlass in die Welt der elektronischen Waren kontrollierten. „Impfcodes und Personalausweise bereithalten“, so die Männer. „Genervte Kunden, manche wissen nicht Bescheid!“, kommentierte einer der Kontrolleure. Einem Paar aus Dubai machte das nichts aus. „It’s ok, it’s a pandemic situation.“ Auch vor dem Buchhaus Wittwer, wo die Kontrolleure warteten, gab es unterschiedliche Reaktionen. Während eine junge Frau monierte, das sei wohl „jetzt zu viel des Guten“, konstatierte ein Mann hinter ihr. „Nein, das war längst fällig. Hätte man schon früher endlich klare Maßnahmen ergriffen und benannt, wären wir jetzt nicht in dieser Lage.“

„Schockierend und fahrlässig!“

So sah es auch ein Kunde bei Merz und Benzing, der nach Weihnachtsgeschenken schaute. „Seit bei uns in der Firma 3G ist, man den Status abfragen darf, sieht man erst, wer alles nicht geimpft ist. Das ist schockierend und fahrlässig!“ Überhaupt betonten viele der Befragten die Notwendigkeit strikter Maßnahmen, wollten sich nicht mehr von der „unsolidarischen Minderheit der Ungeimpften“ gängeln lassen. Allerdings kritisierten sie Umsetzung und Hin und Her der Regeln. „Das verunsichert. Ich habe aufgepasst, bekomme bald meinen Booster, was soll ich noch tun, weil es manche nicht kapieren?“, monierte jemand. Ihre Begleiterin betonte, dass sie ja ihre Impfung auffrischen lassen wolle, aber es noch nicht könne, weil ihre letzte Impfung erst vier Monate her sei: „Hier braucht es mehr Möglichkeiten.“

Und eine längere Übergangsfrist um Maßnahmen umzusetzen, ergänzte ein Paar, das in den Ochs’n Willi wollte, aber noch keinen Test zu ihrem 2G hatte. „Wir gehen jetzt nach Hause.“

Sven Hahn kritisiert Landesregierung

Auch City-Manager Sven Hahn kritisiert, wie kurzfristig Baden-Württemberg die Bund-Länder-Beschlüsse umgesetzt habe: „Die Verordnung kam am Samstagnacht um 0:17 Uhr – gültig ab Samstag.“ In so extrem kurzer Zeit von 3G auf 2G respektive 2 G plus umzustellen bedeute für den Handel personell und organisatorisch einen Kraftakt. „Und das in einer Zeit, in der sie normalerweise den stärksten Umsatz haben.“ Wegen eines Kaffees ließen sich wohl die Wenigsten testen, das sei für die Gastronomie wie ein Lockdown nur ohne Finanzausgleich, wie es ihn vor einem Jahr gegeben habe. „Ohne Zweifel hat die Pandemiebekämpfung oberstes Gebot. Maßnahmen sind essenziell. Aber die Umsetzung ist nicht okay. Man merkt, dass die Politik weit weg von der Praxis ist.“ Das Telefon des City-Managers ist seit Freitag heiß gelaufen: Es gebe viele Unklarheiten, etwa auch, was noch zum täglichen Bedarf gehöre, was nicht, sagte Hahn. Hinzu komme der Mangel an Testkapazitäten: Die City-Initiative (CIS) habe den Mitgliedern angeboten, ihnen Tests für Mitarbeitende und Kunden zu besorgen. Statt der erwarteten einigen 100 Bestellungen, wurden Zehntausende geordert. Das zeige, es brauche klare Ansagen. „Sonst verlagert sich alles noch mehr ins Onlinegeschäft.“